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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Leudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

fünfzehn Jahr. Dennoch beließ ihn Shagrius in der Stellung des Vaters, weil
die fränkischen Föderalen schwerlich einem andern Gehorsam geleistet hätten. Ums
Jahre später erhob sich der junge Fürst gegen den Syngrius, der sich damals
r"Zx Uoiu-morum nannte und schon durch diesen Titel zeigte, daß auch er ans
dem gesetzlichen Verbände des römischen Reiches herausgetreten war. Chlvdowech
siegte bei Soissons (486); aber er versäumte es nicht, die gewaltsam ergriffne
Herrschaft in den Augen der Gallorvmanen dadurch legalisiren zu lassen, daß
er von dem oströmischen Kaiser Anastasius die Würde eines Konsuls erbat und
erhielt. Dies Aufrechterhalten der antiken Tradition war dem Könige von Vortheil.
Die römischen Besatzungen ordneten sich ihm anscheinend freiwillig unter; diese
Truppen bewahrten ihre Organisation, fuhren fort, sich aus der galloromanischen
Bevölkerung zu ergänzen und fochten uuter ihren alten Feldzeichen. Chlvdowech
aber erfreute sich einer doppelten Stütze: derjenigen durch sein fränkisches Comitat
und derjenigen durch die römischen Cohorten, welche in ihm den Rechtsnachfolger
der kaiserlichen Statthalter erblickten. Nicht minder kam es den Franken zu
gute, daß Westgothen und Burgunden, welche jetzt dem Schwerte Chlodowechs
und seiner Söhne erlagen, schon seit langer Zeit, jene über sechzig, diese mehr
als vierzig Jahre, an der Aufgabe gearbeitet hatten, Römer und Germanen auf
gallischem Boden in einem Staate zu vereinigen. Erleichtert ward nun diese
Aufgabe dadurch, daß hier kein religiöser Gegensatz bestand; die gallischen Römer
waren katholische Christen, die Franken wurden es. Denn als Chlvdowech nach
seinein Siege über die Alemannen das römische Bekenntniß annahm, folgten eines
hierin die Mannen "in den Fußspuren des Herrn." Am wichtigsten war aber
doch der Umstand, daß die Franken mit dem deutschen Mutterboden in unmittel-
barem Zusammenhange blieben, ja diese alten Beziehungen durch Unterwerfung
der Alamannen, Baiern und Thüringe noch wesentlich steigerten. So blieb das
fränkische Wesen stark genug, dem galloromanischen ebenbürtig entgegenzutreten;
es wurde nicht von diesem aufgesogen, vielmehr kam es hier zur Verschmelzung.
Die Gauvvrstände, welche als äuos8 oder vomitss die Unterthanen regierten und
im Kriege führten, waren bald Franken, bald Germanen, und kaum ein Jahr¬
hundert nach Chlvdvwechs Tode bekunden die verschiedenen Stämme ans dem
Boden Galliens bereits ein gemeinsames fränkisches Nationalbewußtsein.

Die neue Stellung des fränkischen Königthums mußte natürlich auch großen
Einfluß haben auf die Entwicklung der Kriegsverfassung. Childerich war nur
ein kleiner Häuptling gewesen. Sein geringes Lauberde lag in der Gegend von
Tournay, und seine Volksgenossen lebten noch fast ganz in den Formen der
Urzeit. Bei den Oster-, Herbst- und Mittwinter-Opfern versammelten sie sich
um den priesterlichen Häuptling, und dabei fanden dann zugleich Hcermusternng
und Volksberathung statt. Die wichtigste dieser Versammlungen war die im
März, denn sie bezeichnete zugleich den Beginn der Kriegsjahreszeit; in ihr galt
^, die Zustimmung der Freien für den beabsichtigten Feldzug zu gewinnen,


Grenzboten III. 1831. I"
Die Entwicklung der Leudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

fünfzehn Jahr. Dennoch beließ ihn Shagrius in der Stellung des Vaters, weil
die fränkischen Föderalen schwerlich einem andern Gehorsam geleistet hätten. Ums
Jahre später erhob sich der junge Fürst gegen den Syngrius, der sich damals
r«Zx Uoiu-morum nannte und schon durch diesen Titel zeigte, daß auch er ans
dem gesetzlichen Verbände des römischen Reiches herausgetreten war. Chlvdowech
siegte bei Soissons (486); aber er versäumte es nicht, die gewaltsam ergriffne
Herrschaft in den Augen der Gallorvmanen dadurch legalisiren zu lassen, daß
er von dem oströmischen Kaiser Anastasius die Würde eines Konsuls erbat und
erhielt. Dies Aufrechterhalten der antiken Tradition war dem Könige von Vortheil.
Die römischen Besatzungen ordneten sich ihm anscheinend freiwillig unter; diese
Truppen bewahrten ihre Organisation, fuhren fort, sich aus der galloromanischen
Bevölkerung zu ergänzen und fochten uuter ihren alten Feldzeichen. Chlvdowech
aber erfreute sich einer doppelten Stütze: derjenigen durch sein fränkisches Comitat
und derjenigen durch die römischen Cohorten, welche in ihm den Rechtsnachfolger
der kaiserlichen Statthalter erblickten. Nicht minder kam es den Franken zu
gute, daß Westgothen und Burgunden, welche jetzt dem Schwerte Chlodowechs
und seiner Söhne erlagen, schon seit langer Zeit, jene über sechzig, diese mehr
als vierzig Jahre, an der Aufgabe gearbeitet hatten, Römer und Germanen auf
gallischem Boden in einem Staate zu vereinigen. Erleichtert ward nun diese
Aufgabe dadurch, daß hier kein religiöser Gegensatz bestand; die gallischen Römer
waren katholische Christen, die Franken wurden es. Denn als Chlvdowech nach
seinein Siege über die Alemannen das römische Bekenntniß annahm, folgten eines
hierin die Mannen „in den Fußspuren des Herrn." Am wichtigsten war aber
doch der Umstand, daß die Franken mit dem deutschen Mutterboden in unmittel-
barem Zusammenhange blieben, ja diese alten Beziehungen durch Unterwerfung
der Alamannen, Baiern und Thüringe noch wesentlich steigerten. So blieb das
fränkische Wesen stark genug, dem galloromanischen ebenbürtig entgegenzutreten;
es wurde nicht von diesem aufgesogen, vielmehr kam es hier zur Verschmelzung.
Die Gauvvrstände, welche als äuos8 oder vomitss die Unterthanen regierten und
im Kriege führten, waren bald Franken, bald Germanen, und kaum ein Jahr¬
hundert nach Chlvdvwechs Tode bekunden die verschiedenen Stämme ans dem
Boden Galliens bereits ein gemeinsames fränkisches Nationalbewußtsein.

Die neue Stellung des fränkischen Königthums mußte natürlich auch großen
Einfluß haben auf die Entwicklung der Kriegsverfassung. Childerich war nur
ein kleiner Häuptling gewesen. Sein geringes Lauberde lag in der Gegend von
Tournay, und seine Volksgenossen lebten noch fast ganz in den Formen der
Urzeit. Bei den Oster-, Herbst- und Mittwinter-Opfern versammelten sie sich
um den priesterlichen Häuptling, und dabei fanden dann zugleich Hcermusternng
und Volksberathung statt. Die wichtigste dieser Versammlungen war die im
März, denn sie bezeichnete zugleich den Beginn der Kriegsjahreszeit; in ihr galt
^, die Zustimmung der Freien für den beabsichtigten Feldzug zu gewinnen,


Grenzboten III. 1831. I»
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[0105] Die Entwicklung der Leudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. fünfzehn Jahr. Dennoch beließ ihn Shagrius in der Stellung des Vaters, weil die fränkischen Föderalen schwerlich einem andern Gehorsam geleistet hätten. Ums Jahre später erhob sich der junge Fürst gegen den Syngrius, der sich damals r«Zx Uoiu-morum nannte und schon durch diesen Titel zeigte, daß auch er ans dem gesetzlichen Verbände des römischen Reiches herausgetreten war. Chlvdowech siegte bei Soissons (486); aber er versäumte es nicht, die gewaltsam ergriffne Herrschaft in den Augen der Gallorvmanen dadurch legalisiren zu lassen, daß er von dem oströmischen Kaiser Anastasius die Würde eines Konsuls erbat und erhielt. Dies Aufrechterhalten der antiken Tradition war dem Könige von Vortheil. Die römischen Besatzungen ordneten sich ihm anscheinend freiwillig unter; diese Truppen bewahrten ihre Organisation, fuhren fort, sich aus der galloromanischen Bevölkerung zu ergänzen und fochten uuter ihren alten Feldzeichen. Chlvdowech aber erfreute sich einer doppelten Stütze: derjenigen durch sein fränkisches Comitat und derjenigen durch die römischen Cohorten, welche in ihm den Rechtsnachfolger der kaiserlichen Statthalter erblickten. Nicht minder kam es den Franken zu gute, daß Westgothen und Burgunden, welche jetzt dem Schwerte Chlodowechs und seiner Söhne erlagen, schon seit langer Zeit, jene über sechzig, diese mehr als vierzig Jahre, an der Aufgabe gearbeitet hatten, Römer und Germanen auf gallischem Boden in einem Staate zu vereinigen. Erleichtert ward nun diese Aufgabe dadurch, daß hier kein religiöser Gegensatz bestand; die gallischen Römer waren katholische Christen, die Franken wurden es. Denn als Chlvdowech nach seinein Siege über die Alemannen das römische Bekenntniß annahm, folgten eines hierin die Mannen „in den Fußspuren des Herrn." Am wichtigsten war aber doch der Umstand, daß die Franken mit dem deutschen Mutterboden in unmittel- barem Zusammenhange blieben, ja diese alten Beziehungen durch Unterwerfung der Alamannen, Baiern und Thüringe noch wesentlich steigerten. So blieb das fränkische Wesen stark genug, dem galloromanischen ebenbürtig entgegenzutreten; es wurde nicht von diesem aufgesogen, vielmehr kam es hier zur Verschmelzung. Die Gauvvrstände, welche als äuos8 oder vomitss die Unterthanen regierten und im Kriege führten, waren bald Franken, bald Germanen, und kaum ein Jahr¬ hundert nach Chlvdvwechs Tode bekunden die verschiedenen Stämme ans dem Boden Galliens bereits ein gemeinsames fränkisches Nationalbewußtsein. Die neue Stellung des fränkischen Königthums mußte natürlich auch großen Einfluß haben auf die Entwicklung der Kriegsverfassung. Childerich war nur ein kleiner Häuptling gewesen. Sein geringes Lauberde lag in der Gegend von Tournay, und seine Volksgenossen lebten noch fast ganz in den Formen der Urzeit. Bei den Oster-, Herbst- und Mittwinter-Opfern versammelten sie sich um den priesterlichen Häuptling, und dabei fanden dann zugleich Hcermusternng und Volksberathung statt. Die wichtigste dieser Versammlungen war die im März, denn sie bezeichnete zugleich den Beginn der Kriegsjahreszeit; in ihr galt ^, die Zustimmung der Freien für den beabsichtigten Feldzug zu gewinnen, Grenzboten III. 1831. I»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/105>, abgerufen am 19.12.2024.