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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hannovers Lndo und Herr Meding.

das von ihm selbst im Stillen vorbereitete aller Welt sichtbar werden zu lassen.
Diesmal wendete sich die officielle Politik Oesterreich zu, welches sich ebenso wie
Preußen für den bevorstehenden Kampf die Neutralität Frankreichs zu sichern
strebte. Der Kaiser, welcher die italienischen Verschwörer fürchtete, die ihn an sein
Wort: "Frei bis zur Adria" erinnerten, und der außerdem die italienische Aetions-
Partci von Rom abwenden wollte, indem er sie anderswo befriedigte, bezeichnete
bei den Verhandlungen mit Oesterreich Venetien als den Preis seiner Neutra¬
lität. In Wien gab es damals auch in der n"mittelbaren Umgebung des Kaisers
Stimmen, welche dazu riethen, die italienischen Provinzen als eine Quelle steter
Beunruhigung der deutschen Stellung des Kaiserstaates zu opfern, aber der
österreichische Stolz zögerte mit dieser Concession, bis es zu spät war. Erst
am 12. Juni 1866 wurde in Wien zwischen dem Herzog von Gramont und
dem Grafen Mensdorff eine geheime Convention abgeschlossen, in welcher sich
Frankreich für den Fall eines Krieges zwischen Oesterreich und Preußen ver¬
pflichtete, vollständig neutral zu bleiben und Italien zu gleichem Verhalten zu
veranlassen. Oesterreich dagegen machte sich anheischig, für den Fall, daß es
über Preußen siege, bei Abschluß des Friedens Venetien an Frankreich abzu¬
treten, und andrerseits für den Fall, daß Italien nicht neutral bleibe und Oesterreich
gegenüber unterliege, nichts am stAws cM in der Lombardei zu ändern. Endlich
stipulirte der Vertrag noch, daß, falls der Ausgang des Krieges die Stellung
der deutscheu Mächte unter einander verändern sollte, Oesterreich zu jeder terri¬
torialen Veränderung, welche das europäische Gleichgewicht afficiren könne, die
Zustimmung Frankreichs nachzusuchen habe. Dieser Vertrag giebt den Schlüssel
zu den sonst fast unerklärlichen Vorgängen nach der Schlacht bei Königgrätz.
Das Opfer Venetiens war schon ins Auge gefaßt, allerdings mir für den Fall
eines Sieges der Oesterreicher in Deutschland, aber es war natürlich, wenn es
nach der 'so unerwarteten schweren Niederlage zur Rettung angeboten wurde.
Die Vestimmnug aber, daß Oesterreich keine dnrch den Ausgang des Krieges
bedingte territoriale Veränderung in Deutschland ohne die Einwilligung Frank¬
reichs annehmen durfte, erlaubte, wenigstens dem Wiener Cabinet gegenüber, die
Einmischung Napoleons in die Friedensverhandlungen. Endlich kam der Kaiser
Napoleon durch den Vertrag in die Lage, sich die Italiener durch ein Geschenk
günstig zu stimmen. Einige andre Bedingungen des Übereinkommens, die Medmg
später, im zweiten Bande, mittheilt, können wir übergehen.

Dies also war das erst unmittelbar vor Ausbruch des Krieges erreichte
Ergebniß der langem Verhandlungen zwischen dem österreichischen und dem frän¬
kischen Minister- des Auswärtigen. Die Vortheile waren dabei alle auf Seiten
Frankreichs, und Oesterreich erscheint dadurch umsomehr düpirt, wenn man >n
Betracht zieht, was inzwischen nach preußischer Seite hin vorgegangen war V.s-
marck mußte sich vor dem Eintritt in einen gewaltigen Kampf, der über d.e
ganze Zukunft Preußens entscheiden sollte, möglichste Sicherheit des Erfolges


Hannovers Lndo und Herr Meding.

das von ihm selbst im Stillen vorbereitete aller Welt sichtbar werden zu lassen.
Diesmal wendete sich die officielle Politik Oesterreich zu, welches sich ebenso wie
Preußen für den bevorstehenden Kampf die Neutralität Frankreichs zu sichern
strebte. Der Kaiser, welcher die italienischen Verschwörer fürchtete, die ihn an sein
Wort: „Frei bis zur Adria" erinnerten, und der außerdem die italienische Aetions-
Partci von Rom abwenden wollte, indem er sie anderswo befriedigte, bezeichnete
bei den Verhandlungen mit Oesterreich Venetien als den Preis seiner Neutra¬
lität. In Wien gab es damals auch in der n»mittelbaren Umgebung des Kaisers
Stimmen, welche dazu riethen, die italienischen Provinzen als eine Quelle steter
Beunruhigung der deutschen Stellung des Kaiserstaates zu opfern, aber der
österreichische Stolz zögerte mit dieser Concession, bis es zu spät war. Erst
am 12. Juni 1866 wurde in Wien zwischen dem Herzog von Gramont und
dem Grafen Mensdorff eine geheime Convention abgeschlossen, in welcher sich
Frankreich für den Fall eines Krieges zwischen Oesterreich und Preußen ver¬
pflichtete, vollständig neutral zu bleiben und Italien zu gleichem Verhalten zu
veranlassen. Oesterreich dagegen machte sich anheischig, für den Fall, daß es
über Preußen siege, bei Abschluß des Friedens Venetien an Frankreich abzu¬
treten, und andrerseits für den Fall, daß Italien nicht neutral bleibe und Oesterreich
gegenüber unterliege, nichts am stAws cM in der Lombardei zu ändern. Endlich
stipulirte der Vertrag noch, daß, falls der Ausgang des Krieges die Stellung
der deutscheu Mächte unter einander verändern sollte, Oesterreich zu jeder terri¬
torialen Veränderung, welche das europäische Gleichgewicht afficiren könne, die
Zustimmung Frankreichs nachzusuchen habe. Dieser Vertrag giebt den Schlüssel
zu den sonst fast unerklärlichen Vorgängen nach der Schlacht bei Königgrätz.
Das Opfer Venetiens war schon ins Auge gefaßt, allerdings mir für den Fall
eines Sieges der Oesterreicher in Deutschland, aber es war natürlich, wenn es
nach der 'so unerwarteten schweren Niederlage zur Rettung angeboten wurde.
Die Vestimmnug aber, daß Oesterreich keine dnrch den Ausgang des Krieges
bedingte territoriale Veränderung in Deutschland ohne die Einwilligung Frank¬
reichs annehmen durfte, erlaubte, wenigstens dem Wiener Cabinet gegenüber, die
Einmischung Napoleons in die Friedensverhandlungen. Endlich kam der Kaiser
Napoleon durch den Vertrag in die Lage, sich die Italiener durch ein Geschenk
günstig zu stimmen. Einige andre Bedingungen des Übereinkommens, die Medmg
später, im zweiten Bande, mittheilt, können wir übergehen.

Dies also war das erst unmittelbar vor Ausbruch des Krieges erreichte
Ergebniß der langem Verhandlungen zwischen dem österreichischen und dem frän¬
kischen Minister- des Auswärtigen. Die Vortheile waren dabei alle auf Seiten
Frankreichs, und Oesterreich erscheint dadurch umsomehr düpirt, wenn man >n
Betracht zieht, was inzwischen nach preußischer Seite hin vorgegangen war V.s-
marck mußte sich vor dem Eintritt in einen gewaltigen Kampf, der über d.e
ganze Zukunft Preußens entscheiden sollte, möglichste Sicherheit des Erfolges


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[0231] Hannovers Lndo und Herr Meding. das von ihm selbst im Stillen vorbereitete aller Welt sichtbar werden zu lassen. Diesmal wendete sich die officielle Politik Oesterreich zu, welches sich ebenso wie Preußen für den bevorstehenden Kampf die Neutralität Frankreichs zu sichern strebte. Der Kaiser, welcher die italienischen Verschwörer fürchtete, die ihn an sein Wort: „Frei bis zur Adria" erinnerten, und der außerdem die italienische Aetions- Partci von Rom abwenden wollte, indem er sie anderswo befriedigte, bezeichnete bei den Verhandlungen mit Oesterreich Venetien als den Preis seiner Neutra¬ lität. In Wien gab es damals auch in der n»mittelbaren Umgebung des Kaisers Stimmen, welche dazu riethen, die italienischen Provinzen als eine Quelle steter Beunruhigung der deutschen Stellung des Kaiserstaates zu opfern, aber der österreichische Stolz zögerte mit dieser Concession, bis es zu spät war. Erst am 12. Juni 1866 wurde in Wien zwischen dem Herzog von Gramont und dem Grafen Mensdorff eine geheime Convention abgeschlossen, in welcher sich Frankreich für den Fall eines Krieges zwischen Oesterreich und Preußen ver¬ pflichtete, vollständig neutral zu bleiben und Italien zu gleichem Verhalten zu veranlassen. Oesterreich dagegen machte sich anheischig, für den Fall, daß es über Preußen siege, bei Abschluß des Friedens Venetien an Frankreich abzu¬ treten, und andrerseits für den Fall, daß Italien nicht neutral bleibe und Oesterreich gegenüber unterliege, nichts am stAws cM in der Lombardei zu ändern. Endlich stipulirte der Vertrag noch, daß, falls der Ausgang des Krieges die Stellung der deutscheu Mächte unter einander verändern sollte, Oesterreich zu jeder terri¬ torialen Veränderung, welche das europäische Gleichgewicht afficiren könne, die Zustimmung Frankreichs nachzusuchen habe. Dieser Vertrag giebt den Schlüssel zu den sonst fast unerklärlichen Vorgängen nach der Schlacht bei Königgrätz. Das Opfer Venetiens war schon ins Auge gefaßt, allerdings mir für den Fall eines Sieges der Oesterreicher in Deutschland, aber es war natürlich, wenn es nach der 'so unerwarteten schweren Niederlage zur Rettung angeboten wurde. Die Vestimmnug aber, daß Oesterreich keine dnrch den Ausgang des Krieges bedingte territoriale Veränderung in Deutschland ohne die Einwilligung Frank¬ reichs annehmen durfte, erlaubte, wenigstens dem Wiener Cabinet gegenüber, die Einmischung Napoleons in die Friedensverhandlungen. Endlich kam der Kaiser Napoleon durch den Vertrag in die Lage, sich die Italiener durch ein Geschenk günstig zu stimmen. Einige andre Bedingungen des Übereinkommens, die Medmg später, im zweiten Bande, mittheilt, können wir übergehen. Dies also war das erst unmittelbar vor Ausbruch des Krieges erreichte Ergebniß der langem Verhandlungen zwischen dem österreichischen und dem frän¬ kischen Minister- des Auswärtigen. Die Vortheile waren dabei alle auf Seiten Frankreichs, und Oesterreich erscheint dadurch umsomehr düpirt, wenn man >n Betracht zieht, was inzwischen nach preußischer Seite hin vorgegangen war V.s- marck mußte sich vor dem Eintritt in einen gewaltigen Kampf, der über d.e ganze Zukunft Preußens entscheiden sollte, möglichste Sicherheit des Erfolges

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/231>, abgerufen am 26.11.2024.