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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

wachsenden Ruhm des jungen Mannes mit eifersüchtigen Augen blickte. Es kam
zu Reibungen und Zerwürfnissen, infolge deren Ueberhand als Führer einer
Opposition, zu welcher Funk, Pose und andre gehörten, "ziemlich ostentativ" die
Anstalt verließ.

Die erste Frucht seiner norwegischen Reise war eine "Marine mit einem
Leuchtthurm" (1835), welche Prinz Friedrich von Hohenzollern ankaufte, dessen
kleiner Hof in Düsseldorf der geistige Mittelpunkt des dortigen Kunstlebens war.
Im folgenden Jahre malte er einen "Seesturm an der schwedischen Küste", ein
Bild, welchem man trotz mancher Unvollkommenheiten in der Ausführung eine
geradezu epochemachende Bedeutung in der modernen Landschaftsmalerei bei¬
messen muß. Es ist ein historisches Merkzeichen, von welchem eine neue Aera
der Landschaftsmalerei beginnt. Vor ihm hatte von den neuern Meistern nur
der Berliner Wilden Krause im Jahre 1831 einen Seesturm zu malen gewagt.
Es ist nicht anzunehmen, daß Ueberhand von ihm beeinflußt worden ist. Außer
der Natur warm etwa noch die holländischen Marine- und Landschaftsmaler seine
Lehrmeister gewesen. Aber bei aller Hochachtung vor Willem van de Velde und
Ludolf Backhuisen -- dem modernen Maler steht doch eine größere Universalität
der Anschauung, ein weiterer Gesichtskreis zur Seite. Die dramatische Kraft,
mit welcher er das Toben und Wüthen der See darzustellen weiß, hat etwas
elementares, etwas dämonisches, und das ist eben der neue Grundstoff, der mit
Andreas Ueberhand in die Erscheinung tritt und durch ihn in die Kunstgeschichte
eingeführt wird. Allmählich bildet sich dann dieses dramatische Element zu
größerer Vielseitigkeit aus. Dem ungestümen Rasen des Wassers tritt die mensch¬
liche Kraft gegenüber, um sich mit dem blindwüthigcn Riesen zu messen, und
dieser Kampf der menschlichen Intelligenz mit der rohen Elementargewalt bildet
später das Grundthema der großartigsten Schöpfungen Andreas Achcnbachs.
Er vertritt in den scheinbar durch und durch realistischen Gebilden des Meisters
die ideale Seite, und so finden wir denn auch in der Beobachtung, daß ein
wahrhaft großer Realist zugleich ein großer Idealist ist, die ewige Wahrheit
wieder, die manche in der Gegenwart verdunkelt oder gar verkannt glauben, daß
das höchste Ziel der Kunst immer das Ideal ist, gleichgiltig, auf welchem Wege
es erstritten wird, ob mit Hilfe einer von vornherein idealistischen Ausdrucks¬
weise oder mit der leidenschaftlichen Rhetorik eines kühnen Realismus.

1836 unternahm Ueberhand eine Reise nach Süddeutschland und Tirol und
ließ sich dann für einige Zeit in München nieder, wo König Ludwig den oben
erwähnten "Seesturm" für die neue Pinakothek in München ankaufte. Einen
zweiten "Seesturm" aus demselben Jahre erwarb der Rheinisch-westfälische Kunst¬
verein. Der Künstler kam noch öfters auf dieses Thema zurück, welches ihm


Grenzboten II. 1881. 42
Die Düsseldorfer Schule.

wachsenden Ruhm des jungen Mannes mit eifersüchtigen Augen blickte. Es kam
zu Reibungen und Zerwürfnissen, infolge deren Ueberhand als Führer einer
Opposition, zu welcher Funk, Pose und andre gehörten, „ziemlich ostentativ" die
Anstalt verließ.

Die erste Frucht seiner norwegischen Reise war eine „Marine mit einem
Leuchtthurm" (1835), welche Prinz Friedrich von Hohenzollern ankaufte, dessen
kleiner Hof in Düsseldorf der geistige Mittelpunkt des dortigen Kunstlebens war.
Im folgenden Jahre malte er einen „Seesturm an der schwedischen Küste", ein
Bild, welchem man trotz mancher Unvollkommenheiten in der Ausführung eine
geradezu epochemachende Bedeutung in der modernen Landschaftsmalerei bei¬
messen muß. Es ist ein historisches Merkzeichen, von welchem eine neue Aera
der Landschaftsmalerei beginnt. Vor ihm hatte von den neuern Meistern nur
der Berliner Wilden Krause im Jahre 1831 einen Seesturm zu malen gewagt.
Es ist nicht anzunehmen, daß Ueberhand von ihm beeinflußt worden ist. Außer
der Natur warm etwa noch die holländischen Marine- und Landschaftsmaler seine
Lehrmeister gewesen. Aber bei aller Hochachtung vor Willem van de Velde und
Ludolf Backhuisen — dem modernen Maler steht doch eine größere Universalität
der Anschauung, ein weiterer Gesichtskreis zur Seite. Die dramatische Kraft,
mit welcher er das Toben und Wüthen der See darzustellen weiß, hat etwas
elementares, etwas dämonisches, und das ist eben der neue Grundstoff, der mit
Andreas Ueberhand in die Erscheinung tritt und durch ihn in die Kunstgeschichte
eingeführt wird. Allmählich bildet sich dann dieses dramatische Element zu
größerer Vielseitigkeit aus. Dem ungestümen Rasen des Wassers tritt die mensch¬
liche Kraft gegenüber, um sich mit dem blindwüthigcn Riesen zu messen, und
dieser Kampf der menschlichen Intelligenz mit der rohen Elementargewalt bildet
später das Grundthema der großartigsten Schöpfungen Andreas Achcnbachs.
Er vertritt in den scheinbar durch und durch realistischen Gebilden des Meisters
die ideale Seite, und so finden wir denn auch in der Beobachtung, daß ein
wahrhaft großer Realist zugleich ein großer Idealist ist, die ewige Wahrheit
wieder, die manche in der Gegenwart verdunkelt oder gar verkannt glauben, daß
das höchste Ziel der Kunst immer das Ideal ist, gleichgiltig, auf welchem Wege
es erstritten wird, ob mit Hilfe einer von vornherein idealistischen Ausdrucks¬
weise oder mit der leidenschaftlichen Rhetorik eines kühnen Realismus.

1836 unternahm Ueberhand eine Reise nach Süddeutschland und Tirol und
ließ sich dann für einige Zeit in München nieder, wo König Ludwig den oben
erwähnten „Seesturm" für die neue Pinakothek in München ankaufte. Einen
zweiten „Seesturm" aus demselben Jahre erwarb der Rheinisch-westfälische Kunst¬
verein. Der Künstler kam noch öfters auf dieses Thema zurück, welches ihm


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[0333] Die Düsseldorfer Schule. wachsenden Ruhm des jungen Mannes mit eifersüchtigen Augen blickte. Es kam zu Reibungen und Zerwürfnissen, infolge deren Ueberhand als Führer einer Opposition, zu welcher Funk, Pose und andre gehörten, „ziemlich ostentativ" die Anstalt verließ. Die erste Frucht seiner norwegischen Reise war eine „Marine mit einem Leuchtthurm" (1835), welche Prinz Friedrich von Hohenzollern ankaufte, dessen kleiner Hof in Düsseldorf der geistige Mittelpunkt des dortigen Kunstlebens war. Im folgenden Jahre malte er einen „Seesturm an der schwedischen Küste", ein Bild, welchem man trotz mancher Unvollkommenheiten in der Ausführung eine geradezu epochemachende Bedeutung in der modernen Landschaftsmalerei bei¬ messen muß. Es ist ein historisches Merkzeichen, von welchem eine neue Aera der Landschaftsmalerei beginnt. Vor ihm hatte von den neuern Meistern nur der Berliner Wilden Krause im Jahre 1831 einen Seesturm zu malen gewagt. Es ist nicht anzunehmen, daß Ueberhand von ihm beeinflußt worden ist. Außer der Natur warm etwa noch die holländischen Marine- und Landschaftsmaler seine Lehrmeister gewesen. Aber bei aller Hochachtung vor Willem van de Velde und Ludolf Backhuisen — dem modernen Maler steht doch eine größere Universalität der Anschauung, ein weiterer Gesichtskreis zur Seite. Die dramatische Kraft, mit welcher er das Toben und Wüthen der See darzustellen weiß, hat etwas elementares, etwas dämonisches, und das ist eben der neue Grundstoff, der mit Andreas Ueberhand in die Erscheinung tritt und durch ihn in die Kunstgeschichte eingeführt wird. Allmählich bildet sich dann dieses dramatische Element zu größerer Vielseitigkeit aus. Dem ungestümen Rasen des Wassers tritt die mensch¬ liche Kraft gegenüber, um sich mit dem blindwüthigcn Riesen zu messen, und dieser Kampf der menschlichen Intelligenz mit der rohen Elementargewalt bildet später das Grundthema der großartigsten Schöpfungen Andreas Achcnbachs. Er vertritt in den scheinbar durch und durch realistischen Gebilden des Meisters die ideale Seite, und so finden wir denn auch in der Beobachtung, daß ein wahrhaft großer Realist zugleich ein großer Idealist ist, die ewige Wahrheit wieder, die manche in der Gegenwart verdunkelt oder gar verkannt glauben, daß das höchste Ziel der Kunst immer das Ideal ist, gleichgiltig, auf welchem Wege es erstritten wird, ob mit Hilfe einer von vornherein idealistischen Ausdrucks¬ weise oder mit der leidenschaftlichen Rhetorik eines kühnen Realismus. 1836 unternahm Ueberhand eine Reise nach Süddeutschland und Tirol und ließ sich dann für einige Zeit in München nieder, wo König Ludwig den oben erwähnten „Seesturm" für die neue Pinakothek in München ankaufte. Einen zweiten „Seesturm" aus demselben Jahre erwarb der Rheinisch-westfälische Kunst¬ verein. Der Künstler kam noch öfters auf dieses Thema zurück, welches ihm Grenzboten II. 1881. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/333>, abgerufen am 03.07.2024.