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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die ägyptische Frage.

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! le orientalische Frage zeigt wieder einmal ein andres Gesicht. Sie
tritt als ägyptische Frage auf. Am 9. September ist in Kairo
eine Militärrevolte ausgebrochen, welche bedenkliche Folgen für
die Ruhe Europas und namentlich für das gute Einvernehmen
zwischen Frankreich und England haben kann, das -- wenigstens
"ach den beiderseitigen Zeitungen, den Repräsentanten der öffentlichen Meinung,
N> urtheilen -- schon durch die letzten Vorgänge in Tunis und durch das
Scheitern der Erneuerung des zwischen diesen Staaten bestehenden Handelsver¬
trags einigermaßen gelockert erschien. Was die eigentlichen Ursachen des Pro-
Mneiamcntvs, wer die wahren Anstifter gewesen sind, ist noch streitig. Fran¬
zösische Journale erblicken in dem Vorgange die Hand Englands, weil Gladstone
seine Niederlagen auf der Balkanhalbinsel durch einen Erfolg am Nil auszu¬
reichen wünschen soll; englische Blätter deuten auf französische Aufreizung hin,
^e den britischen Einfluß in Nordafrika zu schmälern strebe. Andre Stimmen
denken an eine Intrigue der Pforte. Wieder andre sehen in den Coulissen den
^gesetzten und verbannten Khedive Ismail als Einflüsterer stehen. Noch andre
erblicken in der Meuterei ein Symptom der allgemeinen Erregtheit der mudan-
^beimischen Welt gegen fränkische Einflüsse und Erfolge in der Levante, die
? Ägypten allerdings besonders fühlbar und augenfällig sind. Wie wir uns
^' treibenden Kräfte bei der Krisis vorstellen, wird sich im folgenden zeigen.
H"ren wir zunächst die Thatsachen.

Schon seit einiger Zeit hatten sich im ägyptischen Heere Zeichen von Miß-
stinm
Fingwng bemerken lassen. Bei der Reorgcmisirung der Verwaltung und der
"zen Aeghptens, welche England und Frankreich nach dem Berliner Cor-
^esse vorgenommen, und welche trotz vieler Ränke der Gegner im ganzen wohl-


enzbotmIII. 1381. 67


Die ägyptische Frage.

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! le orientalische Frage zeigt wieder einmal ein andres Gesicht. Sie
tritt als ägyptische Frage auf. Am 9. September ist in Kairo
eine Militärrevolte ausgebrochen, welche bedenkliche Folgen für
die Ruhe Europas und namentlich für das gute Einvernehmen
zwischen Frankreich und England haben kann, das — wenigstens
»ach den beiderseitigen Zeitungen, den Repräsentanten der öffentlichen Meinung,
N> urtheilen — schon durch die letzten Vorgänge in Tunis und durch das
Scheitern der Erneuerung des zwischen diesen Staaten bestehenden Handelsver¬
trags einigermaßen gelockert erschien. Was die eigentlichen Ursachen des Pro-
Mneiamcntvs, wer die wahren Anstifter gewesen sind, ist noch streitig. Fran¬
zösische Journale erblicken in dem Vorgange die Hand Englands, weil Gladstone
seine Niederlagen auf der Balkanhalbinsel durch einen Erfolg am Nil auszu¬
reichen wünschen soll; englische Blätter deuten auf französische Aufreizung hin,
^e den britischen Einfluß in Nordafrika zu schmälern strebe. Andre Stimmen
denken an eine Intrigue der Pforte. Wieder andre sehen in den Coulissen den
^gesetzten und verbannten Khedive Ismail als Einflüsterer stehen. Noch andre
erblicken in der Meuterei ein Symptom der allgemeinen Erregtheit der mudan-
^beimischen Welt gegen fränkische Einflüsse und Erfolge in der Levante, die
? Ägypten allerdings besonders fühlbar und augenfällig sind. Wie wir uns
^' treibenden Kräfte bei der Krisis vorstellen, wird sich im folgenden zeigen.
H"ren wir zunächst die Thatsachen.

Schon seit einiger Zeit hatten sich im ägyptischen Heere Zeichen von Miß-
stinm
Fingwng bemerken lassen. Bei der Reorgcmisirung der Verwaltung und der
"zen Aeghptens, welche England und Frankreich nach dem Berliner Cor-
^esse vorgenommen, und welche trotz vieler Ränke der Gegner im ganzen wohl-


enzbotmIII. 1381. 67
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[0533] [Abbildung] Die ägyptische Frage. > ! le orientalische Frage zeigt wieder einmal ein andres Gesicht. Sie tritt als ägyptische Frage auf. Am 9. September ist in Kairo eine Militärrevolte ausgebrochen, welche bedenkliche Folgen für die Ruhe Europas und namentlich für das gute Einvernehmen zwischen Frankreich und England haben kann, das — wenigstens »ach den beiderseitigen Zeitungen, den Repräsentanten der öffentlichen Meinung, N> urtheilen — schon durch die letzten Vorgänge in Tunis und durch das Scheitern der Erneuerung des zwischen diesen Staaten bestehenden Handelsver¬ trags einigermaßen gelockert erschien. Was die eigentlichen Ursachen des Pro- Mneiamcntvs, wer die wahren Anstifter gewesen sind, ist noch streitig. Fran¬ zösische Journale erblicken in dem Vorgange die Hand Englands, weil Gladstone seine Niederlagen auf der Balkanhalbinsel durch einen Erfolg am Nil auszu¬ reichen wünschen soll; englische Blätter deuten auf französische Aufreizung hin, ^e den britischen Einfluß in Nordafrika zu schmälern strebe. Andre Stimmen denken an eine Intrigue der Pforte. Wieder andre sehen in den Coulissen den ^gesetzten und verbannten Khedive Ismail als Einflüsterer stehen. Noch andre erblicken in der Meuterei ein Symptom der allgemeinen Erregtheit der mudan- ^beimischen Welt gegen fränkische Einflüsse und Erfolge in der Levante, die ? Ägypten allerdings besonders fühlbar und augenfällig sind. Wie wir uns ^' treibenden Kräfte bei der Krisis vorstellen, wird sich im folgenden zeigen. H"ren wir zunächst die Thatsachen. Schon seit einiger Zeit hatten sich im ägyptischen Heere Zeichen von Miß- stinm Fingwng bemerken lassen. Bei der Reorgcmisirung der Verwaltung und der "zen Aeghptens, welche England und Frankreich nach dem Berliner Cor- ^esse vorgenommen, und welche trotz vieler Ränke der Gegner im ganzen wohl- enzbotmIII. 1381. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/533>, abgerufen am 01.09.2024.