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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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vom Torpedowesen.

Die nahe liegende Gefährdung eines Schiffes durch Beibringung eines Lecks
unter der Wasserlinie hat sicherlich schon in alter Zeit manche Taucher bewogen,
sich unter Gefahren reiche Belohnung zu gewinnen, und mit Ballisten übte man
bereits die Kunst, durch hohen Wurf schwerer Körper ein schwimmendes Fahr¬
zeug zu durchschlagen und zum Sinken zu bringen. Daß man auch mit der
Ausübung der Widdcrwirkung, mit dem Raumer, wie man es heute nennt, ver¬
traut war, läßt die Gestalt des Buges der alten Triremen erkennen, welche der
Form der vorragenden Schwanenbrust nachgebildet war, einer Form, zu deren
Annahme die Kriegsschiffe der Neuzeit erst nach zwei Jahrtausenden gelangten,
nachdem die Dampfkraft wieder bot, was früher deu Alten eine große Ruder¬
kraft gewährte.

Mit der Entstehung der Geschütze für den Gebrauch des Pulvers trat in
dieser Frage der maritimen Zerstörungsmittel eine wesentliche Wandlung ein.
Wohl gewährte das Pulver selbst ein Mittel zu ganz außerordentlicher Stei¬
gerung der Wirksamkeit der Brandmittel, indem es seine große Explosionskraft
hinzufügte, aber im Laufe der Jahrhunderte gewann doch die zuverlässigere Zer¬
störungskraft der Geschütze derart die Oberhand, daß alle jene frühern Zer¬
störungsmittel mit der Zeit immer mehr zurückblieben. Man traute eben doch
mehr dem kunstgemäßern Instrument, welches man im Geschütz zur Hand hatte.

Schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts jedoch begann man sich mit der
Idee zu beschäftigen, ob man nicht unter dem bergenden Schutz des Wasser¬
spiegels auf submarinen Wege im Staude sein könne, große zerstörende Wir¬
kungen auszuführen, und bei dem ersten Auftreten von Torpedos, im Anfange
dieses Jahrhunderts, war man sich wohl bewußt, welcher unheimlichen, dämo¬
nischen Gewalt damit die Hand gereicht wurde. Es ist nicht recht erklärlich,
wie eine Richtung, deren bedeutungsvolles Wesen so naheliegend war, im ganzen
so lau, ja abwehrend aufgenommen werden konnte. Wie mit innerlichem Wider¬
streben, mit ungewisser Scheu ging man um die Sache herum, und erst den
letzten Kriegsereignissen in Nordamerika war es vorbehalten, sie zu überraschender
Entfaltung zu bringen.

Die einmal geöffnete Bahn wurde nun um so eifriger betreten. Es zeigten
sich wesentliche Fortschritte, wichtige Neubildungen, und einige sensationelle Fälle
im letzten russisch-türkischen Kriege führten, wie es scheint, zu Borstellungen, denen
mau den Bvrwurf der Uebertreibung kaum vorenthalten darf. Denn so unzweifel¬
haft und intensiv diese submarinen Zerstörungsmittel für Defensivzwecke geeignet
sind, so trat man doch zu schnell von dem Boden der realen Grundbedingungen
der bestehenden Kriegsweise heraus, wenn man den Torpedos die Fähigkeit offen¬
siver Leistung in einem solchen Maße zusprach, daß ihnen ein völlig nage-


vom Torpedowesen.

Die nahe liegende Gefährdung eines Schiffes durch Beibringung eines Lecks
unter der Wasserlinie hat sicherlich schon in alter Zeit manche Taucher bewogen,
sich unter Gefahren reiche Belohnung zu gewinnen, und mit Ballisten übte man
bereits die Kunst, durch hohen Wurf schwerer Körper ein schwimmendes Fahr¬
zeug zu durchschlagen und zum Sinken zu bringen. Daß man auch mit der
Ausübung der Widdcrwirkung, mit dem Raumer, wie man es heute nennt, ver¬
traut war, läßt die Gestalt des Buges der alten Triremen erkennen, welche der
Form der vorragenden Schwanenbrust nachgebildet war, einer Form, zu deren
Annahme die Kriegsschiffe der Neuzeit erst nach zwei Jahrtausenden gelangten,
nachdem die Dampfkraft wieder bot, was früher deu Alten eine große Ruder¬
kraft gewährte.

Mit der Entstehung der Geschütze für den Gebrauch des Pulvers trat in
dieser Frage der maritimen Zerstörungsmittel eine wesentliche Wandlung ein.
Wohl gewährte das Pulver selbst ein Mittel zu ganz außerordentlicher Stei¬
gerung der Wirksamkeit der Brandmittel, indem es seine große Explosionskraft
hinzufügte, aber im Laufe der Jahrhunderte gewann doch die zuverlässigere Zer¬
störungskraft der Geschütze derart die Oberhand, daß alle jene frühern Zer¬
störungsmittel mit der Zeit immer mehr zurückblieben. Man traute eben doch
mehr dem kunstgemäßern Instrument, welches man im Geschütz zur Hand hatte.

Schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts jedoch begann man sich mit der
Idee zu beschäftigen, ob man nicht unter dem bergenden Schutz des Wasser¬
spiegels auf submarinen Wege im Staude sein könne, große zerstörende Wir¬
kungen auszuführen, und bei dem ersten Auftreten von Torpedos, im Anfange
dieses Jahrhunderts, war man sich wohl bewußt, welcher unheimlichen, dämo¬
nischen Gewalt damit die Hand gereicht wurde. Es ist nicht recht erklärlich,
wie eine Richtung, deren bedeutungsvolles Wesen so naheliegend war, im ganzen
so lau, ja abwehrend aufgenommen werden konnte. Wie mit innerlichem Wider¬
streben, mit ungewisser Scheu ging man um die Sache herum, und erst den
letzten Kriegsereignissen in Nordamerika war es vorbehalten, sie zu überraschender
Entfaltung zu bringen.

Die einmal geöffnete Bahn wurde nun um so eifriger betreten. Es zeigten
sich wesentliche Fortschritte, wichtige Neubildungen, und einige sensationelle Fälle
im letzten russisch-türkischen Kriege führten, wie es scheint, zu Borstellungen, denen
mau den Bvrwurf der Uebertreibung kaum vorenthalten darf. Denn so unzweifel¬
haft und intensiv diese submarinen Zerstörungsmittel für Defensivzwecke geeignet
sind, so trat man doch zu schnell von dem Boden der realen Grundbedingungen
der bestehenden Kriegsweise heraus, wenn man den Torpedos die Fähigkeit offen¬
siver Leistung in einem solchen Maße zusprach, daß ihnen ein völlig nage-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/9>, abgerufen am 01.07.2024.