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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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LcmchstÄdt.

Von dem Lauchstädter Quell insbesondre räumt er ehrlich ein, daß er zwar
ein sogenannter Sauerbrunnen sei, aber "in seiner Stärke einem solchen nicht
beykomme, sondern gleichsam als ein Kofent oder Nachbier gegen ein rechtes oder
Doppel-Vier müsse angesehen werden," Indeß spende er jedenfalls ein der Ge¬
sundheit zuträgliches Wasser. "Zum wenigsten haben ihn die Bettler, Lahmen
und Krüpcl nicht erfunden noch bekandt und also auch nicht verdächtig gemacht,
als welche durch ihr Geschrey die Leuthe an Bade-Oertern gleichsam zusammen
trommeln, damit sie ihre Betteley und Schclmerey als auf einen Jahrmarck
dabey treiben können, und durch ihre Verstellungen mit Wegwerffnng derer Krieken
n. d. g. von einem Wasser des Wesens zu viel machen." Dergleichen Unfug
komme ja gewöhnlich bald um den Tag. Er habe es selbst erlebt, daß "solche
Galgen-Vögel bey neuerfundenen vermeinte" Wunder-Bädern hübsche Leute ver¬
mocht haben, daß man ihnen ihre Krieken solcher Orten zum Wahrzeichen heilig
auffgchäuget hat, ja wohl noch hängen, da doch kein Mensch und keine Seele
mehr dahin kommen will, und der gantze Jahrmarck aufs einmahl auffgchvben ist."

Höchst verständig sind die Rathschläge, die Henckel über die Benutzung des
Lanchstädter Wassers und über Trink- und Badeenre" überhaupt giebt. Wegen
seines notorisch geringen mineralischen Gehaltes war es Mode geworden, bei der
Trinteur das Lanchstädter Wasser sich in großen Massen in den Leib zu filtriren
und daun in bestimmten Zwischenräumen, nach Verlauf etwa von je acht Tagen,
ein Abführmittel zu nehmen. Henckel will von dein Trinken überhaupt nicht
viel wissen, vor allem aber hält er es für bedenklich, "den Leib, der doch nicht
ein blosser mechanischer Schlauch ist, nur immer mit purgiren und purgiren zu
martern," und zieht den äußerlichen Gebrauch des Wassers "wegen mehrer Sicher¬
heit und Nutzung" vor. Aber auch dabei räth er zur Vorsicht. Aufs entschiedenste
verwahrt er sich vor der Annahme, als wolle er sein Büchlein "als ein Recept
nilsgeben, nach welchem sich nun ein jeder Raths erholen und ohne weiter zu
fragen immer in GOttes Nahmen baden solle; am allerwenigsten seine Pillen,
Pulver und Tropffen nur auzurühmen nud damit die Patienten nach Lanchstädt
hin zu schicken;" überhaupt wolle er die Kranken "nicht von Hanß ans, nicht
aus Schubsack-Apotyeckeu, wie insgemein geschiehet, vuriret wissen," sondern an
tüchtige Aerzte gewiesen haben. Freilich gebe es Leute genug, die nie einen Arzt
nöthig zu haben vermeinten. "Diese machen sich entweder selbst was aus alten
Recepten, teutschen Artzney-Biichern und geheimen Handschrifften zusammen, und
ruffen es auch gegen andere als grosse Wunder-Wcrcke aus; oder lassen anch
was nach ihrem Gutdünckel ans der Apvthecken als aus einem Würtz-Krähen
zu einer Suppe holen; oder, wenn sie auch einen Einfall zum Dockter und gegen
ihm etwas mehrers um Vertrauen haben, so sehen sie ihn doch auch nnr als


LcmchstÄdt.

Von dem Lauchstädter Quell insbesondre räumt er ehrlich ein, daß er zwar
ein sogenannter Sauerbrunnen sei, aber „in seiner Stärke einem solchen nicht
beykomme, sondern gleichsam als ein Kofent oder Nachbier gegen ein rechtes oder
Doppel-Vier müsse angesehen werden," Indeß spende er jedenfalls ein der Ge¬
sundheit zuträgliches Wasser. „Zum wenigsten haben ihn die Bettler, Lahmen
und Krüpcl nicht erfunden noch bekandt und also auch nicht verdächtig gemacht,
als welche durch ihr Geschrey die Leuthe an Bade-Oertern gleichsam zusammen
trommeln, damit sie ihre Betteley und Schclmerey als auf einen Jahrmarck
dabey treiben können, und durch ihre Verstellungen mit Wegwerffnng derer Krieken
n. d. g. von einem Wasser des Wesens zu viel machen." Dergleichen Unfug
komme ja gewöhnlich bald um den Tag. Er habe es selbst erlebt, daß „solche
Galgen-Vögel bey neuerfundenen vermeinte» Wunder-Bädern hübsche Leute ver¬
mocht haben, daß man ihnen ihre Krieken solcher Orten zum Wahrzeichen heilig
auffgchäuget hat, ja wohl noch hängen, da doch kein Mensch und keine Seele
mehr dahin kommen will, und der gantze Jahrmarck aufs einmahl auffgchvben ist."

Höchst verständig sind die Rathschläge, die Henckel über die Benutzung des
Lanchstädter Wassers und über Trink- und Badeenre» überhaupt giebt. Wegen
seines notorisch geringen mineralischen Gehaltes war es Mode geworden, bei der
Trinteur das Lanchstädter Wasser sich in großen Massen in den Leib zu filtriren
und daun in bestimmten Zwischenräumen, nach Verlauf etwa von je acht Tagen,
ein Abführmittel zu nehmen. Henckel will von dein Trinken überhaupt nicht
viel wissen, vor allem aber hält er es für bedenklich, „den Leib, der doch nicht
ein blosser mechanischer Schlauch ist, nur immer mit purgiren und purgiren zu
martern," und zieht den äußerlichen Gebrauch des Wassers „wegen mehrer Sicher¬
heit und Nutzung" vor. Aber auch dabei räth er zur Vorsicht. Aufs entschiedenste
verwahrt er sich vor der Annahme, als wolle er sein Büchlein „als ein Recept
nilsgeben, nach welchem sich nun ein jeder Raths erholen und ohne weiter zu
fragen immer in GOttes Nahmen baden solle; am allerwenigsten seine Pillen,
Pulver und Tropffen nur auzurühmen nud damit die Patienten nach Lanchstädt
hin zu schicken;" überhaupt wolle er die Kranken „nicht von Hanß ans, nicht
aus Schubsack-Apotyeckeu, wie insgemein geschiehet, vuriret wissen," sondern an
tüchtige Aerzte gewiesen haben. Freilich gebe es Leute genug, die nie einen Arzt
nöthig zu haben vermeinten. „Diese machen sich entweder selbst was aus alten
Recepten, teutschen Artzney-Biichern und geheimen Handschrifften zusammen, und
ruffen es auch gegen andere als grosse Wunder-Wcrcke aus; oder lassen anch
was nach ihrem Gutdünckel ans der Apvthecken als aus einem Würtz-Krähen
zu einer Suppe holen; oder, wenn sie auch einen Einfall zum Dockter und gegen
ihm etwas mehrers um Vertrauen haben, so sehen sie ihn doch auch nnr als


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[0498] LcmchstÄdt. Von dem Lauchstädter Quell insbesondre räumt er ehrlich ein, daß er zwar ein sogenannter Sauerbrunnen sei, aber „in seiner Stärke einem solchen nicht beykomme, sondern gleichsam als ein Kofent oder Nachbier gegen ein rechtes oder Doppel-Vier müsse angesehen werden," Indeß spende er jedenfalls ein der Ge¬ sundheit zuträgliches Wasser. „Zum wenigsten haben ihn die Bettler, Lahmen und Krüpcl nicht erfunden noch bekandt und also auch nicht verdächtig gemacht, als welche durch ihr Geschrey die Leuthe an Bade-Oertern gleichsam zusammen trommeln, damit sie ihre Betteley und Schclmerey als auf einen Jahrmarck dabey treiben können, und durch ihre Verstellungen mit Wegwerffnng derer Krieken n. d. g. von einem Wasser des Wesens zu viel machen." Dergleichen Unfug komme ja gewöhnlich bald um den Tag. Er habe es selbst erlebt, daß „solche Galgen-Vögel bey neuerfundenen vermeinte» Wunder-Bädern hübsche Leute ver¬ mocht haben, daß man ihnen ihre Krieken solcher Orten zum Wahrzeichen heilig auffgchäuget hat, ja wohl noch hängen, da doch kein Mensch und keine Seele mehr dahin kommen will, und der gantze Jahrmarck aufs einmahl auffgchvben ist." Höchst verständig sind die Rathschläge, die Henckel über die Benutzung des Lanchstädter Wassers und über Trink- und Badeenre» überhaupt giebt. Wegen seines notorisch geringen mineralischen Gehaltes war es Mode geworden, bei der Trinteur das Lanchstädter Wasser sich in großen Massen in den Leib zu filtriren und daun in bestimmten Zwischenräumen, nach Verlauf etwa von je acht Tagen, ein Abführmittel zu nehmen. Henckel will von dein Trinken überhaupt nicht viel wissen, vor allem aber hält er es für bedenklich, „den Leib, der doch nicht ein blosser mechanischer Schlauch ist, nur immer mit purgiren und purgiren zu martern," und zieht den äußerlichen Gebrauch des Wassers „wegen mehrer Sicher¬ heit und Nutzung" vor. Aber auch dabei räth er zur Vorsicht. Aufs entschiedenste verwahrt er sich vor der Annahme, als wolle er sein Büchlein „als ein Recept nilsgeben, nach welchem sich nun ein jeder Raths erholen und ohne weiter zu fragen immer in GOttes Nahmen baden solle; am allerwenigsten seine Pillen, Pulver und Tropffen nur auzurühmen nud damit die Patienten nach Lanchstädt hin zu schicken;" überhaupt wolle er die Kranken „nicht von Hanß ans, nicht aus Schubsack-Apotyeckeu, wie insgemein geschiehet, vuriret wissen," sondern an tüchtige Aerzte gewiesen haben. Freilich gebe es Leute genug, die nie einen Arzt nöthig zu haben vermeinten. „Diese machen sich entweder selbst was aus alten Recepten, teutschen Artzney-Biichern und geheimen Handschrifften zusammen, und ruffen es auch gegen andere als grosse Wunder-Wcrcke aus; oder lassen anch was nach ihrem Gutdünckel ans der Apvthecken als aus einem Würtz-Krähen zu einer Suppe holen; oder, wenn sie auch einen Einfall zum Dockter und gegen ihm etwas mehrers um Vertrauen haben, so sehen sie ihn doch auch nnr als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/498>, abgerufen am 23.07.2024.