Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Hannovers Lüde und Herr beding.

die Advocaten dieser Farbe durften fortan nicht zu Curntorcn bei Conenrsen
gewählt Nicrden. Trotz aller dieser Maßregeln hatte sich in Emden eine große
Anzahl von Bürgern für das Programm Bennigscns erklärt, und als nnn der
dortige Magistrat während des Aufenthaltes des Hofes ans Norderney eine
Deputation an den König schickte, um Majestät zu begrüße", für die Verlegung
des Amtsgerichtes Gretsyhl zu danken und um fernere Gewogenheit zu bitte",
erhielt diese Gesandtschaft von ihm die Antwort, er habe stets für Enders Auf¬
blühen gesorgt, müsse aber dafür erwarten, daß man der Bennigseuschen Reso¬
lution und der darin ausgedrückten Richtung entgegentrete. "Geschieht dies
nicht," so schloß der König, "so werde ich nicht mehr an das Aufblühen der
Stadt durch thunlichste Hebung ihrer mercantilen und sonstigen Interessen denken
können. Namentlich werde ich nicht mein Augenmerk auf die so nothwendige
Verbesserung der Schleuße und die Verlegung des Fahrwassers lenken können."
Das war echtester Welfengeist. War die Verbesserung nothwendig, wie Majestät
selbst ansdrücklich erklärte, so mußte das Staatsoberhaupt sein Augenmerk darauf
richte", wie sehr auch ein Theil der Emdnuer ihm mißfallen mochte. Die Kosten
flössen nicht aus seiner Schatulle, sondern aus der Landeskasse. Das aber war
es gerade, was Georg Rex nie begriff. Sein Ideal war der Patrimonialstaat,
der Staat, der gleichsam nur ein großes Rittergut des Fürsten ist, den Gottes
Gnade einer gewissen Familie in Erbpacht gegeben hat. Dieses Ideal zu ver¬
wirklichen, war das Ziel aller seiner Bestrebungen, und wären wir nicht im
neunzehnten Jahrhunderte, so hätte er seine Souveränetät bis zum privatrechtlichen
Eigenthume an Land und Leuten hinaufgeschraubt. Die berüchtigte Domäuen-
ausscheiduug läßt darauf schließen.

König Ernst August war, wenn auch ungern, mit Preußen gegangen. Auch
Georg hatte diese Richtung eingehalten, solange das Ministerium Manteuffel
Preußen von seiner nationalen Aufgabe fernhielt. Mit dem Eintritt der neuen
Aera und dem Entstehen des NativualvercinS änderte sich das schon beträchtlich,
und als König Wilhelm Bismarck an das Steuer des Staates berief, sah man
die hannoversche Politik täglich mehr in die Bahnen Oesterreichs und seiner
kleinstaatlichen Verbündeten einlenken.

Mit Eifer arbeiteten die officiösen Blätter von jetzt an gegen Preußen und
seine Freunde. Bekannt ist das in öffentlicher Kammersitzung gesprochene, ganz
im Geiste des Königs gehaltene Wort des Ministers v. Borries, "es sei klar,
daß kein größerer, und, so lauge Recht gelte, auch kein kleinerer deutscher Fürst
sich die Medintisirung gefallen lassen werde. Dieselben würden vielmehr auf
jede Weise ihre Souveränetät zu wahren suchen, sich miteinander gegen die Be¬
raubung an ihren Rechten verbünden, ja sie könnten sogar durch die Noth dazu
gedrängt werden, die Allianz auswärtiger Mächte zu suchen, welche sehr geneigt
sein würden, ans solche Art eine Hand in den deutscheu Angelegenheiten zu be-
kommen." Bekannt ist ferner die Theilnahme Hannovers fast an allen den ver-


Hannovers Lüde und Herr beding.

die Advocaten dieser Farbe durften fortan nicht zu Curntorcn bei Conenrsen
gewählt Nicrden. Trotz aller dieser Maßregeln hatte sich in Emden eine große
Anzahl von Bürgern für das Programm Bennigscns erklärt, und als nnn der
dortige Magistrat während des Aufenthaltes des Hofes ans Norderney eine
Deputation an den König schickte, um Majestät zu begrüße», für die Verlegung
des Amtsgerichtes Gretsyhl zu danken und um fernere Gewogenheit zu bitte»,
erhielt diese Gesandtschaft von ihm die Antwort, er habe stets für Enders Auf¬
blühen gesorgt, müsse aber dafür erwarten, daß man der Bennigseuschen Reso¬
lution und der darin ausgedrückten Richtung entgegentrete. „Geschieht dies
nicht," so schloß der König, „so werde ich nicht mehr an das Aufblühen der
Stadt durch thunlichste Hebung ihrer mercantilen und sonstigen Interessen denken
können. Namentlich werde ich nicht mein Augenmerk auf die so nothwendige
Verbesserung der Schleuße und die Verlegung des Fahrwassers lenken können."
Das war echtester Welfengeist. War die Verbesserung nothwendig, wie Majestät
selbst ansdrücklich erklärte, so mußte das Staatsoberhaupt sein Augenmerk darauf
richte», wie sehr auch ein Theil der Emdnuer ihm mißfallen mochte. Die Kosten
flössen nicht aus seiner Schatulle, sondern aus der Landeskasse. Das aber war
es gerade, was Georg Rex nie begriff. Sein Ideal war der Patrimonialstaat,
der Staat, der gleichsam nur ein großes Rittergut des Fürsten ist, den Gottes
Gnade einer gewissen Familie in Erbpacht gegeben hat. Dieses Ideal zu ver¬
wirklichen, war das Ziel aller seiner Bestrebungen, und wären wir nicht im
neunzehnten Jahrhunderte, so hätte er seine Souveränetät bis zum privatrechtlichen
Eigenthume an Land und Leuten hinaufgeschraubt. Die berüchtigte Domäuen-
ausscheiduug läßt darauf schließen.

König Ernst August war, wenn auch ungern, mit Preußen gegangen. Auch
Georg hatte diese Richtung eingehalten, solange das Ministerium Manteuffel
Preußen von seiner nationalen Aufgabe fernhielt. Mit dem Eintritt der neuen
Aera und dem Entstehen des NativualvercinS änderte sich das schon beträchtlich,
und als König Wilhelm Bismarck an das Steuer des Staates berief, sah man
die hannoversche Politik täglich mehr in die Bahnen Oesterreichs und seiner
kleinstaatlichen Verbündeten einlenken.

Mit Eifer arbeiteten die officiösen Blätter von jetzt an gegen Preußen und
seine Freunde. Bekannt ist das in öffentlicher Kammersitzung gesprochene, ganz
im Geiste des Königs gehaltene Wort des Ministers v. Borries, „es sei klar,
daß kein größerer, und, so lauge Recht gelte, auch kein kleinerer deutscher Fürst
sich die Medintisirung gefallen lassen werde. Dieselben würden vielmehr auf
jede Weise ihre Souveränetät zu wahren suchen, sich miteinander gegen die Be¬
raubung an ihren Rechten verbünden, ja sie könnten sogar durch die Noth dazu
gedrängt werden, die Allianz auswärtiger Mächte zu suchen, welche sehr geneigt
sein würden, ans solche Art eine Hand in den deutscheu Angelegenheiten zu be-
kommen." Bekannt ist ferner die Theilnahme Hannovers fast an allen den ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150341"/>
          <fw type="header" place="top"> Hannovers Lüde und Herr beding.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> die Advocaten dieser Farbe durften fortan nicht zu Curntorcn bei Conenrsen<lb/>
gewählt Nicrden. Trotz aller dieser Maßregeln hatte sich in Emden eine große<lb/>
Anzahl von Bürgern für das Programm Bennigscns erklärt, und als nnn der<lb/>
dortige Magistrat während des Aufenthaltes des Hofes ans Norderney eine<lb/>
Deputation an den König schickte, um Majestät zu begrüße», für die Verlegung<lb/>
des Amtsgerichtes Gretsyhl zu danken und um fernere Gewogenheit zu bitte»,<lb/>
erhielt diese Gesandtschaft von ihm die Antwort, er habe stets für Enders Auf¬<lb/>
blühen gesorgt, müsse aber dafür erwarten, daß man der Bennigseuschen Reso¬<lb/>
lution und der darin ausgedrückten Richtung entgegentrete. &#x201E;Geschieht dies<lb/>
nicht," so schloß der König, &#x201E;so werde ich nicht mehr an das Aufblühen der<lb/>
Stadt durch thunlichste Hebung ihrer mercantilen und sonstigen Interessen denken<lb/>
können. Namentlich werde ich nicht mein Augenmerk auf die so nothwendige<lb/>
Verbesserung der Schleuße und die Verlegung des Fahrwassers lenken können."<lb/>
Das war echtester Welfengeist. War die Verbesserung nothwendig, wie Majestät<lb/>
selbst ansdrücklich erklärte, so mußte das Staatsoberhaupt sein Augenmerk darauf<lb/>
richte», wie sehr auch ein Theil der Emdnuer ihm mißfallen mochte. Die Kosten<lb/>
flössen nicht aus seiner Schatulle, sondern aus der Landeskasse. Das aber war<lb/>
es gerade, was Georg Rex nie begriff. Sein Ideal war der Patrimonialstaat,<lb/>
der Staat, der gleichsam nur ein großes Rittergut des Fürsten ist, den Gottes<lb/>
Gnade einer gewissen Familie in Erbpacht gegeben hat. Dieses Ideal zu ver¬<lb/>
wirklichen, war das Ziel aller seiner Bestrebungen, und wären wir nicht im<lb/>
neunzehnten Jahrhunderte, so hätte er seine Souveränetät bis zum privatrechtlichen<lb/>
Eigenthume an Land und Leuten hinaufgeschraubt. Die berüchtigte Domäuen-<lb/>
ausscheiduug läßt darauf schließen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_645"> König Ernst August war, wenn auch ungern, mit Preußen gegangen. Auch<lb/>
Georg hatte diese Richtung eingehalten, solange das Ministerium Manteuffel<lb/>
Preußen von seiner nationalen Aufgabe fernhielt. Mit dem Eintritt der neuen<lb/>
Aera und dem Entstehen des NativualvercinS änderte sich das schon beträchtlich,<lb/>
und als König Wilhelm Bismarck an das Steuer des Staates berief, sah man<lb/>
die hannoversche Politik täglich mehr in die Bahnen Oesterreichs und seiner<lb/>
kleinstaatlichen Verbündeten einlenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Mit Eifer arbeiteten die officiösen Blätter von jetzt an gegen Preußen und<lb/>
seine Freunde. Bekannt ist das in öffentlicher Kammersitzung gesprochene, ganz<lb/>
im Geiste des Königs gehaltene Wort des Ministers v. Borries, &#x201E;es sei klar,<lb/>
daß kein größerer, und, so lauge Recht gelte, auch kein kleinerer deutscher Fürst<lb/>
sich die Medintisirung gefallen lassen werde. Dieselben würden vielmehr auf<lb/>
jede Weise ihre Souveränetät zu wahren suchen, sich miteinander gegen die Be¬<lb/>
raubung an ihren Rechten verbünden, ja sie könnten sogar durch die Noth dazu<lb/>
gedrängt werden, die Allianz auswärtiger Mächte zu suchen, welche sehr geneigt<lb/>
sein würden, ans solche Art eine Hand in den deutscheu Angelegenheiten zu be-<lb/>
kommen." Bekannt ist ferner die Theilnahme Hannovers fast an allen den ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] Hannovers Lüde und Herr beding. die Advocaten dieser Farbe durften fortan nicht zu Curntorcn bei Conenrsen gewählt Nicrden. Trotz aller dieser Maßregeln hatte sich in Emden eine große Anzahl von Bürgern für das Programm Bennigscns erklärt, und als nnn der dortige Magistrat während des Aufenthaltes des Hofes ans Norderney eine Deputation an den König schickte, um Majestät zu begrüße», für die Verlegung des Amtsgerichtes Gretsyhl zu danken und um fernere Gewogenheit zu bitte», erhielt diese Gesandtschaft von ihm die Antwort, er habe stets für Enders Auf¬ blühen gesorgt, müsse aber dafür erwarten, daß man der Bennigseuschen Reso¬ lution und der darin ausgedrückten Richtung entgegentrete. „Geschieht dies nicht," so schloß der König, „so werde ich nicht mehr an das Aufblühen der Stadt durch thunlichste Hebung ihrer mercantilen und sonstigen Interessen denken können. Namentlich werde ich nicht mein Augenmerk auf die so nothwendige Verbesserung der Schleuße und die Verlegung des Fahrwassers lenken können." Das war echtester Welfengeist. War die Verbesserung nothwendig, wie Majestät selbst ansdrücklich erklärte, so mußte das Staatsoberhaupt sein Augenmerk darauf richte», wie sehr auch ein Theil der Emdnuer ihm mißfallen mochte. Die Kosten flössen nicht aus seiner Schatulle, sondern aus der Landeskasse. Das aber war es gerade, was Georg Rex nie begriff. Sein Ideal war der Patrimonialstaat, der Staat, der gleichsam nur ein großes Rittergut des Fürsten ist, den Gottes Gnade einer gewissen Familie in Erbpacht gegeben hat. Dieses Ideal zu ver¬ wirklichen, war das Ziel aller seiner Bestrebungen, und wären wir nicht im neunzehnten Jahrhunderte, so hätte er seine Souveränetät bis zum privatrechtlichen Eigenthume an Land und Leuten hinaufgeschraubt. Die berüchtigte Domäuen- ausscheiduug läßt darauf schließen. König Ernst August war, wenn auch ungern, mit Preußen gegangen. Auch Georg hatte diese Richtung eingehalten, solange das Ministerium Manteuffel Preußen von seiner nationalen Aufgabe fernhielt. Mit dem Eintritt der neuen Aera und dem Entstehen des NativualvercinS änderte sich das schon beträchtlich, und als König Wilhelm Bismarck an das Steuer des Staates berief, sah man die hannoversche Politik täglich mehr in die Bahnen Oesterreichs und seiner kleinstaatlichen Verbündeten einlenken. Mit Eifer arbeiteten die officiösen Blätter von jetzt an gegen Preußen und seine Freunde. Bekannt ist das in öffentlicher Kammersitzung gesprochene, ganz im Geiste des Königs gehaltene Wort des Ministers v. Borries, „es sei klar, daß kein größerer, und, so lauge Recht gelte, auch kein kleinerer deutscher Fürst sich die Medintisirung gefallen lassen werde. Dieselben würden vielmehr auf jede Weise ihre Souveränetät zu wahren suchen, sich miteinander gegen die Be¬ raubung an ihren Rechten verbünden, ja sie könnten sogar durch die Noth dazu gedrängt werden, die Allianz auswärtiger Mächte zu suchen, welche sehr geneigt sein würden, ans solche Art eine Hand in den deutscheu Angelegenheiten zu be- kommen." Bekannt ist ferner die Theilnahme Hannovers fast an allen den ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/191
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/191>, abgerufen am 01.09.2024.