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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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neuen Kammer anheimfallen, diese Angelegenheit endgiltig zu ordnen." Nach
den Richter" und ihrer sanfte" Abkanzlung erschienen die Winzer, mit denen der
Bürger Leon sich in ihrer Mundart über die Reblaus und ähnliches unterhielt,
und nach dem Diner besuchte er das Lhceum, wo er seine Studien gemacht, und
wo ihm jetzt die im Hofe aufgestellten Zöglinge, die "Bürger der Zukunft,"
schwören mußten, die Republik zu lieben. Am nächste" Tage besah er sich die
Ausstellung, und am übernächste" fand ein Bankett statt, bei dem er eine seiner
großen Galareden hielt, in welcher er bemüht war, jeden Antagonismus zwischen
Grsvy und seiner eignen Person abzuleugnen, die Behauptung, er strebe nach
der Dictatur, als Unwahrheit zu bezeichnen und feierlich zu betheuern, daß die
Republik eine Bürgschaft der Ordnung und des Friedens sei.

Der Stern Gmnbettas stand sehr hoch, als er diese Rede hielt. Das leicht
erregbare Temperament der Franzosen hatte sich an den Vorgängen in Cahors förm¬
lich entzündet. Der Gefeierte strahlte von den Hoffnungen Frankreichs. Man konnte
in Wahrheit annehmen, daß er bald die Stellung einnehmen werde, als sich
plötzlich ein Rückschlag in einem Theile der öffentlichen Meinung kundgab. Die
Freunde hatten zu viel des Guten gethan, und die Folgen blieben nicht aus.
Auf den Rausch erfolgte eine gewisse Ernüchterung, bei der auch die Gegner zu
Worte kamen.

Gambetta war kaum von seinem Triumphzuge zurückgekehrt, als es hieß,
er werde im Senat mit seinem Listenserutinium ein Fiasco erleide". Die über¬
wiegende Mehrheit der Körperschaft zeigte sich der Vorlage feindlich gesinnt, von
den neun Mitgliedern der Commission, der sie zur Prüfung überwiesen worden,
erklärten sich nicht weniger als acht für deren Verwerfung, Waddington klagte
Gambetta ziemlich deutlich des Strebens nach der Dictatur an. Die oppor-
tnnistischen Blätter waren darüber anßer sich und drohten mit einer Revision
der Verfassung, womit Beseitigung des Senats gemeint war. Die "Republique
Franenise" ging so weit, zu erklären, falls der Bardvuxsche Nutrag durchfallen
sollte, "würde selbst eine brutale Reform der Verfassung gerechtfertigt sein, weil
eine Staatsgewalt, die (wie der Senat) nicht aus der allgemeinen Abstimmung
hervorgegangen sei, nicht die Schrulle haben dürfe, die Wirksamkeit der Volks¬
souveränität unmöglich zu machen." Im übrigen bemühten sich diese Blatter, den
Eindruck, den das Schauspiel in Cnhors in den nicht gambettistischen Kreisen
von Paris hervorgerufen, nach Möglichkeit zu verwischen. Nach dem ursprüng¬
lichen Plane des Regisseurs hatte dasselbe einen noch weit kräftigern Charakter
haben sollen. Gambetta wollte, so erfährt man aus guter Quelle, anfangs keines¬
wegs so zurückhaltend, bescheiden und friedfertig auftreten, als er, durch Nach¬
richten aus Paris gewarnt, in der ans den letzten Tag seines Aufenthaltes fallenden
Bankettrede getha". Er wollte vielmehr offen sein Wahlprogramm entwickeln
und Europa seine Politik im In- und Auslande vorlegen, wenn er zur Gewalt
gelangt wäre. Deshalb beobachtete er zuerst auch eine Haltung, als ob er schon


neuen Kammer anheimfallen, diese Angelegenheit endgiltig zu ordnen." Nach
den Richter» und ihrer sanfte» Abkanzlung erschienen die Winzer, mit denen der
Bürger Leon sich in ihrer Mundart über die Reblaus und ähnliches unterhielt,
und nach dem Diner besuchte er das Lhceum, wo er seine Studien gemacht, und
wo ihm jetzt die im Hofe aufgestellten Zöglinge, die „Bürger der Zukunft,"
schwören mußten, die Republik zu lieben. Am nächste» Tage besah er sich die
Ausstellung, und am übernächste» fand ein Bankett statt, bei dem er eine seiner
großen Galareden hielt, in welcher er bemüht war, jeden Antagonismus zwischen
Grsvy und seiner eignen Person abzuleugnen, die Behauptung, er strebe nach
der Dictatur, als Unwahrheit zu bezeichnen und feierlich zu betheuern, daß die
Republik eine Bürgschaft der Ordnung und des Friedens sei.

Der Stern Gmnbettas stand sehr hoch, als er diese Rede hielt. Das leicht
erregbare Temperament der Franzosen hatte sich an den Vorgängen in Cahors förm¬
lich entzündet. Der Gefeierte strahlte von den Hoffnungen Frankreichs. Man konnte
in Wahrheit annehmen, daß er bald die Stellung einnehmen werde, als sich
plötzlich ein Rückschlag in einem Theile der öffentlichen Meinung kundgab. Die
Freunde hatten zu viel des Guten gethan, und die Folgen blieben nicht aus.
Auf den Rausch erfolgte eine gewisse Ernüchterung, bei der auch die Gegner zu
Worte kamen.

Gambetta war kaum von seinem Triumphzuge zurückgekehrt, als es hieß,
er werde im Senat mit seinem Listenserutinium ein Fiasco erleide». Die über¬
wiegende Mehrheit der Körperschaft zeigte sich der Vorlage feindlich gesinnt, von
den neun Mitgliedern der Commission, der sie zur Prüfung überwiesen worden,
erklärten sich nicht weniger als acht für deren Verwerfung, Waddington klagte
Gambetta ziemlich deutlich des Strebens nach der Dictatur an. Die oppor-
tnnistischen Blätter waren darüber anßer sich und drohten mit einer Revision
der Verfassung, womit Beseitigung des Senats gemeint war. Die „Republique
Franenise" ging so weit, zu erklären, falls der Bardvuxsche Nutrag durchfallen
sollte, „würde selbst eine brutale Reform der Verfassung gerechtfertigt sein, weil
eine Staatsgewalt, die (wie der Senat) nicht aus der allgemeinen Abstimmung
hervorgegangen sei, nicht die Schrulle haben dürfe, die Wirksamkeit der Volks¬
souveränität unmöglich zu machen." Im übrigen bemühten sich diese Blatter, den
Eindruck, den das Schauspiel in Cnhors in den nicht gambettistischen Kreisen
von Paris hervorgerufen, nach Möglichkeit zu verwischen. Nach dem ursprüng¬
lichen Plane des Regisseurs hatte dasselbe einen noch weit kräftigern Charakter
haben sollen. Gambetta wollte, so erfährt man aus guter Quelle, anfangs keines¬
wegs so zurückhaltend, bescheiden und friedfertig auftreten, als er, durch Nach¬
richten aus Paris gewarnt, in der ans den letzten Tag seines Aufenthaltes fallenden
Bankettrede getha». Er wollte vielmehr offen sein Wahlprogramm entwickeln
und Europa seine Politik im In- und Auslande vorlegen, wenn er zur Gewalt
gelangt wäre. Deshalb beobachtete er zuerst auch eine Haltung, als ob er schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/13>, abgerufen am 25.11.2024.