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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Neue Königskronen an der Äonen,

Der junge Fürst war immer ein Repräsentant des serbischen Ehrgeizes und
insofern nicht bloß für die Türkei, sondern auch für Oesterreich-Ungarn ein be¬
denklicher Charakter; denn auch letztres hatte Unterthanen serbischen Stammes,
die von der großserbischen Omladina bearbeitet worden waren. Im Sommer
1876 sollten deren Pläne nach der türkischen Seite hin verwirklicht werden.
Von Nußland her aufgestachelt und unterstützt, begann Milan gleichzeitig mit
nitida von Montenegro ohne Grund Krieg gegen die Pforte, aber derselbe lief
unglücklich ab, die prahlerisch vorausgesagten Siege der Serben blieben aus,
und statt der Eroberung Bosniens, die man in Belgrad beabsichtigt hatte, wäre
bei einem Hnnr Serbien von den Osmanen erobert worden. Bevor sich diese
Niederlage ganz vollzog, wurde schon ein Versuch unternommen, den Fürsten-
Hut des Serbenknjäs in eine Königskrone zu verwandeln. General Tschernajeff,
der abentcnerndc Panflavistenhänptling, dem jener die Führung seines gegen die
Türke" entsandten Heeres anvertraut hatte, übernahm es, im Lager bei Alexinatz
den rebellischen Hospodar vor den Truppen zum "König der Serben" ausrufen
zu lassen. Es war ein kühnes Experiment, und zwar um so mehr, als eS sich
durch die bisherigen Erfolge der serbischen Armee durchaus uicht gerechtfertigt
hatte und ebensowenig dadurch empfohlen wurde, daß der Fürst bei den kleinen
Kämpfen im Theile der Morawa Proben der Tapferkeit abgelegt hätte, die ihm
etwa eigen war. Die furchtsamen und undiseiplinirten Tschillaks der serbischen
Landwehr hatten vielmehr von Achmed EjubS Veteranen bei jedem Zusammen¬
stoße, wie man zu sagen pflegt, Prügel bekommen, und Fürst Milan war vor¬
sichtig dem Kriegsschauplatze fern geblieben. Infolge dieser unglücklichen Um¬
stände machte Tschernajeffs pomphafte Proclamation selbst auf serbische Ohren
wenig Eindruck. Als sie zur Kenntniß der europäischen Mächte gelaugte, wurde
sie von der Mehrzahl derselben im Stillen vermuthlich als komisches Ereignis;
betrachtet, öffentlich aber entschieden gemißbilligt. Die fremden Diplomaten, die
in Belgrad residirten, erhielten von ihren Regierungen die Weisung, den Prinzen
Milan in den deutlichsten Ausdrücken zu benachrichtigen, daß jeder Versuch seiner¬
seits, sich eine Würde beizulegen, die ganz außer Verhältniß zu seiner derzeitigen
Stellung und Lage sei, von der Majorität der Garantie-Mächte mit dem äußersten
Mißfallen betrachtet werde" und die Aussichten der in seiner Person vcrtretnen
Dhnastie ernstlich gefährden würde. Einem in so unglückverheißende Worte ge¬
kleideten Rathe konnte man natürlich nicht widerstehen; die einzig mögliche Antwort
darauf war sofortige und unbedingte Entsagung und Unterwerfung. Tschernajeffs
dreistes Experiment fiel infolge dessen in den Born, und der Prinz hatte nichts
davon gehabt als die mäßige Genugthuung, von seinem.Hofgesinde und etlichen
liebedienerischen russischen Offizieren acht oder vierzehn Tage lang mit "Ew,
Majestät" angeredet worden zu sein.

Bald darauf fiel die große bunte Seifenblase der serbischen Rebellion durch
den Sieg, welchen das Geschick des ottomanischen Feldherrn und die Tapferkeit


Neue Königskronen an der Äonen,

Der junge Fürst war immer ein Repräsentant des serbischen Ehrgeizes und
insofern nicht bloß für die Türkei, sondern auch für Oesterreich-Ungarn ein be¬
denklicher Charakter; denn auch letztres hatte Unterthanen serbischen Stammes,
die von der großserbischen Omladina bearbeitet worden waren. Im Sommer
1876 sollten deren Pläne nach der türkischen Seite hin verwirklicht werden.
Von Nußland her aufgestachelt und unterstützt, begann Milan gleichzeitig mit
nitida von Montenegro ohne Grund Krieg gegen die Pforte, aber derselbe lief
unglücklich ab, die prahlerisch vorausgesagten Siege der Serben blieben aus,
und statt der Eroberung Bosniens, die man in Belgrad beabsichtigt hatte, wäre
bei einem Hnnr Serbien von den Osmanen erobert worden. Bevor sich diese
Niederlage ganz vollzog, wurde schon ein Versuch unternommen, den Fürsten-
Hut des Serbenknjäs in eine Königskrone zu verwandeln. General Tschernajeff,
der abentcnerndc Panflavistenhänptling, dem jener die Führung seines gegen die
Türke» entsandten Heeres anvertraut hatte, übernahm es, im Lager bei Alexinatz
den rebellischen Hospodar vor den Truppen zum „König der Serben" ausrufen
zu lassen. Es war ein kühnes Experiment, und zwar um so mehr, als eS sich
durch die bisherigen Erfolge der serbischen Armee durchaus uicht gerechtfertigt
hatte und ebensowenig dadurch empfohlen wurde, daß der Fürst bei den kleinen
Kämpfen im Theile der Morawa Proben der Tapferkeit abgelegt hätte, die ihm
etwa eigen war. Die furchtsamen und undiseiplinirten Tschillaks der serbischen
Landwehr hatten vielmehr von Achmed EjubS Veteranen bei jedem Zusammen¬
stoße, wie man zu sagen pflegt, Prügel bekommen, und Fürst Milan war vor¬
sichtig dem Kriegsschauplatze fern geblieben. Infolge dieser unglücklichen Um¬
stände machte Tschernajeffs pomphafte Proclamation selbst auf serbische Ohren
wenig Eindruck. Als sie zur Kenntniß der europäischen Mächte gelaugte, wurde
sie von der Mehrzahl derselben im Stillen vermuthlich als komisches Ereignis;
betrachtet, öffentlich aber entschieden gemißbilligt. Die fremden Diplomaten, die
in Belgrad residirten, erhielten von ihren Regierungen die Weisung, den Prinzen
Milan in den deutlichsten Ausdrücken zu benachrichtigen, daß jeder Versuch seiner¬
seits, sich eine Würde beizulegen, die ganz außer Verhältniß zu seiner derzeitigen
Stellung und Lage sei, von der Majorität der Garantie-Mächte mit dem äußersten
Mißfallen betrachtet werde» und die Aussichten der in seiner Person vcrtretnen
Dhnastie ernstlich gefährden würde. Einem in so unglückverheißende Worte ge¬
kleideten Rathe konnte man natürlich nicht widerstehen; die einzig mögliche Antwort
darauf war sofortige und unbedingte Entsagung und Unterwerfung. Tschernajeffs
dreistes Experiment fiel infolge dessen in den Born, und der Prinz hatte nichts
davon gehabt als die mäßige Genugthuung, von seinem.Hofgesinde und etlichen
liebedienerischen russischen Offizieren acht oder vierzehn Tage lang mit „Ew,
Majestät" angeredet worden zu sein.

Bald darauf fiel die große bunte Seifenblase der serbischen Rebellion durch
den Sieg, welchen das Geschick des ottomanischen Feldherrn und die Tapferkeit


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[0052] Neue Königskronen an der Äonen, Der junge Fürst war immer ein Repräsentant des serbischen Ehrgeizes und insofern nicht bloß für die Türkei, sondern auch für Oesterreich-Ungarn ein be¬ denklicher Charakter; denn auch letztres hatte Unterthanen serbischen Stammes, die von der großserbischen Omladina bearbeitet worden waren. Im Sommer 1876 sollten deren Pläne nach der türkischen Seite hin verwirklicht werden. Von Nußland her aufgestachelt und unterstützt, begann Milan gleichzeitig mit nitida von Montenegro ohne Grund Krieg gegen die Pforte, aber derselbe lief unglücklich ab, die prahlerisch vorausgesagten Siege der Serben blieben aus, und statt der Eroberung Bosniens, die man in Belgrad beabsichtigt hatte, wäre bei einem Hnnr Serbien von den Osmanen erobert worden. Bevor sich diese Niederlage ganz vollzog, wurde schon ein Versuch unternommen, den Fürsten- Hut des Serbenknjäs in eine Königskrone zu verwandeln. General Tschernajeff, der abentcnerndc Panflavistenhänptling, dem jener die Führung seines gegen die Türke» entsandten Heeres anvertraut hatte, übernahm es, im Lager bei Alexinatz den rebellischen Hospodar vor den Truppen zum „König der Serben" ausrufen zu lassen. Es war ein kühnes Experiment, und zwar um so mehr, als eS sich durch die bisherigen Erfolge der serbischen Armee durchaus uicht gerechtfertigt hatte und ebensowenig dadurch empfohlen wurde, daß der Fürst bei den kleinen Kämpfen im Theile der Morawa Proben der Tapferkeit abgelegt hätte, die ihm etwa eigen war. Die furchtsamen und undiseiplinirten Tschillaks der serbischen Landwehr hatten vielmehr von Achmed EjubS Veteranen bei jedem Zusammen¬ stoße, wie man zu sagen pflegt, Prügel bekommen, und Fürst Milan war vor¬ sichtig dem Kriegsschauplatze fern geblieben. Infolge dieser unglücklichen Um¬ stände machte Tschernajeffs pomphafte Proclamation selbst auf serbische Ohren wenig Eindruck. Als sie zur Kenntniß der europäischen Mächte gelaugte, wurde sie von der Mehrzahl derselben im Stillen vermuthlich als komisches Ereignis; betrachtet, öffentlich aber entschieden gemißbilligt. Die fremden Diplomaten, die in Belgrad residirten, erhielten von ihren Regierungen die Weisung, den Prinzen Milan in den deutlichsten Ausdrücken zu benachrichtigen, daß jeder Versuch seiner¬ seits, sich eine Würde beizulegen, die ganz außer Verhältniß zu seiner derzeitigen Stellung und Lage sei, von der Majorität der Garantie-Mächte mit dem äußersten Mißfallen betrachtet werde» und die Aussichten der in seiner Person vcrtretnen Dhnastie ernstlich gefährden würde. Einem in so unglückverheißende Worte ge¬ kleideten Rathe konnte man natürlich nicht widerstehen; die einzig mögliche Antwort darauf war sofortige und unbedingte Entsagung und Unterwerfung. Tschernajeffs dreistes Experiment fiel infolge dessen in den Born, und der Prinz hatte nichts davon gehabt als die mäßige Genugthuung, von seinem.Hofgesinde und etlichen liebedienerischen russischen Offizieren acht oder vierzehn Tage lang mit „Ew, Majestät" angeredet worden zu sein. Bald darauf fiel die große bunte Seifenblase der serbischen Rebellion durch den Sieg, welchen das Geschick des ottomanischen Feldherrn und die Tapferkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/52>, abgerufen am 01.09.2024.