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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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wohl gesinnt, von Rußland gilt dasselbe. Der frühere russische Consul Kumany
soll bisweilen seine eignen Wege gegangen sein und nicht immer den Interessen
des Fürsten gedient haben. Von dem jetzigen weiß man, daß seine Instructionen
ihm vorschreiben, den Fürsten zu unterstützen; denn in Petersburg ist mau mit
dessen Vorgehen gegen die radicale Rotte entschieden einverstanden. Endlich meint
es auch die Pforte mit dem Fürsten gut, und der Vertreter derselben in Sofia
ist ihm persönlich freundschaftlich zugethan. Er hält den Fürsten für die einzige
sichre Gewähr einer gerechten Behandlung der Muhamedaner in Bulgarien. Fran¬
zösische Blätter wollten wissen, die türkische Regierung habe kraft ihres Suzercinetäts-
rechts in energischem Tone Aufklärung über die Absichten des Fürsten mit Bezug
auf die von demselben erlassne Proclamation gefordert. Dies ist nicht richtig.
Die Pforte hat nichts gethan, als ihren Vertreter beauftragt, über die Ursachen
und Tragweite der Action des Fürsten genau zu berichten. Im entscheidenden
Augenblicke wird dem Fürsten der Beistand der Pforte nicht fehlen, und dieß kaun
insofern wichtig werden, als Nihad Pascha, deren Vertreter, auf die bulgarischen
Muslime großen Einfluß übt, der bei den Wahlen sowie in der Nationalversammlung
nicht unterschätzt werden darf.

Siege der Fürst, was kaum noch zu bezweifeln ist, so wird die ganze innere
Politik Bulgariens eine andre Gestalt gewinnen müssen, wenn die Zukunft besser
werden soll als die Gegenwart. Die widerliche Streberei, das Parteigezänk, die
Ränke nach Ostrnmelien hin, das leere Salbadern der constitutionellen Doetrinäre
müssen ein Ende nehmen. Man muß darauf bedacht sein, die Hilfsquellen des
Landes zu erschließen oder besser als bisher auszubeuten. Bulgarien ist reich an
gutem Boden und Mineralschätzen. Der Donauhafen Sistowa führt jährlich für
sechs Millionen Mark Cerealien ans, Rustschuk nicht viel weniger, und Varna wird
in kurzer Zeit desgleichen thun. In den Dörfern der Thäler und Ebenen sieht
man Massen von Heu- und Getreideschobern, gutgekleidete Menschen und wohl¬
gefüttertes Vieh. Der Balkan hat herrliche Wälder und in seinein Innern Kohlen,
Eisen, Kupfer, Blei und Silber in großer Fülle. Das Land ist also von der Natur
außerordentlich begünstigt und kann unter einer guten Regierung und mit einer
fleißigen Bevölkerung einst ein östliches Belgien werden. Zunächst bedarf es dazu
guter Landstraßen und wohlfeiler Eisenbahnen, wie man sie jetzt im Westen der
Vereinigten Staaten hat. Wenn dieses System in Bulgarien adoptirt würde, würde
sich die Bedeutuug seiner natürlichen Reichthümer verdreifachen und bald noch weit
mehr steigern. Jetzt sieht es nach dieser Seite hin dürftig aus, und der Handels¬
verkehr ist infolge dessen in vielen Gegenden nur ein mäßiger. Aber Rom wurde
nicht an einem Tage erbaut, und Bulgarien ist noch jung. Mit der Zeit wird
Erfahrung kommen, und Klugheit verbunden mit Thatkraft wird dann viel erreichen.
Die Regierung wird hier in der Periode, wo die Parlamentarischen Schwätzer sie
nicht hemmen und stören und nicht die Zeit zu Besserin stehlen können, durch An¬
regung und Förderung viel thun können. In besonders bedeutendem Maße aber


wohl gesinnt, von Rußland gilt dasselbe. Der frühere russische Consul Kumany
soll bisweilen seine eignen Wege gegangen sein und nicht immer den Interessen
des Fürsten gedient haben. Von dem jetzigen weiß man, daß seine Instructionen
ihm vorschreiben, den Fürsten zu unterstützen; denn in Petersburg ist mau mit
dessen Vorgehen gegen die radicale Rotte entschieden einverstanden. Endlich meint
es auch die Pforte mit dem Fürsten gut, und der Vertreter derselben in Sofia
ist ihm persönlich freundschaftlich zugethan. Er hält den Fürsten für die einzige
sichre Gewähr einer gerechten Behandlung der Muhamedaner in Bulgarien. Fran¬
zösische Blätter wollten wissen, die türkische Regierung habe kraft ihres Suzercinetäts-
rechts in energischem Tone Aufklärung über die Absichten des Fürsten mit Bezug
auf die von demselben erlassne Proclamation gefordert. Dies ist nicht richtig.
Die Pforte hat nichts gethan, als ihren Vertreter beauftragt, über die Ursachen
und Tragweite der Action des Fürsten genau zu berichten. Im entscheidenden
Augenblicke wird dem Fürsten der Beistand der Pforte nicht fehlen, und dieß kaun
insofern wichtig werden, als Nihad Pascha, deren Vertreter, auf die bulgarischen
Muslime großen Einfluß übt, der bei den Wahlen sowie in der Nationalversammlung
nicht unterschätzt werden darf.

Siege der Fürst, was kaum noch zu bezweifeln ist, so wird die ganze innere
Politik Bulgariens eine andre Gestalt gewinnen müssen, wenn die Zukunft besser
werden soll als die Gegenwart. Die widerliche Streberei, das Parteigezänk, die
Ränke nach Ostrnmelien hin, das leere Salbadern der constitutionellen Doetrinäre
müssen ein Ende nehmen. Man muß darauf bedacht sein, die Hilfsquellen des
Landes zu erschließen oder besser als bisher auszubeuten. Bulgarien ist reich an
gutem Boden und Mineralschätzen. Der Donauhafen Sistowa führt jährlich für
sechs Millionen Mark Cerealien ans, Rustschuk nicht viel weniger, und Varna wird
in kurzer Zeit desgleichen thun. In den Dörfern der Thäler und Ebenen sieht
man Massen von Heu- und Getreideschobern, gutgekleidete Menschen und wohl¬
gefüttertes Vieh. Der Balkan hat herrliche Wälder und in seinein Innern Kohlen,
Eisen, Kupfer, Blei und Silber in großer Fülle. Das Land ist also von der Natur
außerordentlich begünstigt und kann unter einer guten Regierung und mit einer
fleißigen Bevölkerung einst ein östliches Belgien werden. Zunächst bedarf es dazu
guter Landstraßen und wohlfeiler Eisenbahnen, wie man sie jetzt im Westen der
Vereinigten Staaten hat. Wenn dieses System in Bulgarien adoptirt würde, würde
sich die Bedeutuug seiner natürlichen Reichthümer verdreifachen und bald noch weit
mehr steigern. Jetzt sieht es nach dieser Seite hin dürftig aus, und der Handels¬
verkehr ist infolge dessen in vielen Gegenden nur ein mäßiger. Aber Rom wurde
nicht an einem Tage erbaut, und Bulgarien ist noch jung. Mit der Zeit wird
Erfahrung kommen, und Klugheit verbunden mit Thatkraft wird dann viel erreichen.
Die Regierung wird hier in der Periode, wo die Parlamentarischen Schwätzer sie
nicht hemmen und stören und nicht die Zeit zu Besserin stehlen können, durch An¬
regung und Förderung viel thun können. In besonders bedeutendem Maße aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/539>, abgerufen am 23.07.2024.