Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrichs des Großen erster Wassergang.

Habsburg erst vor nicht langer Zeit und mit soviel Gewalt den Katholicismus
wieder aufgerichtet hatte.

Erst als die Baiern in Oberösterreich einrückten und die Franzosen den
Rhein überschritten, ohne daß man ihnen ein Heer entgegenstellen konnte -- die
berühmte Versöhnung mit Ungarn und die Bewilligung eines ungarischen Auf¬
gebotes war noch nicht erfolgt --, erklärte sich Maria Theresia, um Neippergs
Truppen den Baiern entgegenstellen zu können, zur Bewilligung Nicderschlesiens
mit Breslau an Friedrich bereit, "weil kein andres Mittel zu helfen, aber wohl
und meinem größten Herzeleid."

Der Wendepunkt des Krieges schien damit gekommen. Allerdings war der
in Wien ausschlaggebende Gedanke, den besonders der englische Gesandte am
dortigen Hofe, Sir Robinson, nicht müde ward zu betreiben, den König Friedrich
zur Stellung eines Hilfscorps als Gegenleistung für Oesterreich zu verpflichten,
für letztern nach seinem Abschluß mit Frankreich nicht mehr annehmbar; als
ihm die österreichischen Propositionen durch einen Courier des englischen Speeial-
gesandten bei ihm, Lord Hyndford, gerade in dem Moment überbracht wurden,
als er schon zu Pferde sitzend und dem französischen Gesandten Valori ausreiten
wollte, reichte er sie einfach diesem zum Lesen hin und antwortete auch an Lord
Hyndford völlig ablehnend. Aber das Vorgehen Frankreichs, das alle Besorg¬
nisse des treuen Podewils, es werde die Allianz Preußens egoistisch uur für
seine, das Gleichgewicht auf dem Continent umstürzenden Pläne ausbeuten, zu
rechtfertigen schien, war nicht geeignet, einen so selbstbewußten und ehrgeizigen
Herrscher wie Friedrich lange ans dem Standpunkte ritterlicher Vertragstreue fest¬
zuhalten. Er meinte in seinem Geiste doch noch die Mittel zu finden, einen selb¬
ständigen und nur die Interessen seines Staates berücksichtigenden Weg inmitten
dieser nun allmählich ganz Europa umfassenden Verwicklung einschlagen zu können.
Es scheint wohl, als wäre es ihm ganz recht gewesen, mit Frankreich rücksichtslos
militärisch vorgehend ganz Europa in Brand zu setzen, in der Berechnung, sich
den ihn: gebührenden Vortheil dabei schon rechtzeitig zu wahren -- man er¬
innere sich, daß er noch in jugendlichem Alter stand --; aber da die französische
Politik, von dieser Kühnheit weit entfernt, sich rücksichtslos egoistisch zeigte, so war
er bedeutend genug, einen ähnlich rücksichtslosen Entschluß zu fassen. Gerade in
diesem interessanten Momente, unmittelbar vor dem Vertrage von Kleinschnellen-
dvrf, bricht der vorliegende erste Band ab. Da der zweite noch im Laufe des
Sommers erscheinen soll, können wir uns die Schlnßbetrachtnng bis dahin aufsparen.


H. Markgraf.


Grmzbotni II. 188l.
Friedrichs des Großen erster Wassergang.

Habsburg erst vor nicht langer Zeit und mit soviel Gewalt den Katholicismus
wieder aufgerichtet hatte.

Erst als die Baiern in Oberösterreich einrückten und die Franzosen den
Rhein überschritten, ohne daß man ihnen ein Heer entgegenstellen konnte — die
berühmte Versöhnung mit Ungarn und die Bewilligung eines ungarischen Auf¬
gebotes war noch nicht erfolgt —, erklärte sich Maria Theresia, um Neippergs
Truppen den Baiern entgegenstellen zu können, zur Bewilligung Nicderschlesiens
mit Breslau an Friedrich bereit, „weil kein andres Mittel zu helfen, aber wohl
und meinem größten Herzeleid."

Der Wendepunkt des Krieges schien damit gekommen. Allerdings war der
in Wien ausschlaggebende Gedanke, den besonders der englische Gesandte am
dortigen Hofe, Sir Robinson, nicht müde ward zu betreiben, den König Friedrich
zur Stellung eines Hilfscorps als Gegenleistung für Oesterreich zu verpflichten,
für letztern nach seinem Abschluß mit Frankreich nicht mehr annehmbar; als
ihm die österreichischen Propositionen durch einen Courier des englischen Speeial-
gesandten bei ihm, Lord Hyndford, gerade in dem Moment überbracht wurden,
als er schon zu Pferde sitzend und dem französischen Gesandten Valori ausreiten
wollte, reichte er sie einfach diesem zum Lesen hin und antwortete auch an Lord
Hyndford völlig ablehnend. Aber das Vorgehen Frankreichs, das alle Besorg¬
nisse des treuen Podewils, es werde die Allianz Preußens egoistisch uur für
seine, das Gleichgewicht auf dem Continent umstürzenden Pläne ausbeuten, zu
rechtfertigen schien, war nicht geeignet, einen so selbstbewußten und ehrgeizigen
Herrscher wie Friedrich lange ans dem Standpunkte ritterlicher Vertragstreue fest¬
zuhalten. Er meinte in seinem Geiste doch noch die Mittel zu finden, einen selb¬
ständigen und nur die Interessen seines Staates berücksichtigenden Weg inmitten
dieser nun allmählich ganz Europa umfassenden Verwicklung einschlagen zu können.
Es scheint wohl, als wäre es ihm ganz recht gewesen, mit Frankreich rücksichtslos
militärisch vorgehend ganz Europa in Brand zu setzen, in der Berechnung, sich
den ihn: gebührenden Vortheil dabei schon rechtzeitig zu wahren — man er¬
innere sich, daß er noch in jugendlichem Alter stand —; aber da die französische
Politik, von dieser Kühnheit weit entfernt, sich rücksichtslos egoistisch zeigte, so war
er bedeutend genug, einen ähnlich rücksichtslosen Entschluß zu fassen. Gerade in
diesem interessanten Momente, unmittelbar vor dem Vertrage von Kleinschnellen-
dvrf, bricht der vorliegende erste Band ab. Da der zweite noch im Laufe des
Sommers erscheinen soll, können wir uns die Schlnßbetrachtnng bis dahin aufsparen.


H. Markgraf.


Grmzbotni II. 188l.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150017"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrichs des Großen erster Wassergang.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1474" prev="#ID_1473"> Habsburg erst vor nicht langer Zeit und mit soviel Gewalt den Katholicismus<lb/>
wieder aufgerichtet hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1475"> Erst als die Baiern in Oberösterreich einrückten und die Franzosen den<lb/>
Rhein überschritten, ohne daß man ihnen ein Heer entgegenstellen konnte &#x2014; die<lb/>
berühmte Versöhnung mit Ungarn und die Bewilligung eines ungarischen Auf¬<lb/>
gebotes war noch nicht erfolgt &#x2014;, erklärte sich Maria Theresia, um Neippergs<lb/>
Truppen den Baiern entgegenstellen zu können, zur Bewilligung Nicderschlesiens<lb/>
mit Breslau an Friedrich bereit, &#x201E;weil kein andres Mittel zu helfen, aber wohl<lb/>
und meinem größten Herzeleid."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1476"> Der Wendepunkt des Krieges schien damit gekommen. Allerdings war der<lb/>
in Wien ausschlaggebende Gedanke, den besonders der englische Gesandte am<lb/>
dortigen Hofe, Sir Robinson, nicht müde ward zu betreiben, den König Friedrich<lb/>
zur Stellung eines Hilfscorps als Gegenleistung für Oesterreich zu verpflichten,<lb/>
für letztern nach seinem Abschluß mit Frankreich nicht mehr annehmbar; als<lb/>
ihm die österreichischen Propositionen durch einen Courier des englischen Speeial-<lb/>
gesandten bei ihm, Lord Hyndford, gerade in dem Moment überbracht wurden,<lb/>
als er schon zu Pferde sitzend und dem französischen Gesandten Valori ausreiten<lb/>
wollte, reichte er sie einfach diesem zum Lesen hin und antwortete auch an Lord<lb/>
Hyndford völlig ablehnend. Aber das Vorgehen Frankreichs, das alle Besorg¬<lb/>
nisse des treuen Podewils, es werde die Allianz Preußens egoistisch uur für<lb/>
seine, das Gleichgewicht auf dem Continent umstürzenden Pläne ausbeuten, zu<lb/>
rechtfertigen schien, war nicht geeignet, einen so selbstbewußten und ehrgeizigen<lb/>
Herrscher wie Friedrich lange ans dem Standpunkte ritterlicher Vertragstreue fest¬<lb/>
zuhalten. Er meinte in seinem Geiste doch noch die Mittel zu finden, einen selb¬<lb/>
ständigen und nur die Interessen seines Staates berücksichtigenden Weg inmitten<lb/>
dieser nun allmählich ganz Europa umfassenden Verwicklung einschlagen zu können.<lb/>
Es scheint wohl, als wäre es ihm ganz recht gewesen, mit Frankreich rücksichtslos<lb/>
militärisch vorgehend ganz Europa in Brand zu setzen, in der Berechnung, sich<lb/>
den ihn: gebührenden Vortheil dabei schon rechtzeitig zu wahren &#x2014; man er¬<lb/>
innere sich, daß er noch in jugendlichem Alter stand &#x2014;; aber da die französische<lb/>
Politik, von dieser Kühnheit weit entfernt, sich rücksichtslos egoistisch zeigte, so war<lb/>
er bedeutend genug, einen ähnlich rücksichtslosen Entschluß zu fassen. Gerade in<lb/>
diesem interessanten Momente, unmittelbar vor dem Vertrage von Kleinschnellen-<lb/>
dvrf, bricht der vorliegende erste Band ab. Da der zweite noch im Laufe des<lb/>
Sommers erscheinen soll, können wir uns die Schlnßbetrachtnng bis dahin aufsparen.</p><lb/>
          <note type="byline"> H. Markgraf.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grmzbotni II. 188l.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0445] Friedrichs des Großen erster Wassergang. Habsburg erst vor nicht langer Zeit und mit soviel Gewalt den Katholicismus wieder aufgerichtet hatte. Erst als die Baiern in Oberösterreich einrückten und die Franzosen den Rhein überschritten, ohne daß man ihnen ein Heer entgegenstellen konnte — die berühmte Versöhnung mit Ungarn und die Bewilligung eines ungarischen Auf¬ gebotes war noch nicht erfolgt —, erklärte sich Maria Theresia, um Neippergs Truppen den Baiern entgegenstellen zu können, zur Bewilligung Nicderschlesiens mit Breslau an Friedrich bereit, „weil kein andres Mittel zu helfen, aber wohl und meinem größten Herzeleid." Der Wendepunkt des Krieges schien damit gekommen. Allerdings war der in Wien ausschlaggebende Gedanke, den besonders der englische Gesandte am dortigen Hofe, Sir Robinson, nicht müde ward zu betreiben, den König Friedrich zur Stellung eines Hilfscorps als Gegenleistung für Oesterreich zu verpflichten, für letztern nach seinem Abschluß mit Frankreich nicht mehr annehmbar; als ihm die österreichischen Propositionen durch einen Courier des englischen Speeial- gesandten bei ihm, Lord Hyndford, gerade in dem Moment überbracht wurden, als er schon zu Pferde sitzend und dem französischen Gesandten Valori ausreiten wollte, reichte er sie einfach diesem zum Lesen hin und antwortete auch an Lord Hyndford völlig ablehnend. Aber das Vorgehen Frankreichs, das alle Besorg¬ nisse des treuen Podewils, es werde die Allianz Preußens egoistisch uur für seine, das Gleichgewicht auf dem Continent umstürzenden Pläne ausbeuten, zu rechtfertigen schien, war nicht geeignet, einen so selbstbewußten und ehrgeizigen Herrscher wie Friedrich lange ans dem Standpunkte ritterlicher Vertragstreue fest¬ zuhalten. Er meinte in seinem Geiste doch noch die Mittel zu finden, einen selb¬ ständigen und nur die Interessen seines Staates berücksichtigenden Weg inmitten dieser nun allmählich ganz Europa umfassenden Verwicklung einschlagen zu können. Es scheint wohl, als wäre es ihm ganz recht gewesen, mit Frankreich rücksichtslos militärisch vorgehend ganz Europa in Brand zu setzen, in der Berechnung, sich den ihn: gebührenden Vortheil dabei schon rechtzeitig zu wahren — man er¬ innere sich, daß er noch in jugendlichem Alter stand —; aber da die französische Politik, von dieser Kühnheit weit entfernt, sich rücksichtslos egoistisch zeigte, so war er bedeutend genug, einen ähnlich rücksichtslosen Entschluß zu fassen. Gerade in diesem interessanten Momente, unmittelbar vor dem Vertrage von Kleinschnellen- dvrf, bricht der vorliegende erste Band ab. Da der zweite noch im Laufe des Sommers erscheinen soll, können wir uns die Schlnßbetrachtnng bis dahin aufsparen. H. Markgraf. Grmzbotni II. 188l.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/445
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/445>, abgerufen am 23.07.2024.