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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Tkizzen ans unserm heutigen Volksleben.

Welche ihre Unterthanen weder gegen Bedrückungen durch mächtige Nachbarn
"och gegen die Brandschatzungen mächtiger Räuberbanden zu schützen vermochte,
hatte zur natürlichen Folge, daß jeder Schntzbedürftige die äokönüio eines tüchtigen
Herrn nachsuchte; die stets deutlicher hervortretende ökonomische Ueberlegenheit
des Großgrundbesitzes über den isolirten Betrieb der kleinen Eigenthümer wirkte
in derselben Richtung, nud so blieb die Entwicklung der Feudalität in stetem
Aortgang.

So lagen die Dinge, als Karl der Große die Regierung des Frankenreichs
in seine starken Hände nahm.

(Fortsetzung folgt.)




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
von Fritz Anders.
2. Eine offene Frage.

ein alter guter Freund Rudolph Schaufuß -- Firma Schaufuß und
Walter -- ist, was man sozusagen pflegt, eine Seele von einem
Menschen. Er ist eine durch und durch ehrenhafte Natur, hat ein
lebhaftes Rechtsgefühl und würde es nicht übers Herz bringen, auch
nur ein Kind zu kränken, ja das ant allerwenigsten. Dazu genießt
er diejenige Hochachtung in der Bürgerschaft, welche der Besitz eines
großen Vermögens, einer liebenswürdigen Tochter und eines respectabeln Weinkellers
einzuflößen geeignet ist.

Mein alter Freund ist seines Berufs und Herkommens nach Kaufmann -- eine
merkwürdige Gattung von Menschen. Jede menschliche Größe setzt eine gewisse Ein¬
seitigkeit voraus; in ihr liegt eben die Möglichkeit eines Erfolges. Das ist traurig.
Aber die Einseitigkeit des Erwerbes, ein Leben, dessen Leitmotiv Verdienen "mit
dem großen V" ist, das ist ganz besonders traurig. Ich will nicht sagen, daß
diese Regel nicht anch Ausnahmen habe; mein Freund Schaufuß aber gehört leider
nicht zu den Ausnahmen. Er ist ein Kaufmann vom Kopf bis zum Fuße, immer
rührig, klug und voll Thatkraft, immer die Nehmehand bereit, immer von rücksichts¬
loser Energie. "Ich will" -- das ist. bei ihm wie ein Mauernbrecher, "ich will
nicht" ist wie der Schlag des Fallbeiles. Und seine Freunde rühmen gerade dies
an ihm als ganz besondre kaufmännische Tüchtigkeit. Sobald er aber die Schreib-
ärmcl ausgezogen hat, ist er ein liebenswürdiger Herr und schwacher Vater, wie
gesagt eine Seele von einem Menschen.

Ich habe ihn manchmal ans diesen innern Widerspruch aufmerksam gemacht
und gefragt, ob es denn nöthig sei, daß im Privatleben wohldenkcndc Leute sich


Tkizzen ans unserm heutigen Volksleben.

Welche ihre Unterthanen weder gegen Bedrückungen durch mächtige Nachbarn
»och gegen die Brandschatzungen mächtiger Räuberbanden zu schützen vermochte,
hatte zur natürlichen Folge, daß jeder Schntzbedürftige die äokönüio eines tüchtigen
Herrn nachsuchte; die stets deutlicher hervortretende ökonomische Ueberlegenheit
des Großgrundbesitzes über den isolirten Betrieb der kleinen Eigenthümer wirkte
in derselben Richtung, nud so blieb die Entwicklung der Feudalität in stetem
Aortgang.

So lagen die Dinge, als Karl der Große die Regierung des Frankenreichs
in seine starken Hände nahm.

(Fortsetzung folgt.)




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
von Fritz Anders.
2. Eine offene Frage.

ein alter guter Freund Rudolph Schaufuß — Firma Schaufuß und
Walter — ist, was man sozusagen pflegt, eine Seele von einem
Menschen. Er ist eine durch und durch ehrenhafte Natur, hat ein
lebhaftes Rechtsgefühl und würde es nicht übers Herz bringen, auch
nur ein Kind zu kränken, ja das ant allerwenigsten. Dazu genießt
er diejenige Hochachtung in der Bürgerschaft, welche der Besitz eines
großen Vermögens, einer liebenswürdigen Tochter und eines respectabeln Weinkellers
einzuflößen geeignet ist.

Mein alter Freund ist seines Berufs und Herkommens nach Kaufmann — eine
merkwürdige Gattung von Menschen. Jede menschliche Größe setzt eine gewisse Ein¬
seitigkeit voraus; in ihr liegt eben die Möglichkeit eines Erfolges. Das ist traurig.
Aber die Einseitigkeit des Erwerbes, ein Leben, dessen Leitmotiv Verdienen „mit
dem großen V" ist, das ist ganz besonders traurig. Ich will nicht sagen, daß
diese Regel nicht anch Ausnahmen habe; mein Freund Schaufuß aber gehört leider
nicht zu den Ausnahmen. Er ist ein Kaufmann vom Kopf bis zum Fuße, immer
rührig, klug und voll Thatkraft, immer die Nehmehand bereit, immer von rücksichts¬
loser Energie. „Ich will" — das ist. bei ihm wie ein Mauernbrecher, „ich will
nicht" ist wie der Schlag des Fallbeiles. Und seine Freunde rühmen gerade dies
an ihm als ganz besondre kaufmännische Tüchtigkeit. Sobald er aber die Schreib-
ärmcl ausgezogen hat, ist er ein liebenswürdiger Herr und schwacher Vater, wie
gesagt eine Seele von einem Menschen.

Ich habe ihn manchmal ans diesen innern Widerspruch aufmerksam gemacht
und gefragt, ob es denn nöthig sei, daß im Privatleben wohldenkcndc Leute sich


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[0116] Tkizzen ans unserm heutigen Volksleben. Welche ihre Unterthanen weder gegen Bedrückungen durch mächtige Nachbarn »och gegen die Brandschatzungen mächtiger Räuberbanden zu schützen vermochte, hatte zur natürlichen Folge, daß jeder Schntzbedürftige die äokönüio eines tüchtigen Herrn nachsuchte; die stets deutlicher hervortretende ökonomische Ueberlegenheit des Großgrundbesitzes über den isolirten Betrieb der kleinen Eigenthümer wirkte in derselben Richtung, nud so blieb die Entwicklung der Feudalität in stetem Aortgang. So lagen die Dinge, als Karl der Große die Regierung des Frankenreichs in seine starken Hände nahm. (Fortsetzung folgt.) Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. von Fritz Anders. 2. Eine offene Frage. ein alter guter Freund Rudolph Schaufuß — Firma Schaufuß und Walter — ist, was man sozusagen pflegt, eine Seele von einem Menschen. Er ist eine durch und durch ehrenhafte Natur, hat ein lebhaftes Rechtsgefühl und würde es nicht übers Herz bringen, auch nur ein Kind zu kränken, ja das ant allerwenigsten. Dazu genießt er diejenige Hochachtung in der Bürgerschaft, welche der Besitz eines großen Vermögens, einer liebenswürdigen Tochter und eines respectabeln Weinkellers einzuflößen geeignet ist. Mein alter Freund ist seines Berufs und Herkommens nach Kaufmann — eine merkwürdige Gattung von Menschen. Jede menschliche Größe setzt eine gewisse Ein¬ seitigkeit voraus; in ihr liegt eben die Möglichkeit eines Erfolges. Das ist traurig. Aber die Einseitigkeit des Erwerbes, ein Leben, dessen Leitmotiv Verdienen „mit dem großen V" ist, das ist ganz besonders traurig. Ich will nicht sagen, daß diese Regel nicht anch Ausnahmen habe; mein Freund Schaufuß aber gehört leider nicht zu den Ausnahmen. Er ist ein Kaufmann vom Kopf bis zum Fuße, immer rührig, klug und voll Thatkraft, immer die Nehmehand bereit, immer von rücksichts¬ loser Energie. „Ich will" — das ist. bei ihm wie ein Mauernbrecher, „ich will nicht" ist wie der Schlag des Fallbeiles. Und seine Freunde rühmen gerade dies an ihm als ganz besondre kaufmännische Tüchtigkeit. Sobald er aber die Schreib- ärmcl ausgezogen hat, ist er ein liebenswürdiger Herr und schwacher Vater, wie gesagt eine Seele von einem Menschen. Ich habe ihn manchmal ans diesen innern Widerspruch aufmerksam gemacht und gefragt, ob es denn nöthig sei, daß im Privatleben wohldenkcndc Leute sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/116>, abgerufen am 01.09.2024.