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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Dresdener Zustände in den Jahren ^8^5 bis ^33(1.

Im "Liederkreis" machte man wohl etwas mehr Ansprüche, allein auch
hier war man noch sehr bescheiden und unterhielt sich dabei doch aufs treff¬
lichste. Außer den periodisch wiederkehrenden Abenden kam man Wohl auch in
kleineren Cirkeln zusammen, um mit vertheilten Rollen zu lesen, so bei dem
Grafen Kalkreuth, bei der Gräfin Schweinitz und bei anderen mehr. Den Sil¬
vesterabend aber verbrachte man gewöhnlich gemeinschaftlich. Manches Schöne
ward dann geboten, sinnreiche Spenden ausgetauscht und ernste und heitere
Trinksprüche wechselten in dem heitern Kreise. Ebenso ließ man die Geburts¬
tage, wenigstens der hervorragendsten Glieder des Vereins, nicht ohne allgemeine
Feier vorübergehen. Das Geburtstagskind wurde beschenkt, und Abends waren
die Freunde im Hause desselben in fröhlicher Geselligkeit vereinigt. Im Sommer
machte man gemeinsame Ausflüge. Man fuhr in blumengeschmückten Kähnen
die Elbe entlang, und ein geistvoll heiteres Gespräch begleitete die Ruderschläge.
Daun erzählten Kind oder Weber Novellen aus dem Stegreif, von denen die
des letzteren oft reich an attischem Salze waren. Oder der sanfte Ton von
Waldhörnern zitterte über die verglimmende Fläche des Stromes, und Weber
^~ wie sein Sohn berichtet -- intonirte mit seiner schwachen, aber wohltönenden
Stimme die Lieder, in welche die Andern einfielen, oder er sang allein zur
Guitarre, in seiner Zauberweise nach Gefallen Lachen und Thränen hervor¬
lockend. Oder Friedrich Laun erzählte -- mit Apel in Leipzig gab er ja das
Gespensterbuch heraus -- Gespenstergeschichten, die er alle selbst erlebt haben
wollte, und wenn das Grausen der Frauen aufs höchste gestiegen war, schloß
er wie Aermchen im Freischütz mit einem Kettenhund. Auch zu Wagen unternahm
man gemeinschaftliche Ausflüge und besuchte in einer langen Reihe stattlicher
Landauer die Freunde auf ihren Landsitzen. So fuhr man nach Hosterwitz,
wo in dem Bauernhause, das heute mit einem Medaillon geziert ist, Weber
während des Sommers mit Weib und Kind, mit einen: großem Jagdhunde,
mit einem Raben, der "Guten Abend" rief, eiuer schönen Cyperkatze und einem
kleinen Kapuzineraffen Haus hielt und den Aerger vergaß, der ihm vielfach
und besonders durch den Kapellmeister der italienischen Oper Morlacchi be¬
reitet wurde. War er nicht in der Meixmühle, um mit den Bauern Kegel
Zu schieben, oder streifte er nicht in der Umgegend umher, so überraschte man
ihn vielleicht, wie er im Schweiße seines Angesichts sich abmühte, aus Gurt
und Bindfaden ein Geschirr zu fertigen, worin der Hund den kleinen Sohn,
die Katze und deu Affen spazieren fahren sollte. Oder Wilhelmine Schröder,
das schöne, lebhafte, mit allen Gaben ihres Berufs verschwenderisch ausgestattete
Mädchen, die damals am Beginn einer glänzenden Laufbahn stand, haschte sich wie
ein Kind mit den Thieren im Garten umher oder saß zu den Füßen der Gattin
Webers auf dem Nasen und sang mit ihr zur Guitarre. Auch weiter gehende
Auffahrten kamen wohl vor. So begleitete man einmal Freund Quandt auf
seine neue erkaufte Besitzung Dittersbach an der Wesenitz und betheiligte sich


Dresdener Zustände in den Jahren ^8^5 bis ^33(1.

Im „Liederkreis" machte man wohl etwas mehr Ansprüche, allein auch
hier war man noch sehr bescheiden und unterhielt sich dabei doch aufs treff¬
lichste. Außer den periodisch wiederkehrenden Abenden kam man Wohl auch in
kleineren Cirkeln zusammen, um mit vertheilten Rollen zu lesen, so bei dem
Grafen Kalkreuth, bei der Gräfin Schweinitz und bei anderen mehr. Den Sil¬
vesterabend aber verbrachte man gewöhnlich gemeinschaftlich. Manches Schöne
ward dann geboten, sinnreiche Spenden ausgetauscht und ernste und heitere
Trinksprüche wechselten in dem heitern Kreise. Ebenso ließ man die Geburts¬
tage, wenigstens der hervorragendsten Glieder des Vereins, nicht ohne allgemeine
Feier vorübergehen. Das Geburtstagskind wurde beschenkt, und Abends waren
die Freunde im Hause desselben in fröhlicher Geselligkeit vereinigt. Im Sommer
machte man gemeinsame Ausflüge. Man fuhr in blumengeschmückten Kähnen
die Elbe entlang, und ein geistvoll heiteres Gespräch begleitete die Ruderschläge.
Daun erzählten Kind oder Weber Novellen aus dem Stegreif, von denen die
des letzteren oft reich an attischem Salze waren. Oder der sanfte Ton von
Waldhörnern zitterte über die verglimmende Fläche des Stromes, und Weber
^~ wie sein Sohn berichtet — intonirte mit seiner schwachen, aber wohltönenden
Stimme die Lieder, in welche die Andern einfielen, oder er sang allein zur
Guitarre, in seiner Zauberweise nach Gefallen Lachen und Thränen hervor¬
lockend. Oder Friedrich Laun erzählte — mit Apel in Leipzig gab er ja das
Gespensterbuch heraus — Gespenstergeschichten, die er alle selbst erlebt haben
wollte, und wenn das Grausen der Frauen aufs höchste gestiegen war, schloß
er wie Aermchen im Freischütz mit einem Kettenhund. Auch zu Wagen unternahm
man gemeinschaftliche Ausflüge und besuchte in einer langen Reihe stattlicher
Landauer die Freunde auf ihren Landsitzen. So fuhr man nach Hosterwitz,
wo in dem Bauernhause, das heute mit einem Medaillon geziert ist, Weber
während des Sommers mit Weib und Kind, mit einen: großem Jagdhunde,
mit einem Raben, der „Guten Abend" rief, eiuer schönen Cyperkatze und einem
kleinen Kapuzineraffen Haus hielt und den Aerger vergaß, der ihm vielfach
und besonders durch den Kapellmeister der italienischen Oper Morlacchi be¬
reitet wurde. War er nicht in der Meixmühle, um mit den Bauern Kegel
Zu schieben, oder streifte er nicht in der Umgegend umher, so überraschte man
ihn vielleicht, wie er im Schweiße seines Angesichts sich abmühte, aus Gurt
und Bindfaden ein Geschirr zu fertigen, worin der Hund den kleinen Sohn,
die Katze und deu Affen spazieren fahren sollte. Oder Wilhelmine Schröder,
das schöne, lebhafte, mit allen Gaben ihres Berufs verschwenderisch ausgestattete
Mädchen, die damals am Beginn einer glänzenden Laufbahn stand, haschte sich wie
ein Kind mit den Thieren im Garten umher oder saß zu den Füßen der Gattin
Webers auf dem Nasen und sang mit ihr zur Guitarre. Auch weiter gehende
Auffahrten kamen wohl vor. So begleitete man einmal Freund Quandt auf
seine neue erkaufte Besitzung Dittersbach an der Wesenitz und betheiligte sich


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[0463] Dresdener Zustände in den Jahren ^8^5 bis ^33(1. Im „Liederkreis" machte man wohl etwas mehr Ansprüche, allein auch hier war man noch sehr bescheiden und unterhielt sich dabei doch aufs treff¬ lichste. Außer den periodisch wiederkehrenden Abenden kam man Wohl auch in kleineren Cirkeln zusammen, um mit vertheilten Rollen zu lesen, so bei dem Grafen Kalkreuth, bei der Gräfin Schweinitz und bei anderen mehr. Den Sil¬ vesterabend aber verbrachte man gewöhnlich gemeinschaftlich. Manches Schöne ward dann geboten, sinnreiche Spenden ausgetauscht und ernste und heitere Trinksprüche wechselten in dem heitern Kreise. Ebenso ließ man die Geburts¬ tage, wenigstens der hervorragendsten Glieder des Vereins, nicht ohne allgemeine Feier vorübergehen. Das Geburtstagskind wurde beschenkt, und Abends waren die Freunde im Hause desselben in fröhlicher Geselligkeit vereinigt. Im Sommer machte man gemeinsame Ausflüge. Man fuhr in blumengeschmückten Kähnen die Elbe entlang, und ein geistvoll heiteres Gespräch begleitete die Ruderschläge. Daun erzählten Kind oder Weber Novellen aus dem Stegreif, von denen die des letzteren oft reich an attischem Salze waren. Oder der sanfte Ton von Waldhörnern zitterte über die verglimmende Fläche des Stromes, und Weber ^~ wie sein Sohn berichtet — intonirte mit seiner schwachen, aber wohltönenden Stimme die Lieder, in welche die Andern einfielen, oder er sang allein zur Guitarre, in seiner Zauberweise nach Gefallen Lachen und Thränen hervor¬ lockend. Oder Friedrich Laun erzählte — mit Apel in Leipzig gab er ja das Gespensterbuch heraus — Gespenstergeschichten, die er alle selbst erlebt haben wollte, und wenn das Grausen der Frauen aufs höchste gestiegen war, schloß er wie Aermchen im Freischütz mit einem Kettenhund. Auch zu Wagen unternahm man gemeinschaftliche Ausflüge und besuchte in einer langen Reihe stattlicher Landauer die Freunde auf ihren Landsitzen. So fuhr man nach Hosterwitz, wo in dem Bauernhause, das heute mit einem Medaillon geziert ist, Weber während des Sommers mit Weib und Kind, mit einen: großem Jagdhunde, mit einem Raben, der „Guten Abend" rief, eiuer schönen Cyperkatze und einem kleinen Kapuzineraffen Haus hielt und den Aerger vergaß, der ihm vielfach und besonders durch den Kapellmeister der italienischen Oper Morlacchi be¬ reitet wurde. War er nicht in der Meixmühle, um mit den Bauern Kegel Zu schieben, oder streifte er nicht in der Umgegend umher, so überraschte man ihn vielleicht, wie er im Schweiße seines Angesichts sich abmühte, aus Gurt und Bindfaden ein Geschirr zu fertigen, worin der Hund den kleinen Sohn, die Katze und deu Affen spazieren fahren sollte. Oder Wilhelmine Schröder, das schöne, lebhafte, mit allen Gaben ihres Berufs verschwenderisch ausgestattete Mädchen, die damals am Beginn einer glänzenden Laufbahn stand, haschte sich wie ein Kind mit den Thieren im Garten umher oder saß zu den Füßen der Gattin Webers auf dem Nasen und sang mit ihr zur Guitarre. Auch weiter gehende Auffahrten kamen wohl vor. So begleitete man einmal Freund Quandt auf seine neue erkaufte Besitzung Dittersbach an der Wesenitz und betheiligte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/463>, abgerufen am 01.09.2024.