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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur ältesten Geschichte der Mark Meißen.

ehemalige Merseburger und Zeitzer Mark sowie die Niederlausitz von Meißen
getrennt und dem Wettiner Dedi übertragen wurde, gehört zu den dunkelsten
Kapiteln der ältern meißnischen Geschichte. Sie hatte übrigens keinen Bestand;
nicht viel später erscheint Wilhelm auch im Besitz jener Pertinenzstücke mit
alleiniger Ausnahme der Niederlausitz, welche Dedi behielt. In diesem Umfange
hinterließ er 1062 das Gebiet seinem Bruder Otto, mit dessen kurzer Regierungs¬
zeit 1067 die Herrschaft der Familie Weimar-Orlamünde abschließt.

An der Reichspolitik, die bekanntlich 1056 mit Heinrichs HI. Tode an
einem wichtigen Wendepunkte angelangt war, haben sich sowohl Wilhelm IV. als
Otto betheiligt: Wilhelm als treue Stütze der Kaiserin Agnes, Otto als An¬
hänger des Erzbischofs Anno von Köln; beide haben in den Kriegen gegen König
Bela von Ungarn mitgefochten. Verhängnißvoll in der Geschichte des Reichs
wurde ein Schritt Ottos, durch welchen er sich den tödtlichen Haß der Thüringer
zuzog: das Zugeständniß des Zehnten von allen seinen thüringischen Besitzungen
an Erzbischof Sigfried von Mainz.

Als Otto 1066 ohne männliche Erben starb, fiel Weimar an seinen Bruder
Poppo. Die Mark Meißen aber übertrug König Heinrich IV. nach Lostrennung
der Zeitzer Mark, die an den Markgrafen der Nordmark, Udo II. von Stade,
verliehen wurde, als erledigtes Reichslehen an Graf Elbert I. von Braunschweig
aus dem Hause der Brunouen, einen nahen Verwandten des Königs und Ver¬
trauten des Erzbischofs Anno, dem er 1063 bei Entführung des Knaben Heinrich
Beistand geleistet hatte. Ihm folgte schon 1068 sein kaum siebenjähriger Sohn
Elbert II. Zwanzig Jahre stand dieser, mit manchen Unterbrechungen, der Mark
vor, eine traurige Zeit sür sein Land wie für das ganze Reich. Doch die Politik
des wankelmüthigen Braunschweigers seinem unglücklichen Könige gegenüber, seine
fortwährend wechselnde Parteistellung, sein haltloses Schwanken und Jntriguiren
in dem engen Rahmen unsrer Darstellung zu schildern, würde ein vergeblicher
Versuch sein. "Bald schloß er sich der einen, bald der andern Partei an, bald
focht er für Heinrich, bald für dessen Gegner. Seine Pläne waren so sehr die
Ausgeburten einer augenblicklich aufgeregten Phantasie, daß es nicht möglich ist,
jedesmal den Beweggrund sür seine Handlungsweise anzugeben." Das Bild
Ekberts bleibt im großen und ganzen das nämliche, welches Giesebrecht u. a.
bereits entworfen haben, wenn man auch im einzelnen dem Verfasser manche
Berichtigung verdankt.

Im Verlaufe dieser Kämpfe gelangte die Oberlausitz (1086) an den Böhmen¬
herzog Wradislaw, um dann aus dessen Händen nebst dem Gau Nisani in die
des Grafen Wiprecht von Groitzsch überzugehen. Das Ende war, daß ein Fürsten¬
tag zu Quedlinburg Elbert II. als Feind des Kaisers seiner Würden und Be-


Zur ältesten Geschichte der Mark Meißen.

ehemalige Merseburger und Zeitzer Mark sowie die Niederlausitz von Meißen
getrennt und dem Wettiner Dedi übertragen wurde, gehört zu den dunkelsten
Kapiteln der ältern meißnischen Geschichte. Sie hatte übrigens keinen Bestand;
nicht viel später erscheint Wilhelm auch im Besitz jener Pertinenzstücke mit
alleiniger Ausnahme der Niederlausitz, welche Dedi behielt. In diesem Umfange
hinterließ er 1062 das Gebiet seinem Bruder Otto, mit dessen kurzer Regierungs¬
zeit 1067 die Herrschaft der Familie Weimar-Orlamünde abschließt.

An der Reichspolitik, die bekanntlich 1056 mit Heinrichs HI. Tode an
einem wichtigen Wendepunkte angelangt war, haben sich sowohl Wilhelm IV. als
Otto betheiligt: Wilhelm als treue Stütze der Kaiserin Agnes, Otto als An¬
hänger des Erzbischofs Anno von Köln; beide haben in den Kriegen gegen König
Bela von Ungarn mitgefochten. Verhängnißvoll in der Geschichte des Reichs
wurde ein Schritt Ottos, durch welchen er sich den tödtlichen Haß der Thüringer
zuzog: das Zugeständniß des Zehnten von allen seinen thüringischen Besitzungen
an Erzbischof Sigfried von Mainz.

Als Otto 1066 ohne männliche Erben starb, fiel Weimar an seinen Bruder
Poppo. Die Mark Meißen aber übertrug König Heinrich IV. nach Lostrennung
der Zeitzer Mark, die an den Markgrafen der Nordmark, Udo II. von Stade,
verliehen wurde, als erledigtes Reichslehen an Graf Elbert I. von Braunschweig
aus dem Hause der Brunouen, einen nahen Verwandten des Königs und Ver¬
trauten des Erzbischofs Anno, dem er 1063 bei Entführung des Knaben Heinrich
Beistand geleistet hatte. Ihm folgte schon 1068 sein kaum siebenjähriger Sohn
Elbert II. Zwanzig Jahre stand dieser, mit manchen Unterbrechungen, der Mark
vor, eine traurige Zeit sür sein Land wie für das ganze Reich. Doch die Politik
des wankelmüthigen Braunschweigers seinem unglücklichen Könige gegenüber, seine
fortwährend wechselnde Parteistellung, sein haltloses Schwanken und Jntriguiren
in dem engen Rahmen unsrer Darstellung zu schildern, würde ein vergeblicher
Versuch sein. „Bald schloß er sich der einen, bald der andern Partei an, bald
focht er für Heinrich, bald für dessen Gegner. Seine Pläne waren so sehr die
Ausgeburten einer augenblicklich aufgeregten Phantasie, daß es nicht möglich ist,
jedesmal den Beweggrund sür seine Handlungsweise anzugeben." Das Bild
Ekberts bleibt im großen und ganzen das nämliche, welches Giesebrecht u. a.
bereits entworfen haben, wenn man auch im einzelnen dem Verfasser manche
Berichtigung verdankt.

Im Verlaufe dieser Kämpfe gelangte die Oberlausitz (1086) an den Böhmen¬
herzog Wradislaw, um dann aus dessen Händen nebst dem Gau Nisani in die
des Grafen Wiprecht von Groitzsch überzugehen. Das Ende war, daß ein Fürsten¬
tag zu Quedlinburg Elbert II. als Feind des Kaisers seiner Würden und Be-


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[0367] Zur ältesten Geschichte der Mark Meißen. ehemalige Merseburger und Zeitzer Mark sowie die Niederlausitz von Meißen getrennt und dem Wettiner Dedi übertragen wurde, gehört zu den dunkelsten Kapiteln der ältern meißnischen Geschichte. Sie hatte übrigens keinen Bestand; nicht viel später erscheint Wilhelm auch im Besitz jener Pertinenzstücke mit alleiniger Ausnahme der Niederlausitz, welche Dedi behielt. In diesem Umfange hinterließ er 1062 das Gebiet seinem Bruder Otto, mit dessen kurzer Regierungs¬ zeit 1067 die Herrschaft der Familie Weimar-Orlamünde abschließt. An der Reichspolitik, die bekanntlich 1056 mit Heinrichs HI. Tode an einem wichtigen Wendepunkte angelangt war, haben sich sowohl Wilhelm IV. als Otto betheiligt: Wilhelm als treue Stütze der Kaiserin Agnes, Otto als An¬ hänger des Erzbischofs Anno von Köln; beide haben in den Kriegen gegen König Bela von Ungarn mitgefochten. Verhängnißvoll in der Geschichte des Reichs wurde ein Schritt Ottos, durch welchen er sich den tödtlichen Haß der Thüringer zuzog: das Zugeständniß des Zehnten von allen seinen thüringischen Besitzungen an Erzbischof Sigfried von Mainz. Als Otto 1066 ohne männliche Erben starb, fiel Weimar an seinen Bruder Poppo. Die Mark Meißen aber übertrug König Heinrich IV. nach Lostrennung der Zeitzer Mark, die an den Markgrafen der Nordmark, Udo II. von Stade, verliehen wurde, als erledigtes Reichslehen an Graf Elbert I. von Braunschweig aus dem Hause der Brunouen, einen nahen Verwandten des Königs und Ver¬ trauten des Erzbischofs Anno, dem er 1063 bei Entführung des Knaben Heinrich Beistand geleistet hatte. Ihm folgte schon 1068 sein kaum siebenjähriger Sohn Elbert II. Zwanzig Jahre stand dieser, mit manchen Unterbrechungen, der Mark vor, eine traurige Zeit sür sein Land wie für das ganze Reich. Doch die Politik des wankelmüthigen Braunschweigers seinem unglücklichen Könige gegenüber, seine fortwährend wechselnde Parteistellung, sein haltloses Schwanken und Jntriguiren in dem engen Rahmen unsrer Darstellung zu schildern, würde ein vergeblicher Versuch sein. „Bald schloß er sich der einen, bald der andern Partei an, bald focht er für Heinrich, bald für dessen Gegner. Seine Pläne waren so sehr die Ausgeburten einer augenblicklich aufgeregten Phantasie, daß es nicht möglich ist, jedesmal den Beweggrund sür seine Handlungsweise anzugeben." Das Bild Ekberts bleibt im großen und ganzen das nämliche, welches Giesebrecht u. a. bereits entworfen haben, wenn man auch im einzelnen dem Verfasser manche Berichtigung verdankt. Im Verlaufe dieser Kämpfe gelangte die Oberlausitz (1086) an den Böhmen¬ herzog Wradislaw, um dann aus dessen Händen nebst dem Gau Nisani in die des Grafen Wiprecht von Groitzsch überzugehen. Das Ende war, daß ein Fürsten¬ tag zu Quedlinburg Elbert II. als Feind des Kaisers seiner Würden und Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/367>, abgerufen am 11.02.2025.