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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Operationen gegen Oesterreich zu treffen____ Endlich, im Februar 1866, er¬
klärte der Kaiser an Drvuyn de l'Huys die Bedingungen, welche er für die
Möglichkeiten der künftigen Entscheidung festgehalten wissen wollte. Dieselben
waren die folgenden: Für den Fall, daß der Krieg zwischen Oesterreich und
Preußen einen für letzteres siegreichen Ausgang nehmen sollte, genehmigt Frank¬
reich die Annexion der Herzvgthiimer Schleswig und Holstein an Preußen unter
der Bedingung der Zurückgabe der nördlichen Districte von Schleswig an Däne¬
mark. Frankreich gestattet die territoriale Vereinigung der beiden Hälften der
preußischen Monarchie durch die Erwerbung einzelner Theile von Hannover und
Kurhessen. Hannover soll für diese Gebietsabtretung entschädigt werden und
dafür ein Territorialäquivalent in Lauenburg und Holstein erhalten ^. Frank¬
reich genehmigt den preußischen Oberbefehl über das neunte und zehnte Armee¬
korps sdie Bundescvntingente von Sachsen, Kurhessen, Nassau und Luxemburg
und die von Hannover, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg und den drei Hanse¬
städten!, um im Norden von Deutschland den preußischen Einfluß einheitlich
herzustellen. Preußen dagegen wird sich einem ähnlichen Arrangement, welches
zwischen Oesterreich und den süddeutschen Staaten getroffen werden konnte, uicht
widersetzen. In dem Falle, daß der Krieg einen für Preußen ungünstigen Aus-
gang nehmen sollte, verpflichtet sich der Kaiser, jede Schwächung Preußens zu
verbieten und den staws <zuo vor dem Kriege aufrecht zu erhalten."

Bon Kompensationen für Frankreich war in diesen Bedingungen -- die
übrigens in Berlin uicht mitgetheilt wurden und über die nicht verhandelt wurde,
die vielmehr nur als Instruction des Kaisers für seinen Minister formulirt worden
Waren -- nicht die Rede; diese gedachte Napoleon erst zu fordern, wenn die beiden
deutscheu Großmächte durch den Krieg geschwächt sein würden.

"Nach der Schlacht bei Königgrätz," berichtet Mcding weiter, "trat Napoleon
nicht in der Weise, wie man es in Wien erwartet, für Oesterreich ein. Der
Herzog von Grmnont mochte hier in gutem Glauben ^er war eben ein wenig
scharfsinniger und ziemlich ungeschickter Diplomat, und Napoleon ging, wie wir
sahen, seine eignen Wege neben seinen Botschaftern und Ministern! Erwartungen
erweckt haben, die sich nun nicht erfüllten. Er wünschte persönlich eine energische
Intervention Frankreichs und that alles, um seine Regierung zu einer solchen
z" bestimmen, glaubte auch, daß sie stattfinden werde, da Dronhn de l'Huys ganz
derselben Ansicht war. Als die Friedensbedingungen, welche Preußen aufstellen
würde, in ihren großen Umrissen in Paris bekannt wurden, beantragte Drvuyu
de l'Huys energischen Einspruch unter Aufstellung eines Bcobachtungs- und Demon¬
strationscorps am Rhein. Im ersten Augenblicke zeigte sich der Kaiser auch dazu
geneigt, dann aber begann er zu zögern. Er hatte mehrere seiner Marschülle
befragt, und die französische Armee schien nach deren Urtheil acht in der Ver-
f"ssnng, um mit Zuversicht ans Erfolg eine Jnterventionspol.t.k zu unterstützen,
welche zu einem gewaltige" Nationalka.npfe führen konnte. Denn bereits wurden


Grenzboten III. 1881.

Operationen gegen Oesterreich zu treffen____ Endlich, im Februar 1866, er¬
klärte der Kaiser an Drvuyn de l'Huys die Bedingungen, welche er für die
Möglichkeiten der künftigen Entscheidung festgehalten wissen wollte. Dieselben
waren die folgenden: Für den Fall, daß der Krieg zwischen Oesterreich und
Preußen einen für letzteres siegreichen Ausgang nehmen sollte, genehmigt Frank¬
reich die Annexion der Herzvgthiimer Schleswig und Holstein an Preußen unter
der Bedingung der Zurückgabe der nördlichen Districte von Schleswig an Däne¬
mark. Frankreich gestattet die territoriale Vereinigung der beiden Hälften der
preußischen Monarchie durch die Erwerbung einzelner Theile von Hannover und
Kurhessen. Hannover soll für diese Gebietsabtretung entschädigt werden und
dafür ein Territorialäquivalent in Lauenburg und Holstein erhalten ^. Frank¬
reich genehmigt den preußischen Oberbefehl über das neunte und zehnte Armee¬
korps sdie Bundescvntingente von Sachsen, Kurhessen, Nassau und Luxemburg
und die von Hannover, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg und den drei Hanse¬
städten!, um im Norden von Deutschland den preußischen Einfluß einheitlich
herzustellen. Preußen dagegen wird sich einem ähnlichen Arrangement, welches
zwischen Oesterreich und den süddeutschen Staaten getroffen werden konnte, uicht
widersetzen. In dem Falle, daß der Krieg einen für Preußen ungünstigen Aus-
gang nehmen sollte, verpflichtet sich der Kaiser, jede Schwächung Preußens zu
verbieten und den staws <zuo vor dem Kriege aufrecht zu erhalten."

Bon Kompensationen für Frankreich war in diesen Bedingungen — die
übrigens in Berlin uicht mitgetheilt wurden und über die nicht verhandelt wurde,
die vielmehr nur als Instruction des Kaisers für seinen Minister formulirt worden
Waren — nicht die Rede; diese gedachte Napoleon erst zu fordern, wenn die beiden
deutscheu Großmächte durch den Krieg geschwächt sein würden.

„Nach der Schlacht bei Königgrätz," berichtet Mcding weiter, „trat Napoleon
nicht in der Weise, wie man es in Wien erwartet, für Oesterreich ein. Der
Herzog von Grmnont mochte hier in gutem Glauben ^er war eben ein wenig
scharfsinniger und ziemlich ungeschickter Diplomat, und Napoleon ging, wie wir
sahen, seine eignen Wege neben seinen Botschaftern und Ministern! Erwartungen
erweckt haben, die sich nun nicht erfüllten. Er wünschte persönlich eine energische
Intervention Frankreichs und that alles, um seine Regierung zu einer solchen
z» bestimmen, glaubte auch, daß sie stattfinden werde, da Dronhn de l'Huys ganz
derselben Ansicht war. Als die Friedensbedingungen, welche Preußen aufstellen
würde, in ihren großen Umrissen in Paris bekannt wurden, beantragte Drvuyu
de l'Huys energischen Einspruch unter Aufstellung eines Bcobachtungs- und Demon¬
strationscorps am Rhein. Im ersten Augenblicke zeigte sich der Kaiser auch dazu
geneigt, dann aber begann er zu zögern. Er hatte mehrere seiner Marschülle
befragt, und die französische Armee schien nach deren Urtheil acht in der Ver-
f"ssnng, um mit Zuversicht ans Erfolg eine Jnterventionspol.t.k zu unterstützen,
welche zu einem gewaltige» Nationalka.npfe führen konnte. Denn bereits wurden


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[0233] Operationen gegen Oesterreich zu treffen____ Endlich, im Februar 1866, er¬ klärte der Kaiser an Drvuyn de l'Huys die Bedingungen, welche er für die Möglichkeiten der künftigen Entscheidung festgehalten wissen wollte. Dieselben waren die folgenden: Für den Fall, daß der Krieg zwischen Oesterreich und Preußen einen für letzteres siegreichen Ausgang nehmen sollte, genehmigt Frank¬ reich die Annexion der Herzvgthiimer Schleswig und Holstein an Preußen unter der Bedingung der Zurückgabe der nördlichen Districte von Schleswig an Däne¬ mark. Frankreich gestattet die territoriale Vereinigung der beiden Hälften der preußischen Monarchie durch die Erwerbung einzelner Theile von Hannover und Kurhessen. Hannover soll für diese Gebietsabtretung entschädigt werden und dafür ein Territorialäquivalent in Lauenburg und Holstein erhalten ^. Frank¬ reich genehmigt den preußischen Oberbefehl über das neunte und zehnte Armee¬ korps sdie Bundescvntingente von Sachsen, Kurhessen, Nassau und Luxemburg und die von Hannover, Holstein, Mecklenburg, Oldenburg und den drei Hanse¬ städten!, um im Norden von Deutschland den preußischen Einfluß einheitlich herzustellen. Preußen dagegen wird sich einem ähnlichen Arrangement, welches zwischen Oesterreich und den süddeutschen Staaten getroffen werden konnte, uicht widersetzen. In dem Falle, daß der Krieg einen für Preußen ungünstigen Aus- gang nehmen sollte, verpflichtet sich der Kaiser, jede Schwächung Preußens zu verbieten und den staws <zuo vor dem Kriege aufrecht zu erhalten." Bon Kompensationen für Frankreich war in diesen Bedingungen — die übrigens in Berlin uicht mitgetheilt wurden und über die nicht verhandelt wurde, die vielmehr nur als Instruction des Kaisers für seinen Minister formulirt worden Waren — nicht die Rede; diese gedachte Napoleon erst zu fordern, wenn die beiden deutscheu Großmächte durch den Krieg geschwächt sein würden. „Nach der Schlacht bei Königgrätz," berichtet Mcding weiter, „trat Napoleon nicht in der Weise, wie man es in Wien erwartet, für Oesterreich ein. Der Herzog von Grmnont mochte hier in gutem Glauben ^er war eben ein wenig scharfsinniger und ziemlich ungeschickter Diplomat, und Napoleon ging, wie wir sahen, seine eignen Wege neben seinen Botschaftern und Ministern! Erwartungen erweckt haben, die sich nun nicht erfüllten. Er wünschte persönlich eine energische Intervention Frankreichs und that alles, um seine Regierung zu einer solchen z» bestimmen, glaubte auch, daß sie stattfinden werde, da Dronhn de l'Huys ganz derselben Ansicht war. Als die Friedensbedingungen, welche Preußen aufstellen würde, in ihren großen Umrissen in Paris bekannt wurden, beantragte Drvuyu de l'Huys energischen Einspruch unter Aufstellung eines Bcobachtungs- und Demon¬ strationscorps am Rhein. Im ersten Augenblicke zeigte sich der Kaiser auch dazu geneigt, dann aber begann er zu zögern. Er hatte mehrere seiner Marschülle befragt, und die französische Armee schien nach deren Urtheil acht in der Ver- f"ssnng, um mit Zuversicht ans Erfolg eine Jnterventionspol.t.k zu unterstützen, welche zu einem gewaltige» Nationalka.npfe führen konnte. Denn bereits wurden Grenzboten III. 1881.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/233>, abgerufen am 01.09.2024.