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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie.

werte, welche durchaus imstande waren, durch ihr Product den Bedingungen der
Geschützfabrikation genügen zu können; wir nennen hier, als völlig bewährt, die
Werke in Bochum und Mitten, Dennoch wird ein besondrer Großbetrieb immer
zu Vervollkommnungen und Uebcrlegenheiten führen, besonders wenn er die der
Fabrikation zu Grunde zu legenden constructiveu Principien nach den Hinweisungen
zu verwenden weiß, welche die Lehren der innern Ballistik gewähren. Die Ent¬
wicklung dieser Fragen wird von der Kruppschen Fabrik mit hoher Sorgfalt und
in streng wissenschaftlicher Regelung gepflegt, und sie gewinnt hierdurch, sowie
durch selbständige Behandlung des allgemeinen ballistischen Problems an sich
einen Vorsprung, für dessen Bemessung schwer ein Ausdruck zu finden ist. Aber
die Fabrik hat auch schon durch die große Entfaltung ihres Betriebes ein nicht
mehr gewöhnliches Uebergewicht gewonnen: Sie besitzt ihre eigenen Erz¬
gruben in Deutschland und Spanien und beschäftigt in der Gußstahlfabrik
und in den dazu gehörigen Berg- und Hüttenwerken eine Anzahl von 1600V
Arbeitern.

Ju Rußland ist auf Anregung der Regierung schon in den sechziger Jahren
eine Gußstahlfabrik, wir glauben in Ochta bei Petersburg, für die Anfertigung
von Geschützrohren entstanden, unter der Firma Obvuchvff; diese soll es schon
zu bedeutender Leistungsfähigkeit gebracht haben. In Oesterreich gewinnt diese
Richtung für die Privatindustrie weniger Boden wegen der sehr glücklichen Ent¬
wicklung, welche dort die Stcchlbrvnze (Hartbrvnze) in den Staatswerkstätten
genommen hat, und zwar neuerdings ebenfalls unter Verwendung der künstlichen
Metallconsiruction, indem man die bronzenen Geschützrohre großen Kalibers
durch das Aufziehen von Stahlringcn besonders verstärkt. Frankreich hat schon
seit geraumer Zeit ausgedehnte Beziehungen zur Privatindustrie für die Geschütz-
fnbrikatiou. Das dortige System der schweren Artillerie ist wesentlich bei den
Geschützrohren ans Gußeisen verblieben, welche durch die Hinzufügung ent¬
sprechender Stahlringlagen den erforderlichen Grad der Haltbarkeit erhalten. Die
Staatsgießerei zu Ruelle bezieht diese Gußstahlriuge von den großen Werken
von Pstin Gambel zu Rive de Gier (bei Se. Etienne im Lyonnais an der
obern Loire) und von Schneider in Le Creuzot (in der CSte d'Or, Saone-Ge-
biet), zwei Werken, die übrigens auch Lieferungen für Italien hatten. Die Um¬
wandlung der gestimmten Feldartillerie in Frankreich zu Stahlgcschützen hat
voraussichtlich die Privatindustrie hervorragend in Anspruch genommen, und neue
Nachrichten lassen erkennen, daß man auch fiir die schweren Schiffsgeschütze zu
Gnßstahlrohren überzugehen bestrebt ist. Freilich hat diese Richtung noch nicht
zu dem erwünschten Erfolge geführt, denn von acht in Bestellung gegebenen
34 Centimeter-Stahlkanonen sollen bei den Anschießproben vor kurzem zwei nach
wenigen Schüssen gesprungen sein. Von Nordamerika wollen wir hier ganz ab¬
sehen, weil dort irrthümliche Richtungen und schädigende Mißerfolge einen be¬
denklichen Wechselgang gehalten haben. (Schluß folgt.)


Die moderne Geschütz-Industrie.

werte, welche durchaus imstande waren, durch ihr Product den Bedingungen der
Geschützfabrikation genügen zu können; wir nennen hier, als völlig bewährt, die
Werke in Bochum und Mitten, Dennoch wird ein besondrer Großbetrieb immer
zu Vervollkommnungen und Uebcrlegenheiten führen, besonders wenn er die der
Fabrikation zu Grunde zu legenden constructiveu Principien nach den Hinweisungen
zu verwenden weiß, welche die Lehren der innern Ballistik gewähren. Die Ent¬
wicklung dieser Fragen wird von der Kruppschen Fabrik mit hoher Sorgfalt und
in streng wissenschaftlicher Regelung gepflegt, und sie gewinnt hierdurch, sowie
durch selbständige Behandlung des allgemeinen ballistischen Problems an sich
einen Vorsprung, für dessen Bemessung schwer ein Ausdruck zu finden ist. Aber
die Fabrik hat auch schon durch die große Entfaltung ihres Betriebes ein nicht
mehr gewöhnliches Uebergewicht gewonnen: Sie besitzt ihre eigenen Erz¬
gruben in Deutschland und Spanien und beschäftigt in der Gußstahlfabrik
und in den dazu gehörigen Berg- und Hüttenwerken eine Anzahl von 1600V
Arbeitern.

Ju Rußland ist auf Anregung der Regierung schon in den sechziger Jahren
eine Gußstahlfabrik, wir glauben in Ochta bei Petersburg, für die Anfertigung
von Geschützrohren entstanden, unter der Firma Obvuchvff; diese soll es schon
zu bedeutender Leistungsfähigkeit gebracht haben. In Oesterreich gewinnt diese
Richtung für die Privatindustrie weniger Boden wegen der sehr glücklichen Ent¬
wicklung, welche dort die Stcchlbrvnze (Hartbrvnze) in den Staatswerkstätten
genommen hat, und zwar neuerdings ebenfalls unter Verwendung der künstlichen
Metallconsiruction, indem man die bronzenen Geschützrohre großen Kalibers
durch das Aufziehen von Stahlringcn besonders verstärkt. Frankreich hat schon
seit geraumer Zeit ausgedehnte Beziehungen zur Privatindustrie für die Geschütz-
fnbrikatiou. Das dortige System der schweren Artillerie ist wesentlich bei den
Geschützrohren ans Gußeisen verblieben, welche durch die Hinzufügung ent¬
sprechender Stahlringlagen den erforderlichen Grad der Haltbarkeit erhalten. Die
Staatsgießerei zu Ruelle bezieht diese Gußstahlriuge von den großen Werken
von Pstin Gambel zu Rive de Gier (bei Se. Etienne im Lyonnais an der
obern Loire) und von Schneider in Le Creuzot (in der CSte d'Or, Saone-Ge-
biet), zwei Werken, die übrigens auch Lieferungen für Italien hatten. Die Um¬
wandlung der gestimmten Feldartillerie in Frankreich zu Stahlgcschützen hat
voraussichtlich die Privatindustrie hervorragend in Anspruch genommen, und neue
Nachrichten lassen erkennen, daß man auch fiir die schweren Schiffsgeschütze zu
Gnßstahlrohren überzugehen bestrebt ist. Freilich hat diese Richtung noch nicht
zu dem erwünschten Erfolge geführt, denn von acht in Bestellung gegebenen
34 Centimeter-Stahlkanonen sollen bei den Anschießproben vor kurzem zwei nach
wenigen Schüssen gesprungen sein. Von Nordamerika wollen wir hier ganz ab¬
sehen, weil dort irrthümliche Richtungen und schädigende Mißerfolge einen be¬
denklichen Wechselgang gehalten haben. (Schluß folgt.)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/430>, abgerufen am 01.09.2024.