Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Der Porträtmaler unsrer Klassiker, liehen Kinderkopf wir auf so vielen seiner Bilder bewundern, hatte er schon Leider wurden noch die letzten Wochen seines Lebens durch die der Leip¬ Von Graffs künstlerischer Fruchtbarkeit kann man sich nicht leicht eine zu Der Porträtmaler unsrer Klassiker, liehen Kinderkopf wir auf so vielen seiner Bilder bewundern, hatte er schon Leider wurden noch die letzten Wochen seines Lebens durch die der Leip¬ Von Graffs künstlerischer Fruchtbarkeit kann man sich nicht leicht eine zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150886"/> <fw type="header" place="top"> Der Porträtmaler unsrer Klassiker,</fw><lb/> <p xml:id="ID_505" prev="#ID_504"> liehen Kinderkopf wir auf so vielen seiner Bilder bewundern, hatte er schon<lb/> 1801 im Alter von 24 Jahren, 1810 auch seinen Schwiegersohn, den Land¬<lb/> schaftsmaler Ludwig Kaaz durch den Tod verloren. Einige Auszeichnungen,<lb/> die ihm in hohem Alter zu Theil wurden, machten ihm keine Freude mehr.<lb/> „Vor einem halben Jahre — schreibt er 1812 an einen Freund in der Heimat —<lb/> that mir die Wiener Academie die Ehre an, mich zu ihrem Mitgliede zu erwählen,<lb/> und vor einigen Wochen die Münchener Akademie auch. Es kommt nun zu spät,<lb/> meine Künstlerlaufbahn ist nun abgelaufen."</p><lb/> <p xml:id="ID_506"> Leider wurden noch die letzten Wochen seines Lebens durch die der Leip¬<lb/> ziger Völkerschlacht im Frühjahre 1813 vorausgehenden kriegerischen Ereignisse<lb/> beunruhigt. Als Ende Mai 1813 nach der Schlacht bei Bautzen tausende von<lb/> Verwundeten in Dresden ankamen und, da die Hospitäler der Stadt nicht aus¬<lb/> reichten, in die Bürgerhäuser der Altstadt gelegt wurden, sah Graff sich ge¬<lb/> nöthigt, seine Wohnung am Altmarkt, in der er nun beinahe ein halbes Jahr¬<lb/> hundert zugebracht, zu verlassen und in die Vorstadt zu seiner Tochter überzu¬<lb/> siedeln. In dieser Zeit schreibt er an einen Freund in Winterthur: „Seit einem<lb/> Jahre bin ich kein glücklicher alter Mann; wenn ich eine Möglichkeit sehen könnte,<lb/> selbst nach der Schweiz zu kommen, so würde ich es noch in meinem Alter wagen;<lb/> lange kann ich doch nicht mehr in diesen unruhigen Zeiten leben." Die Ruhe<lb/> war ihm früher beschieden, als er es ahnte. Er hatte kaum vierzehn Tage seine<lb/> alte Wohnung verlassen, als ihn ein Nervenfieber befiel, dem er am 22. Juni<lb/> 1813, im Alter von 76 Jahren und 7 Monaten, erlag. Auf dem „böhmischen"<lb/> Kirchhofe, dem spätern Johanniskirchhofe, wurde er bestattet. Heute ist seine<lb/> Grabstätte verschwanden: der genannte Kirchhof wurde 1869 bebaut. Eine<lb/> Enkelin Graffs ist vor wenigen Jahren im Altweiberhospital in Dresden ver¬<lb/> storben.</p><lb/> <p xml:id="ID_507"> Von Graffs künstlerischer Fruchtbarkeit kann man sich nicht leicht eine zu<lb/> überschwängliche Vorstellung machen. Ulrich Hegner hat in seiner eingangs er¬<lb/> wähnten Biographie die Zahl der Bilder überliefert, die Graff in seinem Leben<lb/> gemalt hat. Er kannte ein großes Buch, in welches Graff von Anfang an<lb/> alle seine Arbeiten mit den Namen der abgebildeten Personen und den Preisen,<lb/> die ihm dafür gezahlt worden waren, eingezeichnet hatte. Darnach hatte er<lb/> von 1766 bis 1766 in Augsburg, Regensburg und anderwärts 297 Porträts,<lb/> während seiner Dresdener Zeit von 1766 bis 1813 943 Originalgemälde und<lb/> 416 Kopien, zusammen also 1666 Bilder gemalt, nicht gerechnet seine zahl¬<lb/> reichen Zeichnungen. Mulder hat in seiner Schrift, indem er sich nur auf die<lb/> hervorragenderen Persönlichkeiten beschränkt hat, 180 erhaltene Originalporträts<lb/> und 67, die er nur noch in Kupferstichen nachweisen konnte, aufgezählt und<lb/> sorgfältig beschrieben; 63 führt er außerdem als urkundlich bezeugt, aber jetzt<lb/> verschollen auf. Hier mögen nur über zwei derselben, über die Bildnisse Lessings<lb/> und Schillers, noch einige Mittheilungen angeschlossen sein.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Der Porträtmaler unsrer Klassiker,
liehen Kinderkopf wir auf so vielen seiner Bilder bewundern, hatte er schon
1801 im Alter von 24 Jahren, 1810 auch seinen Schwiegersohn, den Land¬
schaftsmaler Ludwig Kaaz durch den Tod verloren. Einige Auszeichnungen,
die ihm in hohem Alter zu Theil wurden, machten ihm keine Freude mehr.
„Vor einem halben Jahre — schreibt er 1812 an einen Freund in der Heimat —
that mir die Wiener Academie die Ehre an, mich zu ihrem Mitgliede zu erwählen,
und vor einigen Wochen die Münchener Akademie auch. Es kommt nun zu spät,
meine Künstlerlaufbahn ist nun abgelaufen."
Leider wurden noch die letzten Wochen seines Lebens durch die der Leip¬
ziger Völkerschlacht im Frühjahre 1813 vorausgehenden kriegerischen Ereignisse
beunruhigt. Als Ende Mai 1813 nach der Schlacht bei Bautzen tausende von
Verwundeten in Dresden ankamen und, da die Hospitäler der Stadt nicht aus¬
reichten, in die Bürgerhäuser der Altstadt gelegt wurden, sah Graff sich ge¬
nöthigt, seine Wohnung am Altmarkt, in der er nun beinahe ein halbes Jahr¬
hundert zugebracht, zu verlassen und in die Vorstadt zu seiner Tochter überzu¬
siedeln. In dieser Zeit schreibt er an einen Freund in Winterthur: „Seit einem
Jahre bin ich kein glücklicher alter Mann; wenn ich eine Möglichkeit sehen könnte,
selbst nach der Schweiz zu kommen, so würde ich es noch in meinem Alter wagen;
lange kann ich doch nicht mehr in diesen unruhigen Zeiten leben." Die Ruhe
war ihm früher beschieden, als er es ahnte. Er hatte kaum vierzehn Tage seine
alte Wohnung verlassen, als ihn ein Nervenfieber befiel, dem er am 22. Juni
1813, im Alter von 76 Jahren und 7 Monaten, erlag. Auf dem „böhmischen"
Kirchhofe, dem spätern Johanniskirchhofe, wurde er bestattet. Heute ist seine
Grabstätte verschwanden: der genannte Kirchhof wurde 1869 bebaut. Eine
Enkelin Graffs ist vor wenigen Jahren im Altweiberhospital in Dresden ver¬
storben.
Von Graffs künstlerischer Fruchtbarkeit kann man sich nicht leicht eine zu
überschwängliche Vorstellung machen. Ulrich Hegner hat in seiner eingangs er¬
wähnten Biographie die Zahl der Bilder überliefert, die Graff in seinem Leben
gemalt hat. Er kannte ein großes Buch, in welches Graff von Anfang an
alle seine Arbeiten mit den Namen der abgebildeten Personen und den Preisen,
die ihm dafür gezahlt worden waren, eingezeichnet hatte. Darnach hatte er
von 1766 bis 1766 in Augsburg, Regensburg und anderwärts 297 Porträts,
während seiner Dresdener Zeit von 1766 bis 1813 943 Originalgemälde und
416 Kopien, zusammen also 1666 Bilder gemalt, nicht gerechnet seine zahl¬
reichen Zeichnungen. Mulder hat in seiner Schrift, indem er sich nur auf die
hervorragenderen Persönlichkeiten beschränkt hat, 180 erhaltene Originalporträts
und 67, die er nur noch in Kupferstichen nachweisen konnte, aufgezählt und
sorgfältig beschrieben; 63 führt er außerdem als urkundlich bezeugt, aber jetzt
verschollen auf. Hier mögen nur über zwei derselben, über die Bildnisse Lessings
und Schillers, noch einige Mittheilungen angeschlossen sein.
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