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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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T>as Attentat in Washington.

er Mordversuch, welcher am 2, Juli in Washington City gegen das
Oberhaupt der nordmucrikanischen Union unternommen worden,
hat nicht nnr in den Vereinigten Staaten die größte Aufregung
hervorgerufen, sondern auch in Europa die allgemeinste Theil¬
nahme erweckt. Kaum vier Mouate waren vergangen, seit der
neue Präsident unter dem Beifall der großen Mehrheit des amerikanischen Volkes
die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übernommen hatte, da traf ihn die
mörderische Kugel eines durch Aemtersucht und Größcnwahusinu sittlich ver-
kvmmncn Menschen. Die äußern Umstände, welche das Verbrechen begleitete",
dürfen wir als bekannt voraussetzen; es kommt uns hier nnr darauf an, die
Zustände etwas näher zu beleuchten, welche die Unthat möglich machten und
welche zu ihrer Erklärung dienen. Nur so viel sei bemerkt, daß der Mörder,
Charles I. Güldenen, früher zeitweise als Beamter des amerikanischen Consulats
in Marseille beschäftigt, sich in jüngster Zeit wiederholt bei dem Präsidenten
Garfield um eine Anstellung beworben hatte, mit seinen Gesuchen jedoch aus
gute" Gründen stets zurückgewiesen worden war. Die Behauptung, daß Guitenu
vollkommen wahnsinnig sei und deshalb in einem ganz unzurechnungsfähigen
Zustande die That vollführt habe, wird sich nach dem Urtheile der Aerzte, die
ihn untersuchten, und nach allem, was über seine Vorbereitungen zur That ver¬
lautete, schwerlich aufrecht erhalten lassen; ebenso wenig dürfte aber auch die
Annahme gerechtfertigt sein, daß ein Complot vorliege und Guiteau im Ein¬
verständnis; mit politischen Parteifreunden handelte oder einzig und allein aus
politischen Partcigründcn zu seinem Entschlüsse kam. Andrerseits erscheint es
"'deß als höchst wahrscheinlich, daß die Vorgänge, welche sich bald nach dem
Amtsautritte des Präsidenten Garfield mit Bezug ans die Besetzung öffentlicher


virniztwtt'n III. 183 >. >2


T>as Attentat in Washington.

er Mordversuch, welcher am 2, Juli in Washington City gegen das
Oberhaupt der nordmucrikanischen Union unternommen worden,
hat nicht nnr in den Vereinigten Staaten die größte Aufregung
hervorgerufen, sondern auch in Europa die allgemeinste Theil¬
nahme erweckt. Kaum vier Mouate waren vergangen, seit der
neue Präsident unter dem Beifall der großen Mehrheit des amerikanischen Volkes
die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übernommen hatte, da traf ihn die
mörderische Kugel eines durch Aemtersucht und Größcnwahusinu sittlich ver-
kvmmncn Menschen. Die äußern Umstände, welche das Verbrechen begleitete»,
dürfen wir als bekannt voraussetzen; es kommt uns hier nnr darauf an, die
Zustände etwas näher zu beleuchten, welche die Unthat möglich machten und
welche zu ihrer Erklärung dienen. Nur so viel sei bemerkt, daß der Mörder,
Charles I. Güldenen, früher zeitweise als Beamter des amerikanischen Consulats
in Marseille beschäftigt, sich in jüngster Zeit wiederholt bei dem Präsidenten
Garfield um eine Anstellung beworben hatte, mit seinen Gesuchen jedoch aus
gute» Gründen stets zurückgewiesen worden war. Die Behauptung, daß Guitenu
vollkommen wahnsinnig sei und deshalb in einem ganz unzurechnungsfähigen
Zustande die That vollführt habe, wird sich nach dem Urtheile der Aerzte, die
ihn untersuchten, und nach allem, was über seine Vorbereitungen zur That ver¬
lautete, schwerlich aufrecht erhalten lassen; ebenso wenig dürfte aber auch die
Annahme gerechtfertigt sein, daß ein Complot vorliege und Guiteau im Ein¬
verständnis; mit politischen Parteifreunden handelte oder einzig und allein aus
politischen Partcigründcn zu seinem Entschlüsse kam. Andrerseits erscheint es
"'deß als höchst wahrscheinlich, daß die Vorgänge, welche sich bald nach dem
Amtsautritte des Präsidenten Garfield mit Bezug ans die Besetzung öffentlicher


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[0097] [Abbildung] T>as Attentat in Washington. er Mordversuch, welcher am 2, Juli in Washington City gegen das Oberhaupt der nordmucrikanischen Union unternommen worden, hat nicht nnr in den Vereinigten Staaten die größte Aufregung hervorgerufen, sondern auch in Europa die allgemeinste Theil¬ nahme erweckt. Kaum vier Mouate waren vergangen, seit der neue Präsident unter dem Beifall der großen Mehrheit des amerikanischen Volkes die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten übernommen hatte, da traf ihn die mörderische Kugel eines durch Aemtersucht und Größcnwahusinu sittlich ver- kvmmncn Menschen. Die äußern Umstände, welche das Verbrechen begleitete», dürfen wir als bekannt voraussetzen; es kommt uns hier nnr darauf an, die Zustände etwas näher zu beleuchten, welche die Unthat möglich machten und welche zu ihrer Erklärung dienen. Nur so viel sei bemerkt, daß der Mörder, Charles I. Güldenen, früher zeitweise als Beamter des amerikanischen Consulats in Marseille beschäftigt, sich in jüngster Zeit wiederholt bei dem Präsidenten Garfield um eine Anstellung beworben hatte, mit seinen Gesuchen jedoch aus gute» Gründen stets zurückgewiesen worden war. Die Behauptung, daß Guitenu vollkommen wahnsinnig sei und deshalb in einem ganz unzurechnungsfähigen Zustande die That vollführt habe, wird sich nach dem Urtheile der Aerzte, die ihn untersuchten, und nach allem, was über seine Vorbereitungen zur That ver¬ lautete, schwerlich aufrecht erhalten lassen; ebenso wenig dürfte aber auch die Annahme gerechtfertigt sein, daß ein Complot vorliege und Guiteau im Ein¬ verständnis; mit politischen Parteifreunden handelte oder einzig und allein aus politischen Partcigründcn zu seinem Entschlüsse kam. Andrerseits erscheint es "'deß als höchst wahrscheinlich, daß die Vorgänge, welche sich bald nach dem Amtsautritte des Präsidenten Garfield mit Bezug ans die Besetzung öffentlicher virniztwtt'n III. 183 >. >2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/97>, abgerufen am 01.09.2024.