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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gladstones Programm und Lrfolge,

die Mitte des vorigen Monats hatte Förster, der Staatssekretär für Irland,
eine Unterredung mit den Mitgliedern der Bradforder Handelskammer, die über
die commerciellen Beziehungen zu Frankreich aufgeklärt zu werden gebeten hatten.
Nachdem die Herren dem Staatssecretär vorgestellt hatten, daß kein "rückschritt¬
licher," d. h. kein schutzzöllnerischer Vertrag mit den Franzosen abgeschlossen
werden sollte, erklärte derselbe, daß der englische Handel sich unzweifelhaft in
übler Lage befinde. Die vorläufigen Besprechungen über den französischen Ver¬
trag dürften indeß nicht als officielle Unterhandlungen augesehen werden. Mau
müsse in energischer Weise (wie?) jedem Versuche einer Erhöhung der Tarife
entgegentreten; überdies würde es kein freundlicher Act einer befreundeten Re¬
gierung sein, ans höhere Zölle zurückzukommen, ein höchst unfreundlicher Act
aber und allen Versicherungen der französischen Regierung zuwider würde es
sein, wenn dies in verstärkter Weise geschehen sollte. Er glaube nicht, daß die
französische Regierung diesen Standpunkt einnehme. Vielleicht seien ungenaue
Aufschlüsse ertheilt worden. Allein man könne darauf bestehen, daß die franzö¬
sische Regierung die englische Auffassung der Thatsachen anhöre; wenn denn
die Wahrheit gesagt werde, so werde, wie er zuversichtlich hoffe, ein solcher Vor¬
schlag zurückgezogen werden. Geschähe dies nicht, so sollte die englische Regie¬
rung erkläre", lieber wolle sie gar keinen Vertrag; denn wenn an die Stelle
der Werthzölle speeificirte Abgaben treten sollten, so bedeute das die Rückkehr
zu Schutzzöllen -- was allerdings ungefähr richtig ist, die Franzosen aber nicht
abhalten wird, derartige Schutzzölle einzuführen, falls sie es in ihrem Interesse
finden. Die Welt ist nun einmal nicht geschaffen, um sich von den englische"
Speculanten ausbeuten zu lassen.

In England freilich denkt man anders. Hier ist man viel erbitterter über
de" neue" französische" Zolltarif als über die Art, auf welche die Franzose"
sich das Protectorat über Tunis verschafft habe". Jener schädigt in der That
den englischen Geldsack mehr, als man einzugestehen für gut findet, und was
auch für Entrüstung über den französischen Machtzuwachs am Mittelmeere zu
Markte gebracht werden mag, ist nur Schein, hinter dem sich der Verdruß über
den neuen Tarif der Franzosen verbirgt. Selbst mit einer französischen Colonie
oder Provinz Tunis würde man sich zuletzt abfinden. Hat dies doch, wie schon
gesagt, Salisburh bereits 1878 fertig gebracht. Aber mit einem 20- bis I20pro-
eeiüige" Zuschlage zu den Eingaugszöllen auf englische Waare", die nach Frank¬
reich kommen, wird man sich nimmermehr befreunden.




Gladstones Programm und Lrfolge,

die Mitte des vorigen Monats hatte Förster, der Staatssekretär für Irland,
eine Unterredung mit den Mitgliedern der Bradforder Handelskammer, die über
die commerciellen Beziehungen zu Frankreich aufgeklärt zu werden gebeten hatten.
Nachdem die Herren dem Staatssecretär vorgestellt hatten, daß kein „rückschritt¬
licher," d. h. kein schutzzöllnerischer Vertrag mit den Franzosen abgeschlossen
werden sollte, erklärte derselbe, daß der englische Handel sich unzweifelhaft in
übler Lage befinde. Die vorläufigen Besprechungen über den französischen Ver¬
trag dürften indeß nicht als officielle Unterhandlungen augesehen werden. Mau
müsse in energischer Weise (wie?) jedem Versuche einer Erhöhung der Tarife
entgegentreten; überdies würde es kein freundlicher Act einer befreundeten Re¬
gierung sein, ans höhere Zölle zurückzukommen, ein höchst unfreundlicher Act
aber und allen Versicherungen der französischen Regierung zuwider würde es
sein, wenn dies in verstärkter Weise geschehen sollte. Er glaube nicht, daß die
französische Regierung diesen Standpunkt einnehme. Vielleicht seien ungenaue
Aufschlüsse ertheilt worden. Allein man könne darauf bestehen, daß die franzö¬
sische Regierung die englische Auffassung der Thatsachen anhöre; wenn denn
die Wahrheit gesagt werde, so werde, wie er zuversichtlich hoffe, ein solcher Vor¬
schlag zurückgezogen werden. Geschähe dies nicht, so sollte die englische Regie¬
rung erkläre», lieber wolle sie gar keinen Vertrag; denn wenn an die Stelle
der Werthzölle speeificirte Abgaben treten sollten, so bedeute das die Rückkehr
zu Schutzzöllen — was allerdings ungefähr richtig ist, die Franzosen aber nicht
abhalten wird, derartige Schutzzölle einzuführen, falls sie es in ihrem Interesse
finden. Die Welt ist nun einmal nicht geschaffen, um sich von den englische»
Speculanten ausbeuten zu lassen.

In England freilich denkt man anders. Hier ist man viel erbitterter über
de» neue» französische» Zolltarif als über die Art, auf welche die Franzose»
sich das Protectorat über Tunis verschafft habe». Jener schädigt in der That
den englischen Geldsack mehr, als man einzugestehen für gut findet, und was
auch für Entrüstung über den französischen Machtzuwachs am Mittelmeere zu
Markte gebracht werden mag, ist nur Schein, hinter dem sich der Verdruß über
den neuen Tarif der Franzosen verbirgt. Selbst mit einer französischen Colonie
oder Provinz Tunis würde man sich zuletzt abfinden. Hat dies doch, wie schon
gesagt, Salisburh bereits 1878 fertig gebracht. Aber mit einem 20- bis I20pro-
eeiüige» Zuschlage zu den Eingaugszöllen auf englische Waare», die nach Frank¬
reich kommen, wird man sich nimmermehr befreunden.




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[0398] Gladstones Programm und Lrfolge, die Mitte des vorigen Monats hatte Förster, der Staatssekretär für Irland, eine Unterredung mit den Mitgliedern der Bradforder Handelskammer, die über die commerciellen Beziehungen zu Frankreich aufgeklärt zu werden gebeten hatten. Nachdem die Herren dem Staatssecretär vorgestellt hatten, daß kein „rückschritt¬ licher," d. h. kein schutzzöllnerischer Vertrag mit den Franzosen abgeschlossen werden sollte, erklärte derselbe, daß der englische Handel sich unzweifelhaft in übler Lage befinde. Die vorläufigen Besprechungen über den französischen Ver¬ trag dürften indeß nicht als officielle Unterhandlungen augesehen werden. Mau müsse in energischer Weise (wie?) jedem Versuche einer Erhöhung der Tarife entgegentreten; überdies würde es kein freundlicher Act einer befreundeten Re¬ gierung sein, ans höhere Zölle zurückzukommen, ein höchst unfreundlicher Act aber und allen Versicherungen der französischen Regierung zuwider würde es sein, wenn dies in verstärkter Weise geschehen sollte. Er glaube nicht, daß die französische Regierung diesen Standpunkt einnehme. Vielleicht seien ungenaue Aufschlüsse ertheilt worden. Allein man könne darauf bestehen, daß die franzö¬ sische Regierung die englische Auffassung der Thatsachen anhöre; wenn denn die Wahrheit gesagt werde, so werde, wie er zuversichtlich hoffe, ein solcher Vor¬ schlag zurückgezogen werden. Geschähe dies nicht, so sollte die englische Regie¬ rung erkläre», lieber wolle sie gar keinen Vertrag; denn wenn an die Stelle der Werthzölle speeificirte Abgaben treten sollten, so bedeute das die Rückkehr zu Schutzzöllen — was allerdings ungefähr richtig ist, die Franzosen aber nicht abhalten wird, derartige Schutzzölle einzuführen, falls sie es in ihrem Interesse finden. Die Welt ist nun einmal nicht geschaffen, um sich von den englische» Speculanten ausbeuten zu lassen. In England freilich denkt man anders. Hier ist man viel erbitterter über de» neue» französische» Zolltarif als über die Art, auf welche die Franzose» sich das Protectorat über Tunis verschafft habe». Jener schädigt in der That den englischen Geldsack mehr, als man einzugestehen für gut findet, und was auch für Entrüstung über den französischen Machtzuwachs am Mittelmeere zu Markte gebracht werden mag, ist nur Schein, hinter dem sich der Verdruß über den neuen Tarif der Franzosen verbirgt. Selbst mit einer französischen Colonie oder Provinz Tunis würde man sich zuletzt abfinden. Hat dies doch, wie schon gesagt, Salisburh bereits 1878 fertig gebracht. Aber mit einem 20- bis I20pro- eeiüige» Zuschlage zu den Eingaugszöllen auf englische Waare», die nach Frank¬ reich kommen, wird man sich nimmermehr befreunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/398>, abgerufen am 01.07.2024.