Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Die Briefe der Freifrau von Bunsen, Höchst liebenswürdig sind die Briefe der in der Ferne weilenden Gattin Nachdem Bunsen nach Rom zurückgekehrt, vergingen die nächstfolgenden Die Briefe der Freifrau von Bunsen, Höchst liebenswürdig sind die Briefe der in der Ferne weilenden Gattin Nachdem Bunsen nach Rom zurückgekehrt, vergingen die nächstfolgenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150844"/> <fw type="header" place="top"> Die Briefe der Freifrau von Bunsen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_368"> Höchst liebenswürdig sind die Briefe der in der Ferne weilenden Gattin<lb/> aus jener Zeit, Getreulich meldet sie die kleinen nud großen Sorgen ihres<lb/> Haushaltes, beredt schildert sie die Schönheiten der römischen Natur, die sie<lb/> inmitten ihrer Kinderschaar an der Seite von Freunden der Familie genossen,<lb/> und getreulich warnt sie den Gatten vor allzugroßem Vertrauen auf seine be¬<lb/> neidete Stellung, „Mein Theuerster," schreibt sie am 17, December 1827 nach<lb/> Berlin, „soll ich Dir gestehen, daß mir Dein Frohlocken über clitLouW vÄnouo<lb/> nicht gefiel? Warst Du nicht zu sehr von dem Vertrauen in Deine eigne Kraft<lb/> erfüllt? Wenn Du — wie ich hoffe und glaube — nicht nur treu, sondern<lb/> auch wirklich für den Frieden und das Wohl der Kirche Christi gearbeitet hast,<lb/> werde ich ganz gewiß die letzte sein, Dir das Lob zu mißgönnen, das Du ver¬<lb/> dienst; aber ich wollte, Du hättest Dir selbst weniger davon zugeschrieben. Die<lb/> Vorsehung, die Dich nach Berlin geführt hat, mag Dich zum allgemeinen Wohl<lb/> benutzen, aber es wird Dich nicht selbst bessern, ein Werkzeug des Guten zu<lb/> sein, wenn nicht Deine innere Demüthigung vor dein Kreuze Christi im richtigen<lb/> Verhältnisse zu Deiner äußern Erhebung steht. Mein Geliebtester, Theuerster,<lb/> willst Du mir mein Predigen verzeihen? Wenn Du dessen nicht bedurftest,<lb/> wirst Du mir's nicht übelnehmen! Du bist auf eine hohe Zinne gestellt, und<lb/> Du wirst Dich nicht darüber wundern, wenn ich aus der Ferne meine Stimme<lb/> zu Dir erhebe und Dich inständigst bitte, Dein Auge nach oben gerichtet zu<lb/> halten, damit es nicht abschweife, und Du dadurch schwindlig werdest und zu<lb/> Falle kommst."</p><lb/> <p xml:id="ID_369" next="#ID_370"> Nachdem Bunsen nach Rom zurückgekehrt, vergingen die nächstfolgenden<lb/> Jahre in stiller Arbeit, im Genusse der Kunstschätze und der Natur Italiens und<lb/> im vertrauten Umgange mit liebe» Freunden in ungetrübtem Glücke. Ende 1829<lb/> wurde Frances Bunsen die Freude zutheil, die geliebte Mutter uach zwölfjähriger<lb/> Trennung wieder in Rom begrüßen zu können. In einem Briefe, in welchem<lb/> sie die nahende Mutter auf manche Veränderung in Bunsens Wesen vorbereitet,<lb/> spricht sich wieder aufs rührendste die Liebe zu ihrem Gatten aus. „Und dann,<lb/> meine geliebte Mutter, was werden Deine Empfindungen für meinen Herzens¬<lb/> schatz, meine Wonne, meinen Trost — ich hätte fast gesagt, meinen Abgott<lb/> (vielleicht ist der Ausdruck richtiger, als er sich rechtfertigen läßt) —, meinen<lb/> Karl sein! Sollten Dir Mängel auffallen und mißfallen, willst Du sie über¬<lb/> sehen, um der schweren Proben willen, die er während einer langen Reihe von<lb/> Jahren bestanden — die Erfüllung jedes Wunsches, die Schmeichelei der Großen,<lb/> die Liebe und Vergötterung der Guten, die Bewunderung, der Beifall der Geist¬<lb/> reichen, mit einem Wort: die Gunst des Glücks in ihrer verführerischesten Ge¬<lb/> stalt? Und willst Du dann anstatt auf menschliche Unvollkommenheiten zu<lb/> blicken, Dich nur über den lautern Werth Wundern, der so unverdorben geblieben?<lb/> Und wenn dann zuletzt noch etwas zuzudecken bleibt, willst Du dann meine<lb/> Liebe, meine Bewunderung, meine Anerkennung als ein entscheidendes, alles um-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Die Briefe der Freifrau von Bunsen,
Höchst liebenswürdig sind die Briefe der in der Ferne weilenden Gattin
aus jener Zeit, Getreulich meldet sie die kleinen nud großen Sorgen ihres
Haushaltes, beredt schildert sie die Schönheiten der römischen Natur, die sie
inmitten ihrer Kinderschaar an der Seite von Freunden der Familie genossen,
und getreulich warnt sie den Gatten vor allzugroßem Vertrauen auf seine be¬
neidete Stellung, „Mein Theuerster," schreibt sie am 17, December 1827 nach
Berlin, „soll ich Dir gestehen, daß mir Dein Frohlocken über clitLouW vÄnouo
nicht gefiel? Warst Du nicht zu sehr von dem Vertrauen in Deine eigne Kraft
erfüllt? Wenn Du — wie ich hoffe und glaube — nicht nur treu, sondern
auch wirklich für den Frieden und das Wohl der Kirche Christi gearbeitet hast,
werde ich ganz gewiß die letzte sein, Dir das Lob zu mißgönnen, das Du ver¬
dienst; aber ich wollte, Du hättest Dir selbst weniger davon zugeschrieben. Die
Vorsehung, die Dich nach Berlin geführt hat, mag Dich zum allgemeinen Wohl
benutzen, aber es wird Dich nicht selbst bessern, ein Werkzeug des Guten zu
sein, wenn nicht Deine innere Demüthigung vor dein Kreuze Christi im richtigen
Verhältnisse zu Deiner äußern Erhebung steht. Mein Geliebtester, Theuerster,
willst Du mir mein Predigen verzeihen? Wenn Du dessen nicht bedurftest,
wirst Du mir's nicht übelnehmen! Du bist auf eine hohe Zinne gestellt, und
Du wirst Dich nicht darüber wundern, wenn ich aus der Ferne meine Stimme
zu Dir erhebe und Dich inständigst bitte, Dein Auge nach oben gerichtet zu
halten, damit es nicht abschweife, und Du dadurch schwindlig werdest und zu
Falle kommst."
Nachdem Bunsen nach Rom zurückgekehrt, vergingen die nächstfolgenden
Jahre in stiller Arbeit, im Genusse der Kunstschätze und der Natur Italiens und
im vertrauten Umgange mit liebe» Freunden in ungetrübtem Glücke. Ende 1829
wurde Frances Bunsen die Freude zutheil, die geliebte Mutter uach zwölfjähriger
Trennung wieder in Rom begrüßen zu können. In einem Briefe, in welchem
sie die nahende Mutter auf manche Veränderung in Bunsens Wesen vorbereitet,
spricht sich wieder aufs rührendste die Liebe zu ihrem Gatten aus. „Und dann,
meine geliebte Mutter, was werden Deine Empfindungen für meinen Herzens¬
schatz, meine Wonne, meinen Trost — ich hätte fast gesagt, meinen Abgott
(vielleicht ist der Ausdruck richtiger, als er sich rechtfertigen läßt) —, meinen
Karl sein! Sollten Dir Mängel auffallen und mißfallen, willst Du sie über¬
sehen, um der schweren Proben willen, die er während einer langen Reihe von
Jahren bestanden — die Erfüllung jedes Wunsches, die Schmeichelei der Großen,
die Liebe und Vergötterung der Guten, die Bewunderung, der Beifall der Geist¬
reichen, mit einem Wort: die Gunst des Glücks in ihrer verführerischesten Ge¬
stalt? Und willst Du dann anstatt auf menschliche Unvollkommenheiten zu
blicken, Dich nur über den lautern Werth Wundern, der so unverdorben geblieben?
Und wenn dann zuletzt noch etwas zuzudecken bleibt, willst Du dann meine
Liebe, meine Bewunderung, meine Anerkennung als ein entscheidendes, alles um-
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