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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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England und Frankreich am Mittelmeere.

Großhändler und Bankiers Leute niedern Standes sind. Die englische Colonie
dagegen ist zwar numerisch schwächer, schließt aber eine weit größere Zahl von
reichen und vornehmen Familien und einzelnen Personen ein als irgend eine
andre nationale Gruppe.

Was das allgemeine Ergebniß dieses Einströmens von Fremden und der
Verträge, durch die sie zur Macht gelaugte", für Aegypten betrifft, so kaun kein
Zweifel darüber obwalten, daß es ein Vortheil für das Land ist. Zum ersten
male in seiner langen Geschichte, der längsten in der Welt, wird die Regierung
wirksam unter Controle gehalten. Der Steuereintreiber hat aufgehört, seine
Schraube unbeschränkt zu handhaben, zu drücken und zu pressen. Allerdings
geht ein sehr bedeutender Theil des Stenerertrages an Aetieninhaber in London
und Paris ab, aber wenn man denselben ihre Interessen vorenthielte, würde der
Fellah nichts dabei gewinnen, sondern fortfahren, der Laune und der unersätt-
lichen Geldgier seiner türkischen Beherrscher tributpflichtig zu sein. Jetzt, nach
der neuen Einrichtung der Fiunuzverwaltung, ist er durchaus gegen grausame
Beitreibung unregelmäßiger Forderungen gesichert, und es ist eine große Er¬
leichterung für ihn, Monate lang voraus zu wisse", wieviel er zu entrichten hat,
und gewiß zu sein, daß die Summe nicht gesteigert werden kaun. Ebenso hat
der Einfluß der Reform auf dem Gebiete des Gerichtswesens sich bereits bis
in die Schichten des Bauernstandes am Nil Bahn gebrochen und erfreulich
geltend gemacht, und die Aussichten, bei örtlichen Streitigkeiten zu seinem Rechte
zu gelangen, sind erheblich günstiger geworden. Der Chedive Aegyptens ist ohne
Zweifel noch immer ein morgenländischer Despot und wird es bleiben, bis mit
der türkischen Wirthschaft hier einmal ganz aufgeräumt werdeu kann. Er hat
alle Fehler und Mängel eines Orientalen. Aber er regiert jetzt im hellen Lichte
vor einer öffentlichen Meinung, und er erinnert sich, der Nachfolger eines Fürsten
zu sein, der seine Herrschaft verloren hat, weil er dieser von England und Frank¬
reich vertretenen öffentlichen Meinung Europas zuwiderzuhaudelu wagte.

Begünstigt durch die Einrichtung der jetzigen Administration, hat Aeghpten
stetig Fortschritte gemacht. Sicher infolge des eigenthümlichen Shstcms, nach
welchem internationale Gerichtshöfe zwischen dem Chedive und allen Ausländern
Recht zu finden und geltend zu machen befugt sind, ist viel Capital zur Er¬
schließung und Ausbeutung der natürlichen Schätze Aegyptens ins Land ge¬
strömt und hat bereits geeignete Verwendung gefunden und auch für die Ein¬
gebauten Zinsen getragen. Dieses ganze Resultat ist die Folge eines in der
Geschichte einzig dastehenden llebereinkommens, kraft dessen zwei große Staaten
auf einem Gebiete, wo sie sich einst als eifrige Nebenbuhler gegenüberstanden,
und wo sie jetzt als gleichberechtigte Mitarbeiter wirken, sich entschlossen, in
diesem Theile des ottomanischen Reiches die europäische Gesittung zu vertreten
und zur Herrschaft zu bringen. Daß bei diesem Bestreben noch Menschlichkeiten
vorkommen, thut der heilsamen Wirkung der Sache im ganzen so gut wie keinen


England und Frankreich am Mittelmeere.

Großhändler und Bankiers Leute niedern Standes sind. Die englische Colonie
dagegen ist zwar numerisch schwächer, schließt aber eine weit größere Zahl von
reichen und vornehmen Familien und einzelnen Personen ein als irgend eine
andre nationale Gruppe.

Was das allgemeine Ergebniß dieses Einströmens von Fremden und der
Verträge, durch die sie zur Macht gelaugte», für Aegypten betrifft, so kaun kein
Zweifel darüber obwalten, daß es ein Vortheil für das Land ist. Zum ersten
male in seiner langen Geschichte, der längsten in der Welt, wird die Regierung
wirksam unter Controle gehalten. Der Steuereintreiber hat aufgehört, seine
Schraube unbeschränkt zu handhaben, zu drücken und zu pressen. Allerdings
geht ein sehr bedeutender Theil des Stenerertrages an Aetieninhaber in London
und Paris ab, aber wenn man denselben ihre Interessen vorenthielte, würde der
Fellah nichts dabei gewinnen, sondern fortfahren, der Laune und der unersätt-
lichen Geldgier seiner türkischen Beherrscher tributpflichtig zu sein. Jetzt, nach
der neuen Einrichtung der Fiunuzverwaltung, ist er durchaus gegen grausame
Beitreibung unregelmäßiger Forderungen gesichert, und es ist eine große Er¬
leichterung für ihn, Monate lang voraus zu wisse», wieviel er zu entrichten hat,
und gewiß zu sein, daß die Summe nicht gesteigert werden kaun. Ebenso hat
der Einfluß der Reform auf dem Gebiete des Gerichtswesens sich bereits bis
in die Schichten des Bauernstandes am Nil Bahn gebrochen und erfreulich
geltend gemacht, und die Aussichten, bei örtlichen Streitigkeiten zu seinem Rechte
zu gelangen, sind erheblich günstiger geworden. Der Chedive Aegyptens ist ohne
Zweifel noch immer ein morgenländischer Despot und wird es bleiben, bis mit
der türkischen Wirthschaft hier einmal ganz aufgeräumt werdeu kann. Er hat
alle Fehler und Mängel eines Orientalen. Aber er regiert jetzt im hellen Lichte
vor einer öffentlichen Meinung, und er erinnert sich, der Nachfolger eines Fürsten
zu sein, der seine Herrschaft verloren hat, weil er dieser von England und Frank¬
reich vertretenen öffentlichen Meinung Europas zuwiderzuhaudelu wagte.

Begünstigt durch die Einrichtung der jetzigen Administration, hat Aeghpten
stetig Fortschritte gemacht. Sicher infolge des eigenthümlichen Shstcms, nach
welchem internationale Gerichtshöfe zwischen dem Chedive und allen Ausländern
Recht zu finden und geltend zu machen befugt sind, ist viel Capital zur Er¬
schließung und Ausbeutung der natürlichen Schätze Aegyptens ins Land ge¬
strömt und hat bereits geeignete Verwendung gefunden und auch für die Ein¬
gebauten Zinsen getragen. Dieses ganze Resultat ist die Folge eines in der
Geschichte einzig dastehenden llebereinkommens, kraft dessen zwei große Staaten
auf einem Gebiete, wo sie sich einst als eifrige Nebenbuhler gegenüberstanden,
und wo sie jetzt als gleichberechtigte Mitarbeiter wirken, sich entschlossen, in
diesem Theile des ottomanischen Reiches die europäische Gesittung zu vertreten
und zur Herrschaft zu bringen. Daß bei diesem Bestreben noch Menschlichkeiten
vorkommen, thut der heilsamen Wirkung der Sache im ganzen so gut wie keinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/148>, abgerufen am 22.11.2024.