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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Der Ausgang des türkisch-griechischen Grenzstreiis

zuversichtlich hoffe", Griechenland den Anforderungen der Lage lind dem einstimmig
knndgegebnen Wunsche Europas, das fest entschlossen ist, den Frieden anfrecht zu
erhalten, Rechnung trägt und die von den Cabinetten gutgehcißnc Lösung annimmt,
so verpflichten sich die Mächte, die Ausführung dieser Lösung zu übernehmen und
der hellenischen Regierung den friedlichen Erwerb des in der neuen Grenzlinie
inbcgriffnen Gebietes zu erleichtern,"

Man sollte meinen, die Herren Hellenen hätten auf das ihnen hier dargebotne
mit beiden Händen zugegriffen und sich schön dafür bedankt. Ohne einen Schuß
gethan, ohne einen Tropfen Blutes geopfert zu haben, bekamen sie fast das ganze
fette Thessalien, das mit seinen Städten fast allein so viel Werthe erzeugt als das
ganze bisherige Hellas mit Ausnahme von Messenien. Aber weit gefehlt. Wenn
man einem Griechen ein Pferd schenkt, so verlangt er noch Sattel und Zaum dazu,
sagt ein levantinisches Sprichwort, Und so wäre es hier beinahe auch gegangen.
Die Weisen Griechenlands drehten und wendeten sich und wollten Prüfen und zaudern
und in pathetischen Denkschriften gegen das schreiende Unrecht jammern, das man
ihnen anthun möchte. "Die öffentliche Erregung ist unausgesetzt im Wachsen be¬
griffen," schrieb man dem "Standard" um diese Zeit aus der Stadt der siegreichen
Pallas, "die Preisgebung der Epiroten wird scharf verurtheilt, das Volk hat die
Arbeit aufgegeben und drängt sich überall zu den Waffen," Komödie! Herr Kom-
mundnros hatte von den Gesandten inzwischen erfahren, daß die Note der Mächte
ernstgemeint war, und so hatte er die Propositionen derselben angenommen, mit
saurer Miene zwar, mit etwas unbestimmten Ausdrücken und einigen Vorhalten,
aber immerhin angenommen. Indem er diese Erklärung abgab, bemerkte er, die
vorgeschlagne Grcnzregulirnng werde ihren Zweck, die Erhaltung des Friedens, nur
dann erfüllen können, wenn die Mächte sich entschlössen, Gewähr dafür zu leisten,
daß die abzutretenden Gebietstheile binnen wenigen Tagen und ohne Blutvergießen
in den Besitz Griechenlands übergingen. Im übrigen sprach er sich mißbilligend
über die neue Grenzlinie aus, weil dieselbe "willkürlich gezogen" sei und namentlich
auf der Seite von Epirus keine strategische Sicherheit biete. Schließlich bat er
uoch darum, daß den Bewohnern derjenigen Bezirke, welche nach den Bestimmungen
der Berliner Konferenz Hütten an Griechenland fallen sollen, nach den neuesten Fest¬
setzungen aber nnter türkischer Herrschaft verbleiben würden, ein bessere Verwaltung
erwirkt werden möge. Wenn dabei die "Rechte" gemeint waren, die den dortigen
Griechen kraft ihrer Nationalität und Religion zustehen sollen, so giebt es keine
solchen Rechte, Auch konnte man fragen: Werden die Griechen ungezwungen die
Rechte der Türken schonen und achten, welche mit Thessalien unter das griechische
Joch kommen? Indeß, wie gesagt, angenommen hatte Kommunduros das Anerbieten
vom 7. April, und er hatte klug gethan damit.

Noch am 2. April hatte der griechische Minister in einem langen Promemoria
ganz anders gesprochen. Er hatte da gesagt, Griechenland habe die Gabe der Ber¬
liner Konferenz, obwohl sein Recht und Interesse ihm mehr versprochen, bereit-


Der Ausgang des türkisch-griechischen Grenzstreiis

zuversichtlich hoffe», Griechenland den Anforderungen der Lage lind dem einstimmig
knndgegebnen Wunsche Europas, das fest entschlossen ist, den Frieden anfrecht zu
erhalten, Rechnung trägt und die von den Cabinetten gutgehcißnc Lösung annimmt,
so verpflichten sich die Mächte, die Ausführung dieser Lösung zu übernehmen und
der hellenischen Regierung den friedlichen Erwerb des in der neuen Grenzlinie
inbcgriffnen Gebietes zu erleichtern,"

Man sollte meinen, die Herren Hellenen hätten auf das ihnen hier dargebotne
mit beiden Händen zugegriffen und sich schön dafür bedankt. Ohne einen Schuß
gethan, ohne einen Tropfen Blutes geopfert zu haben, bekamen sie fast das ganze
fette Thessalien, das mit seinen Städten fast allein so viel Werthe erzeugt als das
ganze bisherige Hellas mit Ausnahme von Messenien. Aber weit gefehlt. Wenn
man einem Griechen ein Pferd schenkt, so verlangt er noch Sattel und Zaum dazu,
sagt ein levantinisches Sprichwort, Und so wäre es hier beinahe auch gegangen.
Die Weisen Griechenlands drehten und wendeten sich und wollten Prüfen und zaudern
und in pathetischen Denkschriften gegen das schreiende Unrecht jammern, das man
ihnen anthun möchte. „Die öffentliche Erregung ist unausgesetzt im Wachsen be¬
griffen," schrieb man dem „Standard" um diese Zeit aus der Stadt der siegreichen
Pallas, „die Preisgebung der Epiroten wird scharf verurtheilt, das Volk hat die
Arbeit aufgegeben und drängt sich überall zu den Waffen," Komödie! Herr Kom-
mundnros hatte von den Gesandten inzwischen erfahren, daß die Note der Mächte
ernstgemeint war, und so hatte er die Propositionen derselben angenommen, mit
saurer Miene zwar, mit etwas unbestimmten Ausdrücken und einigen Vorhalten,
aber immerhin angenommen. Indem er diese Erklärung abgab, bemerkte er, die
vorgeschlagne Grcnzregulirnng werde ihren Zweck, die Erhaltung des Friedens, nur
dann erfüllen können, wenn die Mächte sich entschlössen, Gewähr dafür zu leisten,
daß die abzutretenden Gebietstheile binnen wenigen Tagen und ohne Blutvergießen
in den Besitz Griechenlands übergingen. Im übrigen sprach er sich mißbilligend
über die neue Grenzlinie aus, weil dieselbe „willkürlich gezogen" sei und namentlich
auf der Seite von Epirus keine strategische Sicherheit biete. Schließlich bat er
uoch darum, daß den Bewohnern derjenigen Bezirke, welche nach den Bestimmungen
der Berliner Konferenz Hütten an Griechenland fallen sollen, nach den neuesten Fest¬
setzungen aber nnter türkischer Herrschaft verbleiben würden, ein bessere Verwaltung
erwirkt werden möge. Wenn dabei die „Rechte" gemeint waren, die den dortigen
Griechen kraft ihrer Nationalität und Religion zustehen sollen, so giebt es keine
solchen Rechte, Auch konnte man fragen: Werden die Griechen ungezwungen die
Rechte der Türken schonen und achten, welche mit Thessalien unter das griechische
Joch kommen? Indeß, wie gesagt, angenommen hatte Kommunduros das Anerbieten
vom 7. April, und er hatte klug gethan damit.

Noch am 2. April hatte der griechische Minister in einem langen Promemoria
ganz anders gesprochen. Er hatte da gesagt, Griechenland habe die Gabe der Ber¬
liner Konferenz, obwohl sein Recht und Interesse ihm mehr versprochen, bereit-


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[0352] Der Ausgang des türkisch-griechischen Grenzstreiis zuversichtlich hoffe», Griechenland den Anforderungen der Lage lind dem einstimmig knndgegebnen Wunsche Europas, das fest entschlossen ist, den Frieden anfrecht zu erhalten, Rechnung trägt und die von den Cabinetten gutgehcißnc Lösung annimmt, so verpflichten sich die Mächte, die Ausführung dieser Lösung zu übernehmen und der hellenischen Regierung den friedlichen Erwerb des in der neuen Grenzlinie inbcgriffnen Gebietes zu erleichtern," Man sollte meinen, die Herren Hellenen hätten auf das ihnen hier dargebotne mit beiden Händen zugegriffen und sich schön dafür bedankt. Ohne einen Schuß gethan, ohne einen Tropfen Blutes geopfert zu haben, bekamen sie fast das ganze fette Thessalien, das mit seinen Städten fast allein so viel Werthe erzeugt als das ganze bisherige Hellas mit Ausnahme von Messenien. Aber weit gefehlt. Wenn man einem Griechen ein Pferd schenkt, so verlangt er noch Sattel und Zaum dazu, sagt ein levantinisches Sprichwort, Und so wäre es hier beinahe auch gegangen. Die Weisen Griechenlands drehten und wendeten sich und wollten Prüfen und zaudern und in pathetischen Denkschriften gegen das schreiende Unrecht jammern, das man ihnen anthun möchte. „Die öffentliche Erregung ist unausgesetzt im Wachsen be¬ griffen," schrieb man dem „Standard" um diese Zeit aus der Stadt der siegreichen Pallas, „die Preisgebung der Epiroten wird scharf verurtheilt, das Volk hat die Arbeit aufgegeben und drängt sich überall zu den Waffen," Komödie! Herr Kom- mundnros hatte von den Gesandten inzwischen erfahren, daß die Note der Mächte ernstgemeint war, und so hatte er die Propositionen derselben angenommen, mit saurer Miene zwar, mit etwas unbestimmten Ausdrücken und einigen Vorhalten, aber immerhin angenommen. Indem er diese Erklärung abgab, bemerkte er, die vorgeschlagne Grcnzregulirnng werde ihren Zweck, die Erhaltung des Friedens, nur dann erfüllen können, wenn die Mächte sich entschlössen, Gewähr dafür zu leisten, daß die abzutretenden Gebietstheile binnen wenigen Tagen und ohne Blutvergießen in den Besitz Griechenlands übergingen. Im übrigen sprach er sich mißbilligend über die neue Grenzlinie aus, weil dieselbe „willkürlich gezogen" sei und namentlich auf der Seite von Epirus keine strategische Sicherheit biete. Schließlich bat er uoch darum, daß den Bewohnern derjenigen Bezirke, welche nach den Bestimmungen der Berliner Konferenz Hütten an Griechenland fallen sollen, nach den neuesten Fest¬ setzungen aber nnter türkischer Herrschaft verbleiben würden, ein bessere Verwaltung erwirkt werden möge. Wenn dabei die „Rechte" gemeint waren, die den dortigen Griechen kraft ihrer Nationalität und Religion zustehen sollen, so giebt es keine solchen Rechte, Auch konnte man fragen: Werden die Griechen ungezwungen die Rechte der Türken schonen und achten, welche mit Thessalien unter das griechische Joch kommen? Indeß, wie gesagt, angenommen hatte Kommunduros das Anerbieten vom 7. April, und er hatte klug gethan damit. Noch am 2. April hatte der griechische Minister in einem langen Promemoria ganz anders gesprochen. Er hatte da gesagt, Griechenland habe die Gabe der Ber¬ liner Konferenz, obwohl sein Recht und Interesse ihm mehr versprochen, bereit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/352>, abgerufen am 23.07.2024.