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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Währungsfrage in England.

bezeichnen, die Alternativwährung. Dann hat man einen andern Plan aus-
gedacht, das bimetallische System genannt, und die bimetallistischc Doctrin ist
von einer Reihe geschätzter Männer gepredigt worden. Es ist bemerkt worden,
daß dieser Vorschlag ganz frei von den Unannehmlichkeiten der Doppelwährung
ist." (S. Times vom 18. Juni 1879.) Und Bvuamy Price, Professor der
politischen Oekonomie zu Oxford, dessen Werk über "Geld- und Bankwesen" mich
ins Deutsche übertragen worden ist, also auch ein Fachmann, weiß so wenig von
den Folgen des Vimctallismus, daß er noch vor kurzem in einem Aufsatze nieder¬
schrieb: "Wird es möglich sein, in einem Lande die Relation von 1:15'/z auf¬
recht zu erhalten, wenn sie daneben auf dem Markte 1:31 ist?"

Die deutschen Anhänger des Monometallismus haben also wenig Grund,
auf die Beistimmung der "praktischen" Engländer stolz zu sein. Bis vor kurzem
fiel deren Urtheil allerdings fast einstimmig für den Monometallismus aus, aber
es war, wie außer den obigen Beispielen noch viele andre zeigen, das Urtheil
der schlecht unterrichteten Engländer. Wie das Urtheil der besser unterrichteten
ausfallen wird, läßt sich schon jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussagen.
Nach der Pariser Münzconferenz von 1878 ist nämlich die Discussion über die
Währungsfrage in England in lebhaftem Fluß gekommen, und seitdem haben sich
eine Reihe der gewichtigste" Stimmen für den Bimetallismus erhoben. Was
aber besonders zu neuen Erörterungen und Untersuchungen anregte, waren die
betrübenden Erfahrungen mit dem indischen Reiche.

Indiens Finanzlage ist schon seit langer Zeit eine sehr prekäre; mau hat
immer und immer wieder zu dem verhängnißvollen Mittel greifen müssen, ordent¬
liche Ausgaben durch Anleihen zu decken; man hat vom Schnldenmnchen leben
müssen, da das Deficit durch Steuererhöhung nicht auszugleichen war. Die
tödtlichste Gefahr für Indien und für die indischen Finanzen ist aber die Silbcr-
entwerthnng. Die indische Regierung hat jährlich an England 17 Millionen Pfund
zu zahlen, wofür bei dem frühern normalen Curse 17V Millionen Rupien von
den Bewohnern des großen Kolonialreiches beizutreiben waren. Durch das Sinken
des Silberpreises und damit des Goldwerthes der Rupie ist diese Summe auf
cirea 195 Millionen angeschwollen, also um jährlich 25 Millionen Rupien an¬
gewachsen. Das macht sür sechs Jahre ein unwiederbringlich Verlornes Capital
von 150 Millionen Rupien (circa 300 Millionen Mary. Was das zu bedeuten
hat für eine Regierung, die schon lange aus der Finanzklemme nicht hcranv-
gekommen war, vielleicht am Rande des Bankrotts stand, bedarf keiner wcücrn
Ausführung, und die indische Regierung sieht auch die Lage Indiens und seine
Zukunft als eine sehr düstere an. Im ^inMvml Ltlitomsut für 1876 heißt co.
"Von welchem Gesichtspunkte immer man die Gefahr der Silbcrentwcrthnng


Die Währungsfrage in England.

bezeichnen, die Alternativwährung. Dann hat man einen andern Plan aus-
gedacht, das bimetallische System genannt, und die bimetallistischc Doctrin ist
von einer Reihe geschätzter Männer gepredigt worden. Es ist bemerkt worden,
daß dieser Vorschlag ganz frei von den Unannehmlichkeiten der Doppelwährung
ist." (S. Times vom 18. Juni 1879.) Und Bvuamy Price, Professor der
politischen Oekonomie zu Oxford, dessen Werk über „Geld- und Bankwesen" mich
ins Deutsche übertragen worden ist, also auch ein Fachmann, weiß so wenig von
den Folgen des Vimctallismus, daß er noch vor kurzem in einem Aufsatze nieder¬
schrieb: „Wird es möglich sein, in einem Lande die Relation von 1:15'/z auf¬
recht zu erhalten, wenn sie daneben auf dem Markte 1:31 ist?"

Die deutschen Anhänger des Monometallismus haben also wenig Grund,
auf die Beistimmung der „praktischen" Engländer stolz zu sein. Bis vor kurzem
fiel deren Urtheil allerdings fast einstimmig für den Monometallismus aus, aber
es war, wie außer den obigen Beispielen noch viele andre zeigen, das Urtheil
der schlecht unterrichteten Engländer. Wie das Urtheil der besser unterrichteten
ausfallen wird, läßt sich schon jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussagen.
Nach der Pariser Münzconferenz von 1878 ist nämlich die Discussion über die
Währungsfrage in England in lebhaftem Fluß gekommen, und seitdem haben sich
eine Reihe der gewichtigste» Stimmen für den Bimetallismus erhoben. Was
aber besonders zu neuen Erörterungen und Untersuchungen anregte, waren die
betrübenden Erfahrungen mit dem indischen Reiche.

Indiens Finanzlage ist schon seit langer Zeit eine sehr prekäre; mau hat
immer und immer wieder zu dem verhängnißvollen Mittel greifen müssen, ordent¬
liche Ausgaben durch Anleihen zu decken; man hat vom Schnldenmnchen leben
müssen, da das Deficit durch Steuererhöhung nicht auszugleichen war. Die
tödtlichste Gefahr für Indien und für die indischen Finanzen ist aber die Silbcr-
entwerthnng. Die indische Regierung hat jährlich an England 17 Millionen Pfund
zu zahlen, wofür bei dem frühern normalen Curse 17V Millionen Rupien von
den Bewohnern des großen Kolonialreiches beizutreiben waren. Durch das Sinken
des Silberpreises und damit des Goldwerthes der Rupie ist diese Summe auf
cirea 195 Millionen angeschwollen, also um jährlich 25 Millionen Rupien an¬
gewachsen. Das macht sür sechs Jahre ein unwiederbringlich Verlornes Capital
von 150 Millionen Rupien (circa 300 Millionen Mary. Was das zu bedeuten
hat für eine Regierung, die schon lange aus der Finanzklemme nicht hcranv-
gekommen war, vielleicht am Rande des Bankrotts stand, bedarf keiner wcücrn
Ausführung, und die indische Regierung sieht auch die Lage Indiens und seine
Zukunft als eine sehr düstere an. Im ^inMvml Ltlitomsut für 1876 heißt co.
„Von welchem Gesichtspunkte immer man die Gefahr der Silbcrentwcrthnng


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/478>, abgerufen am 23.07.2024.