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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Ansturm für das Haus Habsburg die alte Kaistrhoheit wieder zu gewinne".
Der Kaiser Franz Josef entflammte sich, seiner ganzen zu plötzlichen Aufwallungen
geneigten Natur und den Traditionen seines Hauses gemäß, leicht für diese
Idee, und sie wurde wie ein flimmerndes Brillantfcnerwerl in Scene gesetzt.
Schon im Winter vorher hatte Fröbel eine Reise durch Deutschland gemacht,
um die Stimmung für die in Wien immer mehr zu maßgebender Bedeutung
aufsteigenden Ideen zu sondiren. Er hatte mich anch besucht und mir seine
Gedanken über eine liberale großdeutsche Bundesreform sowie über die Noth¬
wendigkeit einer schärfern Concentration des deutschen Buudesmechauismus nach
der alten Kaiserinstitution entwickelt, . . Ich theilte meine Unterredung mit Fröbel
dem Könige und dem Grafen Platen mit; dieselbe wurde indeß nur als ein be¬
denkliches, aber noch nicht augenblicklich gefährliches Symptom betrachtet".. .
Als der König Georg aber dann die Einladung zum Fürstentage erhielt, war
er "in hohem Grade bestürzt, und seine Bestürzung wurde von dem Grase"
Platen, den er sogleich zu sich rief, vollkommen getheilt" -- natürlich, da man
ebensowenig den Habsburger" als den Hohenzollern etwas von seiner Welfcn-
hvheit abzutreten geneigt war.

Anfang Juni 1862 verbreitete sich in Hannover das Gerücht, der Kurfürst
von Hessen sei, erbittert darüber, daß der Bund und Oesterreich ihn i" der
Verfassuugssciche dem preußischen Drängen nach Remedur gegenüber im Stiche
gelassen, entschlossen, sich ganz und gar in die Arme Preußens zu werfen und
zunächst ein Ministerium im preußischen Sinne zu bilden. Die Sache war nicht
unwahrscheinlich, und sie schien sicher, als die Zeitungen eine Ministerliste ver¬
öffentlichten, uach deren Namen der unbedingteste Preußische Einfluß in Kassel
hergestellt gewesen wäre. "Die Oppositivnsblättcr in Hannover triumphirten,"
erzählt Meding, "und es fehlte nicht an mehr oder weniger versteckten Hin¬
weisen, daß eine ähnliche Pression gegen die stets behauptete .Mißregierung' in
Hannover demnächst geübt werden müsse. Wenn ein solches Ministerium in
.Kassel wirklich eingesetzt wurde, und der Kurfürst in pessimistischer Resignation
demselben freie Hand ließ, so wäre Hannover in bedenklicher Weise von preu¬
ßischem Einfluß eingeengt gewesen und mußte, insbesondere auch in alle" Ver-
kehrsfrageu, eine gefährliche Jsolirung befürchten. . . . Am 18. Juni erfolgte
ein preußisches Ultimatum in Kassel sdurch Fcldjägerj, welches auf die Bildung
eines neuen Ministeriums und Neactiviruug der Verfassung von 1831 drängte,
und man mußte jeden Augenblick die Verkündigung der genanten Ministerliste
erwarten. Da wurde ich am 19. zum Könige gerufen, der mir befahl, mich
sogleich dem Grafen Platen zur Disposition zu stellen, um nach Kassel zu gehe"
und um jeden Preis die Einsetzung des in Aussicht genommene" Ministeriums
zu verhindern. Der österreichische Gesandte in Kassel, Graf Karnitzki, war eben¬
falls instruirt; ich nahm einen Brief an denselben vom Grafen Ingelheim, dein
österreichischen Gesandten in Hannover, mit und reiste unverzüglich ab. Es


Ansturm für das Haus Habsburg die alte Kaistrhoheit wieder zu gewinne».
Der Kaiser Franz Josef entflammte sich, seiner ganzen zu plötzlichen Aufwallungen
geneigten Natur und den Traditionen seines Hauses gemäß, leicht für diese
Idee, und sie wurde wie ein flimmerndes Brillantfcnerwerl in Scene gesetzt.
Schon im Winter vorher hatte Fröbel eine Reise durch Deutschland gemacht,
um die Stimmung für die in Wien immer mehr zu maßgebender Bedeutung
aufsteigenden Ideen zu sondiren. Er hatte mich anch besucht und mir seine
Gedanken über eine liberale großdeutsche Bundesreform sowie über die Noth¬
wendigkeit einer schärfern Concentration des deutschen Buudesmechauismus nach
der alten Kaiserinstitution entwickelt, . . Ich theilte meine Unterredung mit Fröbel
dem Könige und dem Grafen Platen mit; dieselbe wurde indeß nur als ein be¬
denkliches, aber noch nicht augenblicklich gefährliches Symptom betrachtet".. .
Als der König Georg aber dann die Einladung zum Fürstentage erhielt, war
er „in hohem Grade bestürzt, und seine Bestürzung wurde von dem Grase»
Platen, den er sogleich zu sich rief, vollkommen getheilt" — natürlich, da man
ebensowenig den Habsburger» als den Hohenzollern etwas von seiner Welfcn-
hvheit abzutreten geneigt war.

Anfang Juni 1862 verbreitete sich in Hannover das Gerücht, der Kurfürst
von Hessen sei, erbittert darüber, daß der Bund und Oesterreich ihn i» der
Verfassuugssciche dem preußischen Drängen nach Remedur gegenüber im Stiche
gelassen, entschlossen, sich ganz und gar in die Arme Preußens zu werfen und
zunächst ein Ministerium im preußischen Sinne zu bilden. Die Sache war nicht
unwahrscheinlich, und sie schien sicher, als die Zeitungen eine Ministerliste ver¬
öffentlichten, uach deren Namen der unbedingteste Preußische Einfluß in Kassel
hergestellt gewesen wäre. „Die Oppositivnsblättcr in Hannover triumphirten,"
erzählt Meding, „und es fehlte nicht an mehr oder weniger versteckten Hin¬
weisen, daß eine ähnliche Pression gegen die stets behauptete .Mißregierung' in
Hannover demnächst geübt werden müsse. Wenn ein solches Ministerium in
.Kassel wirklich eingesetzt wurde, und der Kurfürst in pessimistischer Resignation
demselben freie Hand ließ, so wäre Hannover in bedenklicher Weise von preu¬
ßischem Einfluß eingeengt gewesen und mußte, insbesondere auch in alle» Ver-
kehrsfrageu, eine gefährliche Jsolirung befürchten. . . . Am 18. Juni erfolgte
ein preußisches Ultimatum in Kassel sdurch Fcldjägerj, welches auf die Bildung
eines neuen Ministeriums und Neactiviruug der Verfassung von 1831 drängte,
und man mußte jeden Augenblick die Verkündigung der genanten Ministerliste
erwarten. Da wurde ich am 19. zum Könige gerufen, der mir befahl, mich
sogleich dem Grafen Platen zur Disposition zu stellen, um nach Kassel zu gehe»
und um jeden Preis die Einsetzung des in Aussicht genommene» Ministeriums
zu verhindern. Der österreichische Gesandte in Kassel, Graf Karnitzki, war eben¬
falls instruirt; ich nahm einen Brief an denselben vom Grafen Ingelheim, dein
österreichischen Gesandten in Hannover, mit und reiste unverzüglich ab. Es


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[0226] Ansturm für das Haus Habsburg die alte Kaistrhoheit wieder zu gewinne». Der Kaiser Franz Josef entflammte sich, seiner ganzen zu plötzlichen Aufwallungen geneigten Natur und den Traditionen seines Hauses gemäß, leicht für diese Idee, und sie wurde wie ein flimmerndes Brillantfcnerwerl in Scene gesetzt. Schon im Winter vorher hatte Fröbel eine Reise durch Deutschland gemacht, um die Stimmung für die in Wien immer mehr zu maßgebender Bedeutung aufsteigenden Ideen zu sondiren. Er hatte mich anch besucht und mir seine Gedanken über eine liberale großdeutsche Bundesreform sowie über die Noth¬ wendigkeit einer schärfern Concentration des deutschen Buudesmechauismus nach der alten Kaiserinstitution entwickelt, . . Ich theilte meine Unterredung mit Fröbel dem Könige und dem Grafen Platen mit; dieselbe wurde indeß nur als ein be¬ denkliches, aber noch nicht augenblicklich gefährliches Symptom betrachtet".. . Als der König Georg aber dann die Einladung zum Fürstentage erhielt, war er „in hohem Grade bestürzt, und seine Bestürzung wurde von dem Grase» Platen, den er sogleich zu sich rief, vollkommen getheilt" — natürlich, da man ebensowenig den Habsburger» als den Hohenzollern etwas von seiner Welfcn- hvheit abzutreten geneigt war. Anfang Juni 1862 verbreitete sich in Hannover das Gerücht, der Kurfürst von Hessen sei, erbittert darüber, daß der Bund und Oesterreich ihn i» der Verfassuugssciche dem preußischen Drängen nach Remedur gegenüber im Stiche gelassen, entschlossen, sich ganz und gar in die Arme Preußens zu werfen und zunächst ein Ministerium im preußischen Sinne zu bilden. Die Sache war nicht unwahrscheinlich, und sie schien sicher, als die Zeitungen eine Ministerliste ver¬ öffentlichten, uach deren Namen der unbedingteste Preußische Einfluß in Kassel hergestellt gewesen wäre. „Die Oppositivnsblättcr in Hannover triumphirten," erzählt Meding, „und es fehlte nicht an mehr oder weniger versteckten Hin¬ weisen, daß eine ähnliche Pression gegen die stets behauptete .Mißregierung' in Hannover demnächst geübt werden müsse. Wenn ein solches Ministerium in .Kassel wirklich eingesetzt wurde, und der Kurfürst in pessimistischer Resignation demselben freie Hand ließ, so wäre Hannover in bedenklicher Weise von preu¬ ßischem Einfluß eingeengt gewesen und mußte, insbesondere auch in alle» Ver- kehrsfrageu, eine gefährliche Jsolirung befürchten. . . . Am 18. Juni erfolgte ein preußisches Ultimatum in Kassel sdurch Fcldjägerj, welches auf die Bildung eines neuen Ministeriums und Neactiviruug der Verfassung von 1831 drängte, und man mußte jeden Augenblick die Verkündigung der genanten Ministerliste erwarten. Da wurde ich am 19. zum Könige gerufen, der mir befahl, mich sogleich dem Grafen Platen zur Disposition zu stellen, um nach Kassel zu gehe» und um jeden Preis die Einsetzung des in Aussicht genommene» Ministeriums zu verhindern. Der österreichische Gesandte in Kassel, Graf Karnitzki, war eben¬ falls instruirt; ich nahm einen Brief an denselben vom Grafen Ingelheim, dein österreichischen Gesandten in Hannover, mit und reiste unverzüglich ab. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/226>, abgerufen am 01.09.2024.