Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Politische Rückblicke und Ausblicke. ihrer Spitze standen, einige Zeit mehr erwartete, als sich schließlich erfüllte. Wenn Nur "venige Prälaten Deutschlands hielten noch eine Weile länger aus, darunter Zu begreifen war es einigermaßen, daß die Bischöfe sich unterwarfen. "Für Grenzboten IV. Z881. 18
Politische Rückblicke und Ausblicke. ihrer Spitze standen, einige Zeit mehr erwartete, als sich schließlich erfüllte. Wenn Nur »venige Prälaten Deutschlands hielten noch eine Weile länger aus, darunter Zu begreifen war es einigermaßen, daß die Bischöfe sich unterwarfen. „Für Grenzboten IV. Z881. 18
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150873"/> <fw type="header" place="top"> Politische Rückblicke und Ausblicke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_468" prev="#ID_467"> ihrer Spitze standen, einige Zeit mehr erwartete, als sich schließlich erfüllte. Wenn<lb/> diese Bewegung zu keinem erheblichen Ergebnisse führte, so lag dies daran, daß<lb/> die Bischöfe der Minorität sich einer nach dem andern dem neuen Dogma unter¬<lb/> worfen, und daß sie dies wenige Wochen nach ihrem letzten Protest unumwunden<lb/> öffentlich ausgesprochen hatten. Am 17. Juli hatten diese Kirchenfürsten dem Papste<lb/> erklärt, „gedrungen von ihrem Gewissen und aus Liebe zu der heiligen Kirche"<lb/> ihre Stimmen mit non Mehl abgegeben zu haben. Von jenem Zeitpunkte an<lb/> „hatte sich," wie sie weiter sagten, „ganz und gar nichts ereignet, was ihre Willens¬<lb/> meinung hätte ändern können," im Gegentheile waren „äußerst wichtige Dinge vor¬<lb/> gefallen, welche sie in ihrem Vorsätze bestärkt hatten." Sie erneuerten und be¬<lb/> stätigten daher ausdrücklich ihre in der Generalcongregation erfolgte Abstimmung<lb/> und wollten dieselbe nur aus kindlicher Liebe nicht vor dem heiligen Vater selbst<lb/> mündlich wiederholen. Ende August dagegen verkündeten dieselben Bischöfe mit<lb/> den meiste» andern deutschen Kirchenfürsten, in Fulda versammelt, ihren Diöcesen:<lb/> „Das unfehlbare Lehramt der Kirche hat entschieden, der heilige Geist hat durch<lb/> den Stellvertreter Christi und den mit ihm vereinigten Episcopat gesprochen, und<lb/> daher müssen alle, die Bischöfe, Priester und Gläubigen, diese Entscheidungen als<lb/> göttlich geoffenbarte Wahrheiten mit festem Glauben annehmen und sie mit freu¬<lb/> digem Herzen erfassen und bekennen, wenn sie wirklich Glieder der einen heiligen<lb/> katholischen Kirche sein und bleiben wollen." Allerdings seien, wie es in dem be¬<lb/> treffenden Hirtenbriefe weiter hieß, auf dem Concile Meinungsverschiedenheiten<lb/> hervorgetreten, doch könne wegen derselben die Giltigkeit der Beschlüsse der Ver¬<lb/> sammlung in keiner Weise bestritten werden. „Behaupten, daß die eine oder die<lb/> andre vom allgemeinen Concile entschiedene Lehre in der heiligen Schrift und der<lb/> katholischen Ueberlieferung, den beiden Quellen des katholischen Glaubens, nicht<lb/> enthalten sei oder mit denselben sogar im Widerspruche stehe, sei ein mit den<lb/> Grundsätzen der katholischen Kirche unvereinbares Beginnen, welches zur Trennung<lb/> von der Gemeinschaft der Kirche führe." Die Bischöfe stimmten daher „mit vollem<lb/> und rückhaltlosen Glauben" den Beschlüssen des Concils bei und ernährten ihre<lb/> geistlichen Heerden, um ihres Seelenheils willen desgleichen zu thun.</p><lb/> <p xml:id="ID_469"> Nur »venige Prälaten Deutschlands hielten noch eine Weile länger aus, darunter<lb/> der Bischof Hefelc in Rottenburg, der noch am 20. November schrieb: „Ich kann<lb/> mir in Rottenburg so wenig wie in Rom verhehlen, daß das neue Dogma einer<lb/> wahren, wahrhaftigen, biblischen und traditionellen Begründung entbehrt und die<lb/> Kirche in unberechenbarer Weise beschädigt, so daß letztere nie einen herberen und<lb/> tätlicheren Schlag erlitten hat als am 18. Juli d. I. Aber mein Auge ist zu<lb/> schwach, um in dieser Noth einen Rettungsweg zu entdecken, nachdem fast der ganze<lb/> deutsche Episcopat, so zu sagen, über Nacht seine Ueberzeugung geändert hat und<lb/> Zum Theil in sehr verfolgungssüchtigen Jnfallibilismus übergegangen ist." In dieser<lb/> Stimmung gab auch er nach, und ihm folgten allmählich alle übrigen Protestbischöfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Zu begreifen war es einigermaßen, daß die Bischöfe sich unterwarfen. „Für<lb/> einen richtigen Katholiken giebt es," sagt Hahn mit Recht, „keinen höhern Gesichts¬<lb/> punkt als den der Einheit mit der sichtbaren Kirche, deren Haupt eben der Papst<lb/> ^se, kein größeres Uebel als die Trennung von derselben. Die gewöhnliche Logik<lb/> 'se für ihn nur insoweit maßgebend, als die oberste und höchste Ueberzeugung vor<lb/> der allein seligmachenden Kirche dadurch nicht erschüttert wird. Es gehörte daher<lb/> eine große Macht, z. B. wissenschaftliche Bildung dazu, um selbst bei lebhaftem<lb/> vorgängigen Widerspruch gegen eine einzelne, auch wichtige Lehre den Zusammen¬<lb/> hang mit der Kirche ganz aufzuheben, um nach katholischem Begriffe schismatisch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. Z881. 18</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
Politische Rückblicke und Ausblicke.
ihrer Spitze standen, einige Zeit mehr erwartete, als sich schließlich erfüllte. Wenn
diese Bewegung zu keinem erheblichen Ergebnisse führte, so lag dies daran, daß
die Bischöfe der Minorität sich einer nach dem andern dem neuen Dogma unter¬
worfen, und daß sie dies wenige Wochen nach ihrem letzten Protest unumwunden
öffentlich ausgesprochen hatten. Am 17. Juli hatten diese Kirchenfürsten dem Papste
erklärt, „gedrungen von ihrem Gewissen und aus Liebe zu der heiligen Kirche"
ihre Stimmen mit non Mehl abgegeben zu haben. Von jenem Zeitpunkte an
„hatte sich," wie sie weiter sagten, „ganz und gar nichts ereignet, was ihre Willens¬
meinung hätte ändern können," im Gegentheile waren „äußerst wichtige Dinge vor¬
gefallen, welche sie in ihrem Vorsätze bestärkt hatten." Sie erneuerten und be¬
stätigten daher ausdrücklich ihre in der Generalcongregation erfolgte Abstimmung
und wollten dieselbe nur aus kindlicher Liebe nicht vor dem heiligen Vater selbst
mündlich wiederholen. Ende August dagegen verkündeten dieselben Bischöfe mit
den meiste» andern deutschen Kirchenfürsten, in Fulda versammelt, ihren Diöcesen:
„Das unfehlbare Lehramt der Kirche hat entschieden, der heilige Geist hat durch
den Stellvertreter Christi und den mit ihm vereinigten Episcopat gesprochen, und
daher müssen alle, die Bischöfe, Priester und Gläubigen, diese Entscheidungen als
göttlich geoffenbarte Wahrheiten mit festem Glauben annehmen und sie mit freu¬
digem Herzen erfassen und bekennen, wenn sie wirklich Glieder der einen heiligen
katholischen Kirche sein und bleiben wollen." Allerdings seien, wie es in dem be¬
treffenden Hirtenbriefe weiter hieß, auf dem Concile Meinungsverschiedenheiten
hervorgetreten, doch könne wegen derselben die Giltigkeit der Beschlüsse der Ver¬
sammlung in keiner Weise bestritten werden. „Behaupten, daß die eine oder die
andre vom allgemeinen Concile entschiedene Lehre in der heiligen Schrift und der
katholischen Ueberlieferung, den beiden Quellen des katholischen Glaubens, nicht
enthalten sei oder mit denselben sogar im Widerspruche stehe, sei ein mit den
Grundsätzen der katholischen Kirche unvereinbares Beginnen, welches zur Trennung
von der Gemeinschaft der Kirche führe." Die Bischöfe stimmten daher „mit vollem
und rückhaltlosen Glauben" den Beschlüssen des Concils bei und ernährten ihre
geistlichen Heerden, um ihres Seelenheils willen desgleichen zu thun.
Nur »venige Prälaten Deutschlands hielten noch eine Weile länger aus, darunter
der Bischof Hefelc in Rottenburg, der noch am 20. November schrieb: „Ich kann
mir in Rottenburg so wenig wie in Rom verhehlen, daß das neue Dogma einer
wahren, wahrhaftigen, biblischen und traditionellen Begründung entbehrt und die
Kirche in unberechenbarer Weise beschädigt, so daß letztere nie einen herberen und
tätlicheren Schlag erlitten hat als am 18. Juli d. I. Aber mein Auge ist zu
schwach, um in dieser Noth einen Rettungsweg zu entdecken, nachdem fast der ganze
deutsche Episcopat, so zu sagen, über Nacht seine Ueberzeugung geändert hat und
Zum Theil in sehr verfolgungssüchtigen Jnfallibilismus übergegangen ist." In dieser
Stimmung gab auch er nach, und ihm folgten allmählich alle übrigen Protestbischöfe.
Zu begreifen war es einigermaßen, daß die Bischöfe sich unterwarfen. „Für
einen richtigen Katholiken giebt es," sagt Hahn mit Recht, „keinen höhern Gesichts¬
punkt als den der Einheit mit der sichtbaren Kirche, deren Haupt eben der Papst
^se, kein größeres Uebel als die Trennung von derselben. Die gewöhnliche Logik
'se für ihn nur insoweit maßgebend, als die oberste und höchste Ueberzeugung vor
der allein seligmachenden Kirche dadurch nicht erschüttert wird. Es gehörte daher
eine große Macht, z. B. wissenschaftliche Bildung dazu, um selbst bei lebhaftem
vorgängigen Widerspruch gegen eine einzelne, auch wichtige Lehre den Zusammen¬
hang mit der Kirche ganz aufzuheben, um nach katholischem Begriffe schismatisch
Grenzboten IV. Z881. 18
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |