Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Entwicklung der Fendalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

gestellten Aufgaben, welche eine zahlreiche Reiterei erheischten, Karls des
Großen Heerfahrten zwangen dazu, weite Länderräume zu durchziehen; seine
Feldzüge waren wesentlich auf strategische Combination berechnet, für welche
Schnelligkeit der Bewegungen Bedingung des Erfolges war, zumal da für die
Durchführung des Kriegsplnues immer mir die Sommermonate vom Mai bis
höchstens zum September zur Verfügung standen. Wie lebhaft mußte Karl unter
solchen Verhältnisse!: das Bedürfniß starker Reiterei empfinden, und er war in
der That in jeder Weise bestrebt, es zu befriedigen. Aber noch ein drittes
wichtiges Moment kam hier in Betracht, Der Troß der karlingischen Heere war
ungeheuer groß und mußte es sei"; denn da jeder Wehrmann sich selbst zu
verpflegen hatte, so konnte ein rationelles Zusammendrängen des Bedarfes dnrch
verstündige Auswahl und geschickte Unterbringung der Lebensmittel und des Heer-
geräthes gar nicht oder doch nur höchst selten und mangelhaft gelingen. Die
ochseiibespannten Wagen mit den dreimonatlichen Vorräthen bildeten einen Haupt-
bestandtheil der Heere Karls des Großen. Erwägt man nun, wie mangelhaft
damals die Wegbarkeit des Reiches und der ihm benachbarten Gebiete war, so
begreift man, daß diese schweren Wagenzüge gewöhnlich hinter den Vewegnngen
der eigentlichen Streitkräfte zurückbleiben mußten, woraus die peinlichsten Ber-
pflegungsschwicrigkeitcn, die widerwärtigsten Stockungen in den Operationen er¬
wuchsen. Immer aber blieb die Sicherheit jener Traineolonnen eine unerläßliche
Forderung, und so bedürfte es zuverlässiger militärischer Kräfte, den Troß zu
schützen. Zu diesem Zwecke gebrauchte nun Karl, wie schon erwähnt, seine be¬
waffneten Ministerialen, die sesrarü oder Lg.da>1ig,ri,i, die ja auch in der Heimat
Transporte geleitet und Lieferungen eiugebrncht hatten, und die von der eigent¬
lichen Kriegsreiterei mir durch ihre leichtere Bewaffnung unterschieden waren.
Durch diese Anwendung der Ministerialen, vorzüglich der königlichen, ging aber
eine an sich sehr brauchbare Reiterei der taktischen Verwendung verloren, und
auch dafür galt es Ersatz zu schaffen.

Unter den Nachfolgern Karls des Großen steigerte sich der Bedarf an
tüchtiger und zahlreicher Reiterei von Jahr zu Jahr. Der unaufhörliche Grenz¬
krieg gegen Normannen und Slaven wie das plötzliche Aufflammen innerer Fehden
forderten sehr schnelles Ergreifen und Zuschlagen; dazu eignete sich jedoch das
uur langsam zu sammelnde, langsam marschirende und durch schwerfällige Train¬
eolonnen belastete Volksaufgebot durchaus nicht. Wohl aber kamen solchen Be¬
dürfnissen die Vassallen mit ihren berittenen Gefolgen von Hintersassen und Mi¬
nisterialen bequem entgegen, und unzweifelhaft hat eben dieser Umstand viel dazu
beigetragen, die Entwicklung des Feudalkriegswesens zu fördern.

In diesem Zusammenhange ist nun endlich eines rein technischen Umstandes
zu gedenken, nämlich der gesteigerten Ausbildung der Schntzrüstung. Auch die
bestausgestatteten Fußkämpfer der Zeit Karls des Großen trugen höchstens einen
Ueberwurf von Leder oder mehrfacher Leinwand über Kopf und Schultern, und


Die Entwicklung der Fendalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

gestellten Aufgaben, welche eine zahlreiche Reiterei erheischten, Karls des
Großen Heerfahrten zwangen dazu, weite Länderräume zu durchziehen; seine
Feldzüge waren wesentlich auf strategische Combination berechnet, für welche
Schnelligkeit der Bewegungen Bedingung des Erfolges war, zumal da für die
Durchführung des Kriegsplnues immer mir die Sommermonate vom Mai bis
höchstens zum September zur Verfügung standen. Wie lebhaft mußte Karl unter
solchen Verhältnisse!: das Bedürfniß starker Reiterei empfinden, und er war in
der That in jeder Weise bestrebt, es zu befriedigen. Aber noch ein drittes
wichtiges Moment kam hier in Betracht, Der Troß der karlingischen Heere war
ungeheuer groß und mußte es sei»; denn da jeder Wehrmann sich selbst zu
verpflegen hatte, so konnte ein rationelles Zusammendrängen des Bedarfes dnrch
verstündige Auswahl und geschickte Unterbringung der Lebensmittel und des Heer-
geräthes gar nicht oder doch nur höchst selten und mangelhaft gelingen. Die
ochseiibespannten Wagen mit den dreimonatlichen Vorräthen bildeten einen Haupt-
bestandtheil der Heere Karls des Großen. Erwägt man nun, wie mangelhaft
damals die Wegbarkeit des Reiches und der ihm benachbarten Gebiete war, so
begreift man, daß diese schweren Wagenzüge gewöhnlich hinter den Vewegnngen
der eigentlichen Streitkräfte zurückbleiben mußten, woraus die peinlichsten Ber-
pflegungsschwicrigkeitcn, die widerwärtigsten Stockungen in den Operationen er¬
wuchsen. Immer aber blieb die Sicherheit jener Traineolonnen eine unerläßliche
Forderung, und so bedürfte es zuverlässiger militärischer Kräfte, den Troß zu
schützen. Zu diesem Zwecke gebrauchte nun Karl, wie schon erwähnt, seine be¬
waffneten Ministerialen, die sesrarü oder Lg.da>1ig,ri,i, die ja auch in der Heimat
Transporte geleitet und Lieferungen eiugebrncht hatten, und die von der eigent¬
lichen Kriegsreiterei mir durch ihre leichtere Bewaffnung unterschieden waren.
Durch diese Anwendung der Ministerialen, vorzüglich der königlichen, ging aber
eine an sich sehr brauchbare Reiterei der taktischen Verwendung verloren, und
auch dafür galt es Ersatz zu schaffen.

Unter den Nachfolgern Karls des Großen steigerte sich der Bedarf an
tüchtiger und zahlreicher Reiterei von Jahr zu Jahr. Der unaufhörliche Grenz¬
krieg gegen Normannen und Slaven wie das plötzliche Aufflammen innerer Fehden
forderten sehr schnelles Ergreifen und Zuschlagen; dazu eignete sich jedoch das
uur langsam zu sammelnde, langsam marschirende und durch schwerfällige Train¬
eolonnen belastete Volksaufgebot durchaus nicht. Wohl aber kamen solchen Be¬
dürfnissen die Vassallen mit ihren berittenen Gefolgen von Hintersassen und Mi¬
nisterialen bequem entgegen, und unzweifelhaft hat eben dieser Umstand viel dazu
beigetragen, die Entwicklung des Feudalkriegswesens zu fördern.

In diesem Zusammenhange ist nun endlich eines rein technischen Umstandes
zu gedenken, nämlich der gesteigerten Ausbildung der Schntzrüstung. Auch die
bestausgestatteten Fußkämpfer der Zeit Karls des Großen trugen höchstens einen
Ueberwurf von Leder oder mehrfacher Leinwand über Kopf und Schultern, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150310"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Entwicklung der Fendalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_546" prev="#ID_545"> gestellten Aufgaben, welche eine zahlreiche Reiterei erheischten, Karls des<lb/>
Großen Heerfahrten zwangen dazu, weite Länderräume zu durchziehen; seine<lb/>
Feldzüge waren wesentlich auf strategische Combination berechnet, für welche<lb/>
Schnelligkeit der Bewegungen Bedingung des Erfolges war, zumal da für die<lb/>
Durchführung des Kriegsplnues immer mir die Sommermonate vom Mai bis<lb/>
höchstens zum September zur Verfügung standen. Wie lebhaft mußte Karl unter<lb/>
solchen Verhältnisse!: das Bedürfniß starker Reiterei empfinden, und er war in<lb/>
der That in jeder Weise bestrebt, es zu befriedigen. Aber noch ein drittes<lb/>
wichtiges Moment kam hier in Betracht, Der Troß der karlingischen Heere war<lb/>
ungeheuer groß und mußte es sei»; denn da jeder Wehrmann sich selbst zu<lb/>
verpflegen hatte, so konnte ein rationelles Zusammendrängen des Bedarfes dnrch<lb/>
verstündige Auswahl und geschickte Unterbringung der Lebensmittel und des Heer-<lb/>
geräthes gar nicht oder doch nur höchst selten und mangelhaft gelingen. Die<lb/>
ochseiibespannten Wagen mit den dreimonatlichen Vorräthen bildeten einen Haupt-<lb/>
bestandtheil der Heere Karls des Großen. Erwägt man nun, wie mangelhaft<lb/>
damals die Wegbarkeit des Reiches und der ihm benachbarten Gebiete war, so<lb/>
begreift man, daß diese schweren Wagenzüge gewöhnlich hinter den Vewegnngen<lb/>
der eigentlichen Streitkräfte zurückbleiben mußten, woraus die peinlichsten Ber-<lb/>
pflegungsschwicrigkeitcn, die widerwärtigsten Stockungen in den Operationen er¬<lb/>
wuchsen. Immer aber blieb die Sicherheit jener Traineolonnen eine unerläßliche<lb/>
Forderung, und so bedürfte es zuverlässiger militärischer Kräfte, den Troß zu<lb/>
schützen. Zu diesem Zwecke gebrauchte nun Karl, wie schon erwähnt, seine be¬<lb/>
waffneten Ministerialen, die sesrarü oder Lg.da&gt;1ig,ri,i, die ja auch in der Heimat<lb/>
Transporte geleitet und Lieferungen eiugebrncht hatten, und die von der eigent¬<lb/>
lichen Kriegsreiterei mir durch ihre leichtere Bewaffnung unterschieden waren.<lb/>
Durch diese Anwendung der Ministerialen, vorzüglich der königlichen, ging aber<lb/>
eine an sich sehr brauchbare Reiterei der taktischen Verwendung verloren, und<lb/>
auch dafür galt es Ersatz zu schaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_547"> Unter den Nachfolgern Karls des Großen steigerte sich der Bedarf an<lb/>
tüchtiger und zahlreicher Reiterei von Jahr zu Jahr. Der unaufhörliche Grenz¬<lb/>
krieg gegen Normannen und Slaven wie das plötzliche Aufflammen innerer Fehden<lb/>
forderten sehr schnelles Ergreifen und Zuschlagen; dazu eignete sich jedoch das<lb/>
uur langsam zu sammelnde, langsam marschirende und durch schwerfällige Train¬<lb/>
eolonnen belastete Volksaufgebot durchaus nicht. Wohl aber kamen solchen Be¬<lb/>
dürfnissen die Vassallen mit ihren berittenen Gefolgen von Hintersassen und Mi¬<lb/>
nisterialen bequem entgegen, und unzweifelhaft hat eben dieser Umstand viel dazu<lb/>
beigetragen, die Entwicklung des Feudalkriegswesens zu fördern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> In diesem Zusammenhange ist nun endlich eines rein technischen Umstandes<lb/>
zu gedenken, nämlich der gesteigerten Ausbildung der Schntzrüstung. Auch die<lb/>
bestausgestatteten Fußkämpfer der Zeit Karls des Großen trugen höchstens einen<lb/>
Ueberwurf von Leder oder mehrfacher Leinwand über Kopf und Schultern, und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] Die Entwicklung der Fendalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. gestellten Aufgaben, welche eine zahlreiche Reiterei erheischten, Karls des Großen Heerfahrten zwangen dazu, weite Länderräume zu durchziehen; seine Feldzüge waren wesentlich auf strategische Combination berechnet, für welche Schnelligkeit der Bewegungen Bedingung des Erfolges war, zumal da für die Durchführung des Kriegsplnues immer mir die Sommermonate vom Mai bis höchstens zum September zur Verfügung standen. Wie lebhaft mußte Karl unter solchen Verhältnisse!: das Bedürfniß starker Reiterei empfinden, und er war in der That in jeder Weise bestrebt, es zu befriedigen. Aber noch ein drittes wichtiges Moment kam hier in Betracht, Der Troß der karlingischen Heere war ungeheuer groß und mußte es sei»; denn da jeder Wehrmann sich selbst zu verpflegen hatte, so konnte ein rationelles Zusammendrängen des Bedarfes dnrch verstündige Auswahl und geschickte Unterbringung der Lebensmittel und des Heer- geräthes gar nicht oder doch nur höchst selten und mangelhaft gelingen. Die ochseiibespannten Wagen mit den dreimonatlichen Vorräthen bildeten einen Haupt- bestandtheil der Heere Karls des Großen. Erwägt man nun, wie mangelhaft damals die Wegbarkeit des Reiches und der ihm benachbarten Gebiete war, so begreift man, daß diese schweren Wagenzüge gewöhnlich hinter den Vewegnngen der eigentlichen Streitkräfte zurückbleiben mußten, woraus die peinlichsten Ber- pflegungsschwicrigkeitcn, die widerwärtigsten Stockungen in den Operationen er¬ wuchsen. Immer aber blieb die Sicherheit jener Traineolonnen eine unerläßliche Forderung, und so bedürfte es zuverlässiger militärischer Kräfte, den Troß zu schützen. Zu diesem Zwecke gebrauchte nun Karl, wie schon erwähnt, seine be¬ waffneten Ministerialen, die sesrarü oder Lg.da>1ig,ri,i, die ja auch in der Heimat Transporte geleitet und Lieferungen eiugebrncht hatten, und die von der eigent¬ lichen Kriegsreiterei mir durch ihre leichtere Bewaffnung unterschieden waren. Durch diese Anwendung der Ministerialen, vorzüglich der königlichen, ging aber eine an sich sehr brauchbare Reiterei der taktischen Verwendung verloren, und auch dafür galt es Ersatz zu schaffen. Unter den Nachfolgern Karls des Großen steigerte sich der Bedarf an tüchtiger und zahlreicher Reiterei von Jahr zu Jahr. Der unaufhörliche Grenz¬ krieg gegen Normannen und Slaven wie das plötzliche Aufflammen innerer Fehden forderten sehr schnelles Ergreifen und Zuschlagen; dazu eignete sich jedoch das uur langsam zu sammelnde, langsam marschirende und durch schwerfällige Train¬ eolonnen belastete Volksaufgebot durchaus nicht. Wohl aber kamen solchen Be¬ dürfnissen die Vassallen mit ihren berittenen Gefolgen von Hintersassen und Mi¬ nisterialen bequem entgegen, und unzweifelhaft hat eben dieser Umstand viel dazu beigetragen, die Entwicklung des Feudalkriegswesens zu fördern. In diesem Zusammenhange ist nun endlich eines rein technischen Umstandes zu gedenken, nämlich der gesteigerten Ausbildung der Schntzrüstung. Auch die bestausgestatteten Fußkämpfer der Zeit Karls des Großen trugen höchstens einen Ueberwurf von Leder oder mehrfacher Leinwand über Kopf und Schultern, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/160>, abgerufen am 26.11.2024.