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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

das Motiv zu seinem ersten Bilde mit: "norwegischer Fjord bei Mittagsbe¬
leuchtung," welches 1845 vollendet wurde. Andreas Ueberhand hatte, wie wir
gesehen haben, Norwegen für die Landschaftsmalerei entdeckt. Ihm war aber
dieses Land nur ein malerisches Object so gut wie jedes andre. Gude und die
übrigen skandinavischen Maler, deren Zahl in Düsseldorf von Jahr zu Jahr
zunahm, erfüllten dagegen ihre Gemälde mit jenem Hauche glühender Vater¬
landsliebe, die den Norweger wie den Schweizer charakterisirt, mit jener sehn-
suchtsvollen Melancholie, welche nachmals auch in der Literatur aufgetreten ist
und den Erzählungen eines Björustjerne Björnson und einer Magdalene Thorcsen
und den Dramen eines Ibsen ihr eigenthümliches Gepräge aufgedrückt hat. Das
specifisch nationale Element spricht sich jedoch nur in der Wahl der Motive
und in der Stimmung aus, und die letztere reicht nicht aus, darauf eine national-
norwegische Kunst von individueller Physiognomie begründen zu wollen. Eine
moderne norwegische Kunst ist ebensogut eine patriotische Fiction von mehr oder
minder chauvinistischen Beigeschmack wie das Märchen von der russischen und
böhmischen. In Auffassung, Technik und malerischer Behandlung zeigen die
Bilder der norwegischen Maler ein durchaus deutsches Gesicht mit treuherzigen
blauen Augen, d. h. eine Malweise, die nicht flnnkert und blendet, sondern mit
gründlicher Solidität den Erscheinungen beizukommen und sie festzuhalten sucht.
Ihre schwedischen Stammesgenossen haben dagegen neuerdings ihren Schwer-
punkt nach Paris verlegt.

Gudes Erstlingsarbeit fand solchen Beifall, daß die giltige Legitimation
für seinen Beruf damit erbracht war. 1845 und 1846 machte er neue Studien¬
reisen nach der Heimat, deren Ausbeute vornehmlich in Gemälden bestand, auf
welchen er die großartige Gebirgsnatur Norwegens in ihrer hehren Einsamkeit
und ehrfurchtgcbietenden Majestät schilderte. "Eine Art Ossiauscher Poesie," sagt
Wiegmann in seiner Geschichte der Düsseldorfer Akademie, "weht über seine Hoch¬
ebenen dahin, und die oft nur durch Renthiere belebte großartige Einöde spricht
unsern Geist wundersam poetisch an." Durch Lessing war das poetische Element
so innig mit der Düsseldorfer Landschaftsmalerei verschmolzen worden, daß sich
Fremde wie Einheimische gleich willig seinem Banne fügten, und so ist die Ro¬
mantik in ihrer heroischen Erscheinungsform, d. h. die Alpen- und Seeroinantik
bis auf den heutigen Tag der Grundzug der Landschaftsmalerei in Düsseldorf
geblieben, deu der Realismus, so hart er auch an die Thore der Stadt pochte,
nicht zu verwischen imstande war.

Die Unruhen des Jahres 1848 veranlaßten Gude zu einem längern Aufent¬
halt in seiner Heimat, wo er sich in Christiania niederließ und eine Anzahl
von Landschaften, namentlich Seebilder malte, welche sein Freund Tidcmand
mit genrebildlicher Staffage versah. Diese Gemälde ("Eine Brautfahrt uns dem
Hardangerfjvrd" im Kunstverein zu Christiania und "Fischer auf einem norwegische"
Binnensee" in der Berliner Nationalgalerie) sind von einer bei gemeinschaftlichen


Die Düsseldorfer Schule.

das Motiv zu seinem ersten Bilde mit: „norwegischer Fjord bei Mittagsbe¬
leuchtung," welches 1845 vollendet wurde. Andreas Ueberhand hatte, wie wir
gesehen haben, Norwegen für die Landschaftsmalerei entdeckt. Ihm war aber
dieses Land nur ein malerisches Object so gut wie jedes andre. Gude und die
übrigen skandinavischen Maler, deren Zahl in Düsseldorf von Jahr zu Jahr
zunahm, erfüllten dagegen ihre Gemälde mit jenem Hauche glühender Vater¬
landsliebe, die den Norweger wie den Schweizer charakterisirt, mit jener sehn-
suchtsvollen Melancholie, welche nachmals auch in der Literatur aufgetreten ist
und den Erzählungen eines Björustjerne Björnson und einer Magdalene Thorcsen
und den Dramen eines Ibsen ihr eigenthümliches Gepräge aufgedrückt hat. Das
specifisch nationale Element spricht sich jedoch nur in der Wahl der Motive
und in der Stimmung aus, und die letztere reicht nicht aus, darauf eine national-
norwegische Kunst von individueller Physiognomie begründen zu wollen. Eine
moderne norwegische Kunst ist ebensogut eine patriotische Fiction von mehr oder
minder chauvinistischen Beigeschmack wie das Märchen von der russischen und
böhmischen. In Auffassung, Technik und malerischer Behandlung zeigen die
Bilder der norwegischen Maler ein durchaus deutsches Gesicht mit treuherzigen
blauen Augen, d. h. eine Malweise, die nicht flnnkert und blendet, sondern mit
gründlicher Solidität den Erscheinungen beizukommen und sie festzuhalten sucht.
Ihre schwedischen Stammesgenossen haben dagegen neuerdings ihren Schwer-
punkt nach Paris verlegt.

Gudes Erstlingsarbeit fand solchen Beifall, daß die giltige Legitimation
für seinen Beruf damit erbracht war. 1845 und 1846 machte er neue Studien¬
reisen nach der Heimat, deren Ausbeute vornehmlich in Gemälden bestand, auf
welchen er die großartige Gebirgsnatur Norwegens in ihrer hehren Einsamkeit
und ehrfurchtgcbietenden Majestät schilderte. „Eine Art Ossiauscher Poesie," sagt
Wiegmann in seiner Geschichte der Düsseldorfer Akademie, „weht über seine Hoch¬
ebenen dahin, und die oft nur durch Renthiere belebte großartige Einöde spricht
unsern Geist wundersam poetisch an." Durch Lessing war das poetische Element
so innig mit der Düsseldorfer Landschaftsmalerei verschmolzen worden, daß sich
Fremde wie Einheimische gleich willig seinem Banne fügten, und so ist die Ro¬
mantik in ihrer heroischen Erscheinungsform, d. h. die Alpen- und Seeroinantik
bis auf den heutigen Tag der Grundzug der Landschaftsmalerei in Düsseldorf
geblieben, deu der Realismus, so hart er auch an die Thore der Stadt pochte,
nicht zu verwischen imstande war.

Die Unruhen des Jahres 1848 veranlaßten Gude zu einem längern Aufent¬
halt in seiner Heimat, wo er sich in Christiania niederließ und eine Anzahl
von Landschaften, namentlich Seebilder malte, welche sein Freund Tidcmand
mit genrebildlicher Staffage versah. Diese Gemälde („Eine Brautfahrt uns dem
Hardangerfjvrd" im Kunstverein zu Christiania und „Fischer auf einem norwegische»
Binnensee" in der Berliner Nationalgalerie) sind von einer bei gemeinschaftlichen


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[0391] Die Düsseldorfer Schule. das Motiv zu seinem ersten Bilde mit: „norwegischer Fjord bei Mittagsbe¬ leuchtung," welches 1845 vollendet wurde. Andreas Ueberhand hatte, wie wir gesehen haben, Norwegen für die Landschaftsmalerei entdeckt. Ihm war aber dieses Land nur ein malerisches Object so gut wie jedes andre. Gude und die übrigen skandinavischen Maler, deren Zahl in Düsseldorf von Jahr zu Jahr zunahm, erfüllten dagegen ihre Gemälde mit jenem Hauche glühender Vater¬ landsliebe, die den Norweger wie den Schweizer charakterisirt, mit jener sehn- suchtsvollen Melancholie, welche nachmals auch in der Literatur aufgetreten ist und den Erzählungen eines Björustjerne Björnson und einer Magdalene Thorcsen und den Dramen eines Ibsen ihr eigenthümliches Gepräge aufgedrückt hat. Das specifisch nationale Element spricht sich jedoch nur in der Wahl der Motive und in der Stimmung aus, und die letztere reicht nicht aus, darauf eine national- norwegische Kunst von individueller Physiognomie begründen zu wollen. Eine moderne norwegische Kunst ist ebensogut eine patriotische Fiction von mehr oder minder chauvinistischen Beigeschmack wie das Märchen von der russischen und böhmischen. In Auffassung, Technik und malerischer Behandlung zeigen die Bilder der norwegischen Maler ein durchaus deutsches Gesicht mit treuherzigen blauen Augen, d. h. eine Malweise, die nicht flnnkert und blendet, sondern mit gründlicher Solidität den Erscheinungen beizukommen und sie festzuhalten sucht. Ihre schwedischen Stammesgenossen haben dagegen neuerdings ihren Schwer- punkt nach Paris verlegt. Gudes Erstlingsarbeit fand solchen Beifall, daß die giltige Legitimation für seinen Beruf damit erbracht war. 1845 und 1846 machte er neue Studien¬ reisen nach der Heimat, deren Ausbeute vornehmlich in Gemälden bestand, auf welchen er die großartige Gebirgsnatur Norwegens in ihrer hehren Einsamkeit und ehrfurchtgcbietenden Majestät schilderte. „Eine Art Ossiauscher Poesie," sagt Wiegmann in seiner Geschichte der Düsseldorfer Akademie, „weht über seine Hoch¬ ebenen dahin, und die oft nur durch Renthiere belebte großartige Einöde spricht unsern Geist wundersam poetisch an." Durch Lessing war das poetische Element so innig mit der Düsseldorfer Landschaftsmalerei verschmolzen worden, daß sich Fremde wie Einheimische gleich willig seinem Banne fügten, und so ist die Ro¬ mantik in ihrer heroischen Erscheinungsform, d. h. die Alpen- und Seeroinantik bis auf den heutigen Tag der Grundzug der Landschaftsmalerei in Düsseldorf geblieben, deu der Realismus, so hart er auch an die Thore der Stadt pochte, nicht zu verwischen imstande war. Die Unruhen des Jahres 1848 veranlaßten Gude zu einem längern Aufent¬ halt in seiner Heimat, wo er sich in Christiania niederließ und eine Anzahl von Landschaften, namentlich Seebilder malte, welche sein Freund Tidcmand mit genrebildlicher Staffage versah. Diese Gemälde („Eine Brautfahrt uns dem Hardangerfjvrd" im Kunstverein zu Christiania und „Fischer auf einem norwegische» Binnensee" in der Berliner Nationalgalerie) sind von einer bei gemeinschaftlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/391>, abgerufen am 01.09.2024.