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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Fürst Bismarck und Berlin.

Laster anzuhören, so zunimmt, wie in der letzten Zeit, so kann man es für
richtig halten, wenn prophezeit wird, daß künftig wenigstens ein Fünftel der
Reichsvertretung bei den Abstimmungen oder der Präsenzzahl regelmäßig aus
Berlinern bestehen wird. Die sind immer am Platze und nahe bei der Hand,
und wenn sich zu den Demokraten unter ihnen nnr die gleiche Zahl von Nicht-
berlinern als Gesinnungsgenossen findet, so haben sie schon nahezu die geborne
Majorität der üblichen Präsenzziffer von etwa 200. Dabei findet sich in der
Stadt ein erhebliches Contingent solcher Candidaten, die aus gewerbsmäßiger
Ausübung der Volksvertretung, combinirt mit der Redaction von Zeitungen,
ein Geschäft macheu. Beides arbeitet einander in die Hand, um den wirth¬
schaftlich unproductiven Klassen, den lruM8 von8umörs indi, ein Uebergewicht in
der Gesetzanfertignngsanstalt zu verschaffen. Mit Hilfe der von Besoldung und
Honorar lebenden Beamten in Berlin und außerhalb, für welche die Parlaments¬
zeit im Vergleich mit ihrer dienstlichen Thätigkeit eine angenehme Ferienzeit ohne
strenge Anforderungen, ohne barsche Vorgesetzte, ohne Unterordnung und ohne
Rüge ist, eine Zeit, wo man-sich als Träger des Volkswillens fühlen und sich
mit Reden bewundern lassen kann, giebt das eine Majorität, genau wie sie nicht
sein sollte. Dem muß also abgeholfen werden. "Das deutsche Volk hat ein
Recht daraus, zu verlangen, daß der Reichstag nicht verberlinert wird" -- daß
er bis zu einem billigen Maße entberlinert wird, erlauben wir uns hinzuzufügen.




Notiz.

In Bezug auf das im 9. Hefte der Greuzbotxm erwähnte, in London seiner Zeit
circulirende Gerücht, daß l)r. Schliemann mit dem Kensington-Museum wegen Ver¬
kaufs seiner Sammlung trojanischer Alterthümer für die Summe von 6000 Pfund
Sterling in Unterhandlung gestanden habe, versichert derselbe dem Verfasser des
betreffenden Artikels, daß nie von einem Verkauf der Sammlung die Rede gewesen
sei, und daß er dieselbe auch nicht für 100 000 Pfund Sterling verkauft habe"
würde, geschweige denn für den nichtigen Preis Von 6000 Pfund, indem er hinzu-
fügt, daß die Kosten der Ausgrabung allein sich auf 16 000 Pfund belaufen haben,
und daß er den Proceß mit der Türkei, der weitere Kosten im Belauf von 6000
Pfund zur Folge hatte, hätte vermeiden können, wenn er derselben nur das kleinste
der von ihm gefundnen goldnen Kopsgehänge und den kleinsten der goldnen Becher
hätte geben wollen.




Für die Redaction verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marguart in Rendnih-Leipzig.
Fürst Bismarck und Berlin.

Laster anzuhören, so zunimmt, wie in der letzten Zeit, so kann man es für
richtig halten, wenn prophezeit wird, daß künftig wenigstens ein Fünftel der
Reichsvertretung bei den Abstimmungen oder der Präsenzzahl regelmäßig aus
Berlinern bestehen wird. Die sind immer am Platze und nahe bei der Hand,
und wenn sich zu den Demokraten unter ihnen nnr die gleiche Zahl von Nicht-
berlinern als Gesinnungsgenossen findet, so haben sie schon nahezu die geborne
Majorität der üblichen Präsenzziffer von etwa 200. Dabei findet sich in der
Stadt ein erhebliches Contingent solcher Candidaten, die aus gewerbsmäßiger
Ausübung der Volksvertretung, combinirt mit der Redaction von Zeitungen,
ein Geschäft macheu. Beides arbeitet einander in die Hand, um den wirth¬
schaftlich unproductiven Klassen, den lruM8 von8umörs indi, ein Uebergewicht in
der Gesetzanfertignngsanstalt zu verschaffen. Mit Hilfe der von Besoldung und
Honorar lebenden Beamten in Berlin und außerhalb, für welche die Parlaments¬
zeit im Vergleich mit ihrer dienstlichen Thätigkeit eine angenehme Ferienzeit ohne
strenge Anforderungen, ohne barsche Vorgesetzte, ohne Unterordnung und ohne
Rüge ist, eine Zeit, wo man-sich als Träger des Volkswillens fühlen und sich
mit Reden bewundern lassen kann, giebt das eine Majorität, genau wie sie nicht
sein sollte. Dem muß also abgeholfen werden. „Das deutsche Volk hat ein
Recht daraus, zu verlangen, daß der Reichstag nicht verberlinert wird" — daß
er bis zu einem billigen Maße entberlinert wird, erlauben wir uns hinzuzufügen.




Notiz.

In Bezug auf das im 9. Hefte der Greuzbotxm erwähnte, in London seiner Zeit
circulirende Gerücht, daß l)r. Schliemann mit dem Kensington-Museum wegen Ver¬
kaufs seiner Sammlung trojanischer Alterthümer für die Summe von 6000 Pfund
Sterling in Unterhandlung gestanden habe, versichert derselbe dem Verfasser des
betreffenden Artikels, daß nie von einem Verkauf der Sammlung die Rede gewesen
sei, und daß er dieselbe auch nicht für 100 000 Pfund Sterling verkauft habe»
würde, geschweige denn für den nichtigen Preis Von 6000 Pfund, indem er hinzu-
fügt, daß die Kosten der Ausgrabung allein sich auf 16 000 Pfund belaufen haben,
und daß er den Proceß mit der Türkei, der weitere Kosten im Belauf von 6000
Pfund zur Folge hatte, hätte vermeiden können, wenn er derselben nur das kleinste
der von ihm gefundnen goldnen Kopsgehänge und den kleinsten der goldnen Becher
hätte geben wollen.




Für die Redaction verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguart in Rendnih-Leipzig.
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[0300] Fürst Bismarck und Berlin. Laster anzuhören, so zunimmt, wie in der letzten Zeit, so kann man es für richtig halten, wenn prophezeit wird, daß künftig wenigstens ein Fünftel der Reichsvertretung bei den Abstimmungen oder der Präsenzzahl regelmäßig aus Berlinern bestehen wird. Die sind immer am Platze und nahe bei der Hand, und wenn sich zu den Demokraten unter ihnen nnr die gleiche Zahl von Nicht- berlinern als Gesinnungsgenossen findet, so haben sie schon nahezu die geborne Majorität der üblichen Präsenzziffer von etwa 200. Dabei findet sich in der Stadt ein erhebliches Contingent solcher Candidaten, die aus gewerbsmäßiger Ausübung der Volksvertretung, combinirt mit der Redaction von Zeitungen, ein Geschäft macheu. Beides arbeitet einander in die Hand, um den wirth¬ schaftlich unproductiven Klassen, den lruM8 von8umörs indi, ein Uebergewicht in der Gesetzanfertignngsanstalt zu verschaffen. Mit Hilfe der von Besoldung und Honorar lebenden Beamten in Berlin und außerhalb, für welche die Parlaments¬ zeit im Vergleich mit ihrer dienstlichen Thätigkeit eine angenehme Ferienzeit ohne strenge Anforderungen, ohne barsche Vorgesetzte, ohne Unterordnung und ohne Rüge ist, eine Zeit, wo man-sich als Träger des Volkswillens fühlen und sich mit Reden bewundern lassen kann, giebt das eine Majorität, genau wie sie nicht sein sollte. Dem muß also abgeholfen werden. „Das deutsche Volk hat ein Recht daraus, zu verlangen, daß der Reichstag nicht verberlinert wird" — daß er bis zu einem billigen Maße entberlinert wird, erlauben wir uns hinzuzufügen. Notiz. In Bezug auf das im 9. Hefte der Greuzbotxm erwähnte, in London seiner Zeit circulirende Gerücht, daß l)r. Schliemann mit dem Kensington-Museum wegen Ver¬ kaufs seiner Sammlung trojanischer Alterthümer für die Summe von 6000 Pfund Sterling in Unterhandlung gestanden habe, versichert derselbe dem Verfasser des betreffenden Artikels, daß nie von einem Verkauf der Sammlung die Rede gewesen sei, und daß er dieselbe auch nicht für 100 000 Pfund Sterling verkauft habe» würde, geschweige denn für den nichtigen Preis Von 6000 Pfund, indem er hinzu- fügt, daß die Kosten der Ausgrabung allein sich auf 16 000 Pfund belaufen haben, und daß er den Proceß mit der Türkei, der weitere Kosten im Belauf von 6000 Pfund zur Folge hatte, hätte vermeiden können, wenn er derselben nur das kleinste der von ihm gefundnen goldnen Kopsgehänge und den kleinsten der goldnen Becher hätte geben wollen. Für die Redaction verantwortlich- Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marguart in Rendnih-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/300>, abgerufen am 23.07.2024.