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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Gambetta und kein Ende.

mistige Historiker werden die Geschichte Frankreichs in den letzten
beiden Jahren mit Fug als eine Episode in der Biographie Leon
Gambettas bezeichne" könne". Ob er Oberwasser but oder nicht,
ob er Fortschritte oder Rückschritte auf dem Wege zu dem Ziele,
das ihm allem Anschein nach vorschwebt, gemacht, ob er bestimmte
Aussicht hat, dieses Ziel bald oder überhaupt zu erreichen, das sind Fragen,
vor denen alle andern zurücktreten, und mit denen dort alle andern mehr oder
minder i" Verbindung stehen. Es ist nicht bloß die Reclame, die uns das sagt,
es verhält sich in Wirklichkeit so. Die Franzosen sind jetzt Republikaner, sie
lieben die Gleichheit, aber sie lieben es auch, zu bewundern, ihren Respect ans
eine Person zu concentriren, einen Führer zu haben, zu dem sie mehr und mehr
wie zu einem Gebieter aufblicken, zumal, wenn er seinerseits sie das nicht stark
empfinden läßt und sich in die Toga der antiken Selbstlosigkeit hüllt.

Für alles das läßt sich Gambetta als ein Beispiel überzeugender Art nu-
führen. Sein Verfahren und das Verhalten der öffentlichen Meinung bei der
Frage des Listeuserutiuiums, sein Triumphzug nach Cahors, sein Auftreten gegen¬
über der ihm feindlichen Majorität des Senats zeigen es mit Evidenz. Alles
ist ein Auf- und Niederwogen, ein Auf- und Abwiegeln um diese eine Person.
Betrachten wir dieses Schauspiel mit einem Rückblicke von der Zeit an, wo wir
den Gegenstand das letzte Mal ins Auge faßte", bis Ende Juni. Es geht be¬
kanntlich nicht bloß die Fin"zose", sondern anch uns an und zwar sehr.

Die Entscheidung der französischen Deputirtenkcunmer über die Listenwahl,
welche letztre wir vor einigen Wochen charakterisirten, machte im Elhsse einen
Peinlichen Eindruck. "La Paix", das Organ des Präsidenten der Republik,
sprach zwar die Hoffnung aus, daß die Wähler in der Provinz sich von einem


Grenzboton III. 1831. 1


Gambetta und kein Ende.

mistige Historiker werden die Geschichte Frankreichs in den letzten
beiden Jahren mit Fug als eine Episode in der Biographie Leon
Gambettas bezeichne» könne». Ob er Oberwasser but oder nicht,
ob er Fortschritte oder Rückschritte auf dem Wege zu dem Ziele,
das ihm allem Anschein nach vorschwebt, gemacht, ob er bestimmte
Aussicht hat, dieses Ziel bald oder überhaupt zu erreichen, das sind Fragen,
vor denen alle andern zurücktreten, und mit denen dort alle andern mehr oder
minder i» Verbindung stehen. Es ist nicht bloß die Reclame, die uns das sagt,
es verhält sich in Wirklichkeit so. Die Franzosen sind jetzt Republikaner, sie
lieben die Gleichheit, aber sie lieben es auch, zu bewundern, ihren Respect ans
eine Person zu concentriren, einen Führer zu haben, zu dem sie mehr und mehr
wie zu einem Gebieter aufblicken, zumal, wenn er seinerseits sie das nicht stark
empfinden läßt und sich in die Toga der antiken Selbstlosigkeit hüllt.

Für alles das läßt sich Gambetta als ein Beispiel überzeugender Art nu-
führen. Sein Verfahren und das Verhalten der öffentlichen Meinung bei der
Frage des Listeuserutiuiums, sein Triumphzug nach Cahors, sein Auftreten gegen¬
über der ihm feindlichen Majorität des Senats zeigen es mit Evidenz. Alles
ist ein Auf- und Niederwogen, ein Auf- und Abwiegeln um diese eine Person.
Betrachten wir dieses Schauspiel mit einem Rückblicke von der Zeit an, wo wir
den Gegenstand das letzte Mal ins Auge faßte», bis Ende Juni. Es geht be¬
kanntlich nicht bloß die Fin»zose», sondern anch uns an und zwar sehr.

Die Entscheidung der französischen Deputirtenkcunmer über die Listenwahl,
welche letztre wir vor einigen Wochen charakterisirten, machte im Elhsse einen
Peinlichen Eindruck. „La Paix", das Organ des Präsidenten der Republik,
sprach zwar die Hoffnung aus, daß die Wähler in der Provinz sich von einem


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[0009] [Abbildung] Gambetta und kein Ende. mistige Historiker werden die Geschichte Frankreichs in den letzten beiden Jahren mit Fug als eine Episode in der Biographie Leon Gambettas bezeichne» könne». Ob er Oberwasser but oder nicht, ob er Fortschritte oder Rückschritte auf dem Wege zu dem Ziele, das ihm allem Anschein nach vorschwebt, gemacht, ob er bestimmte Aussicht hat, dieses Ziel bald oder überhaupt zu erreichen, das sind Fragen, vor denen alle andern zurücktreten, und mit denen dort alle andern mehr oder minder i» Verbindung stehen. Es ist nicht bloß die Reclame, die uns das sagt, es verhält sich in Wirklichkeit so. Die Franzosen sind jetzt Republikaner, sie lieben die Gleichheit, aber sie lieben es auch, zu bewundern, ihren Respect ans eine Person zu concentriren, einen Führer zu haben, zu dem sie mehr und mehr wie zu einem Gebieter aufblicken, zumal, wenn er seinerseits sie das nicht stark empfinden läßt und sich in die Toga der antiken Selbstlosigkeit hüllt. Für alles das läßt sich Gambetta als ein Beispiel überzeugender Art nu- führen. Sein Verfahren und das Verhalten der öffentlichen Meinung bei der Frage des Listeuserutiuiums, sein Triumphzug nach Cahors, sein Auftreten gegen¬ über der ihm feindlichen Majorität des Senats zeigen es mit Evidenz. Alles ist ein Auf- und Niederwogen, ein Auf- und Abwiegeln um diese eine Person. Betrachten wir dieses Schauspiel mit einem Rückblicke von der Zeit an, wo wir den Gegenstand das letzte Mal ins Auge faßte», bis Ende Juni. Es geht be¬ kanntlich nicht bloß die Fin»zose», sondern anch uns an und zwar sehr. Die Entscheidung der französischen Deputirtenkcunmer über die Listenwahl, welche letztre wir vor einigen Wochen charakterisirten, machte im Elhsse einen Peinlichen Eindruck. „La Paix", das Organ des Präsidenten der Republik, sprach zwar die Hoffnung aus, daß die Wähler in der Provinz sich von einem Grenzboton III. 1831. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/9>, abgerufen am 01.09.2024.