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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie.

Boden aufnehmen soll, weshalb es wünschenswerth ist, hier das Gefüge des
Eisens in die Längenrichtung zu legen, während es sonst im Rohre vortheilhafter
in die Querrichtung gelegt wird." Wir fügen dem nur noch hinzu, daß die
äußern Schichten warm aufgesetzt werden und sich durch das Einschwinden bei
der Erkaltung auf deu unteren fest anziehen. Dies alles betraf jedoch die kleineren
Kaliber. Mit der wachsenden Größe der Geschütze nahm die Zahl der über¬
einander gezogenen Hohlcylinder zu, auch wurde die Seele der Rohre durch ein
Kernrohr aus Stahl, allerdings von ganz untergeordneter Stärke, gebildet.

Armstrong trat um jene Zeit in eine amtliche Stellung als Artillerie-In¬
genieur und Director der Fabrikation gezogener Rohre in Woolwich und wurde
für seine großen Verdienste um die Vervollkommnung der englischen Artillerie
von der Königin durch die Verleihung des Baronettitels belohnt. Im Jahre
1864 gab er seine Stellung wieder auf und widmete seine Thätigkeit aufs neue
der Geschützfabrik zu Elswick (MsvvioK Oräns-nos (üompM^), in welcher sein Fabri-
katiousverfcchren ausgebildet ist. Die Woolwich-Kanonen der Folgezeit behielte"
im Princip den Armstrongschen Fabrikationsmodus bei; man bemühte sich in
der Hauptsache nur um die Herstellung der einzelnen Hohlcylinder in möglichster
Größe, um nach Möglichkeit die Zahl der Einzelstücke, aus denen der Gesammt-
körper zusammengebaut wird, zu reduciren, und ging darin bei mittleren Kalibern
ans 5 bis 4 Stück herunter. Die Elswick-Fabrik aber fing an, mit dem ganzen mer-
cantilen Geschick der Engländer die Welt mit Armstrong-Geschützen zu versehen.

Von Anbeginn nannte man die Herstellungsweise Armstrongs eine Dcunas-
eeuer-Art. Wenn nachher gesagt wurde, diese Methode sei nicht von Armstrong
erfunden, weil sie beispielshalber bei den damascirten Gewehrläufen schon seit
Jahrhunderten in Gebrauch sei, so möchten wir dein entgegnen, daß eine Aus¬
führungsart in so wesentlich vergrößerten Dimensionen doch wohl die Qualität
einer Erfindung beanspruchen darf. Es ist doch ein ander Ding, Drähte um
einen Dorn zu ziehen und zu schmieden, als lange Eisenbarren zum Theil von
recht bedeutendem Querschnitt in gleichmäßig warmem Zustande aufzuwickeln und
zu schweißen. Die Geschütze werden daher mit Recht dauernd ihren Namen als
den ihres Erfinders führen, denn die Kunst der Herstellung ist eine ganz her¬
vorragende und durchaus bedeutungsvolle. Was mit Schmiedeeisen hier über¬
haupt erreicht werden kann, ist sicherlich in richtiger Weise erreicht. Freilich
blieben einzelne Desideria immer bestehen, z. B. in Betreff der Zuverlässigkeit
des so wichtigen Schweißproeesses und in Betreff der verschiedenen absoluten
Festigkeit des Schmiedeeisens nach dessen Temperatur, indem nämlich die Halt¬
barkeit mit der beim Schießen eintretenden Wärmezunnhme nach deu Sorten
verschieden abnimmt. Die Elswick-Fabrik ist unausgesetzt bemüht, die Concurrenz
mit den Kruppschen Erzeugnissen zu halten, aber sie geht vielleicht über ihr
Vermögen hinaus: von den Am>strong-100-Tonnen-Kanonen, welche für das
mächtige italienische Panzerschiff vuilio geliefert worden sind, ist ein Exemplar


Die moderne Geschütz-Industrie.

Boden aufnehmen soll, weshalb es wünschenswerth ist, hier das Gefüge des
Eisens in die Längenrichtung zu legen, während es sonst im Rohre vortheilhafter
in die Querrichtung gelegt wird." Wir fügen dem nur noch hinzu, daß die
äußern Schichten warm aufgesetzt werden und sich durch das Einschwinden bei
der Erkaltung auf deu unteren fest anziehen. Dies alles betraf jedoch die kleineren
Kaliber. Mit der wachsenden Größe der Geschütze nahm die Zahl der über¬
einander gezogenen Hohlcylinder zu, auch wurde die Seele der Rohre durch ein
Kernrohr aus Stahl, allerdings von ganz untergeordneter Stärke, gebildet.

Armstrong trat um jene Zeit in eine amtliche Stellung als Artillerie-In¬
genieur und Director der Fabrikation gezogener Rohre in Woolwich und wurde
für seine großen Verdienste um die Vervollkommnung der englischen Artillerie
von der Königin durch die Verleihung des Baronettitels belohnt. Im Jahre
1864 gab er seine Stellung wieder auf und widmete seine Thätigkeit aufs neue
der Geschützfabrik zu Elswick (MsvvioK Oräns-nos (üompM^), in welcher sein Fabri-
katiousverfcchren ausgebildet ist. Die Woolwich-Kanonen der Folgezeit behielte»
im Princip den Armstrongschen Fabrikationsmodus bei; man bemühte sich in
der Hauptsache nur um die Herstellung der einzelnen Hohlcylinder in möglichster
Größe, um nach Möglichkeit die Zahl der Einzelstücke, aus denen der Gesammt-
körper zusammengebaut wird, zu reduciren, und ging darin bei mittleren Kalibern
ans 5 bis 4 Stück herunter. Die Elswick-Fabrik aber fing an, mit dem ganzen mer-
cantilen Geschick der Engländer die Welt mit Armstrong-Geschützen zu versehen.

Von Anbeginn nannte man die Herstellungsweise Armstrongs eine Dcunas-
eeuer-Art. Wenn nachher gesagt wurde, diese Methode sei nicht von Armstrong
erfunden, weil sie beispielshalber bei den damascirten Gewehrläufen schon seit
Jahrhunderten in Gebrauch sei, so möchten wir dein entgegnen, daß eine Aus¬
führungsart in so wesentlich vergrößerten Dimensionen doch wohl die Qualität
einer Erfindung beanspruchen darf. Es ist doch ein ander Ding, Drähte um
einen Dorn zu ziehen und zu schmieden, als lange Eisenbarren zum Theil von
recht bedeutendem Querschnitt in gleichmäßig warmem Zustande aufzuwickeln und
zu schweißen. Die Geschütze werden daher mit Recht dauernd ihren Namen als
den ihres Erfinders führen, denn die Kunst der Herstellung ist eine ganz her¬
vorragende und durchaus bedeutungsvolle. Was mit Schmiedeeisen hier über¬
haupt erreicht werden kann, ist sicherlich in richtiger Weise erreicht. Freilich
blieben einzelne Desideria immer bestehen, z. B. in Betreff der Zuverlässigkeit
des so wichtigen Schweißproeesses und in Betreff der verschiedenen absoluten
Festigkeit des Schmiedeeisens nach dessen Temperatur, indem nämlich die Halt¬
barkeit mit der beim Schießen eintretenden Wärmezunnhme nach deu Sorten
verschieden abnimmt. Die Elswick-Fabrik ist unausgesetzt bemüht, die Concurrenz
mit den Kruppschen Erzeugnissen zu halten, aber sie geht vielleicht über ihr
Vermögen hinaus: von den Am>strong-100-Tonnen-Kanonen, welche für das
mächtige italienische Panzerschiff vuilio geliefert worden sind, ist ein Exemplar


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[0426] Die moderne Geschütz-Industrie. Boden aufnehmen soll, weshalb es wünschenswerth ist, hier das Gefüge des Eisens in die Längenrichtung zu legen, während es sonst im Rohre vortheilhafter in die Querrichtung gelegt wird." Wir fügen dem nur noch hinzu, daß die äußern Schichten warm aufgesetzt werden und sich durch das Einschwinden bei der Erkaltung auf deu unteren fest anziehen. Dies alles betraf jedoch die kleineren Kaliber. Mit der wachsenden Größe der Geschütze nahm die Zahl der über¬ einander gezogenen Hohlcylinder zu, auch wurde die Seele der Rohre durch ein Kernrohr aus Stahl, allerdings von ganz untergeordneter Stärke, gebildet. Armstrong trat um jene Zeit in eine amtliche Stellung als Artillerie-In¬ genieur und Director der Fabrikation gezogener Rohre in Woolwich und wurde für seine großen Verdienste um die Vervollkommnung der englischen Artillerie von der Königin durch die Verleihung des Baronettitels belohnt. Im Jahre 1864 gab er seine Stellung wieder auf und widmete seine Thätigkeit aufs neue der Geschützfabrik zu Elswick (MsvvioK Oräns-nos (üompM^), in welcher sein Fabri- katiousverfcchren ausgebildet ist. Die Woolwich-Kanonen der Folgezeit behielte» im Princip den Armstrongschen Fabrikationsmodus bei; man bemühte sich in der Hauptsache nur um die Herstellung der einzelnen Hohlcylinder in möglichster Größe, um nach Möglichkeit die Zahl der Einzelstücke, aus denen der Gesammt- körper zusammengebaut wird, zu reduciren, und ging darin bei mittleren Kalibern ans 5 bis 4 Stück herunter. Die Elswick-Fabrik aber fing an, mit dem ganzen mer- cantilen Geschick der Engländer die Welt mit Armstrong-Geschützen zu versehen. Von Anbeginn nannte man die Herstellungsweise Armstrongs eine Dcunas- eeuer-Art. Wenn nachher gesagt wurde, diese Methode sei nicht von Armstrong erfunden, weil sie beispielshalber bei den damascirten Gewehrläufen schon seit Jahrhunderten in Gebrauch sei, so möchten wir dein entgegnen, daß eine Aus¬ führungsart in so wesentlich vergrößerten Dimensionen doch wohl die Qualität einer Erfindung beanspruchen darf. Es ist doch ein ander Ding, Drähte um einen Dorn zu ziehen und zu schmieden, als lange Eisenbarren zum Theil von recht bedeutendem Querschnitt in gleichmäßig warmem Zustande aufzuwickeln und zu schweißen. Die Geschütze werden daher mit Recht dauernd ihren Namen als den ihres Erfinders führen, denn die Kunst der Herstellung ist eine ganz her¬ vorragende und durchaus bedeutungsvolle. Was mit Schmiedeeisen hier über¬ haupt erreicht werden kann, ist sicherlich in richtiger Weise erreicht. Freilich blieben einzelne Desideria immer bestehen, z. B. in Betreff der Zuverlässigkeit des so wichtigen Schweißproeesses und in Betreff der verschiedenen absoluten Festigkeit des Schmiedeeisens nach dessen Temperatur, indem nämlich die Halt¬ barkeit mit der beim Schießen eintretenden Wärmezunnhme nach deu Sorten verschieden abnimmt. Die Elswick-Fabrik ist unausgesetzt bemüht, die Concurrenz mit den Kruppschen Erzeugnissen zu halten, aber sie geht vielleicht über ihr Vermögen hinaus: von den Am>strong-100-Tonnen-Kanonen, welche für das mächtige italienische Panzerschiff vuilio geliefert worden sind, ist ein Exemplar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/426>, abgerufen am 01.09.2024.