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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lalderon.

den Lebenden sein werde, und giebt ihm zu seiner Beglaubigung einen Brief an
Ptolemäus mit, dessen Schutz Marianne anvertraut ist. Durch ein Spiel des
Zufalls gelangt das Schreiben in die Hände der Fürstin, die, empört von
der Unmenschlichkeit ihres Gemahls, das Schicksal um ein Mittel ansieht, sich
als Weib zu rächen und zugleich als Königin ihre Würde vor der Welt zu
wahren.

Im letzten Aufzuge erscheintOctavicm als Sieger vor Jerusalem, den Tetrarchen
mit sich führend; die Stadt ergiebt sich ihm, Ptolemäus und Philippus bringen
ihm die Schlüssel und den Lorbeerkranz entgegen. Da naht im Geleite ihrer
Frauen Marianne und fleht um das Leben des Gemahls; Octavian erfüllt ihre
Bitte, da er in ihr das Original des Bildes erkennt, dem er das eigne Leben
zu danken hat. Der Tetrarch athmet auf, da er nun weiß, wie das Bild in
Octavicms Hände gelangte und da er voraussetzt, daß sein dem Philippus ge¬
gebner Auftrag verborgen geblieben. Bald jedoch wird ihm im Palaste von
Marianne die vernichtende Eröffnung, daß sie von seinem Anschlag auf ihr Leben
weiß; sie zeigt ihm feinen eignen Brief und enthüllt ihm ihren Haß und ihre
Verachtung.

Ihre Fürbitte für ihn war nur ein Act, den sie ihrer Pflicht als Fürstin
schuldete, aber jedes Verhältniß zu ihm ist abgebrochen. Herodes greift den
Ptolemäus mit dem Schwerte an, da er durch ihn seinen Auftrag verrathen
glaubt; dieser flicht zu Octavian, dem er alles vorgefallne enthüllt und überdies
vorspiegelt, daß Herodes seiner Gattin nach dem Leben trachte. In der nächsten
Scene führt er Octavian des Nachts in Mariannens Gemach, die den eingetragnen
Beistand des letztern zurückweist und ihm, auf ihren Schutz bedacht, den Dolch
entreißt, den sie entsetzt als den ihres Gatten erkennt und im Fliehen von sich
wirft. Herodes, der alsbald erscheint, findet die verhängnißvolle Waffe, und er¬
kennt sie als dieselbe, die er einst in Octavians Händen ließ; von Eifersucht ge¬
foltert, will er sich den Tod geben, als Marianne, von Octavian verfolgt, zu¬
rückkehrt; es kommt zum Kampfe, Marianne löscht die Lichter aus und der
Tetrarch, dem Octavian das Schwert aus der Hand geschlagen, trifft mit dem
Dolche anstatt des Gegners das eigne Weib. So ist die Unheilsprophezeiung
buchstäblich in Erfüllung gegangen.

Wie in dieser Tragödie, deren Hauptverdienst in der überaus kunstvollen
Charakterisirung der Marianne liegt, die Hebel der Handlung (die Weissagung,
der Dolch, das Bild, Octavians Liebe) und der Ausgang freie romantische Er¬
findung sind, so sind auch die Römerdramen I^s g-riims als ig. um-mosurg, (eine
Bearbeitung der Geschichte Coriolcms) und M ssZvmclo Svixicm eine Umgestaltung
der historischen Ueberlieferung im romantischen Sinne, deren Zweck hier zum Theil


Lalderon.

den Lebenden sein werde, und giebt ihm zu seiner Beglaubigung einen Brief an
Ptolemäus mit, dessen Schutz Marianne anvertraut ist. Durch ein Spiel des
Zufalls gelangt das Schreiben in die Hände der Fürstin, die, empört von
der Unmenschlichkeit ihres Gemahls, das Schicksal um ein Mittel ansieht, sich
als Weib zu rächen und zugleich als Königin ihre Würde vor der Welt zu
wahren.

Im letzten Aufzuge erscheintOctavicm als Sieger vor Jerusalem, den Tetrarchen
mit sich führend; die Stadt ergiebt sich ihm, Ptolemäus und Philippus bringen
ihm die Schlüssel und den Lorbeerkranz entgegen. Da naht im Geleite ihrer
Frauen Marianne und fleht um das Leben des Gemahls; Octavian erfüllt ihre
Bitte, da er in ihr das Original des Bildes erkennt, dem er das eigne Leben
zu danken hat. Der Tetrarch athmet auf, da er nun weiß, wie das Bild in
Octavicms Hände gelangte und da er voraussetzt, daß sein dem Philippus ge¬
gebner Auftrag verborgen geblieben. Bald jedoch wird ihm im Palaste von
Marianne die vernichtende Eröffnung, daß sie von seinem Anschlag auf ihr Leben
weiß; sie zeigt ihm feinen eignen Brief und enthüllt ihm ihren Haß und ihre
Verachtung.

Ihre Fürbitte für ihn war nur ein Act, den sie ihrer Pflicht als Fürstin
schuldete, aber jedes Verhältniß zu ihm ist abgebrochen. Herodes greift den
Ptolemäus mit dem Schwerte an, da er durch ihn seinen Auftrag verrathen
glaubt; dieser flicht zu Octavian, dem er alles vorgefallne enthüllt und überdies
vorspiegelt, daß Herodes seiner Gattin nach dem Leben trachte. In der nächsten
Scene führt er Octavian des Nachts in Mariannens Gemach, die den eingetragnen
Beistand des letztern zurückweist und ihm, auf ihren Schutz bedacht, den Dolch
entreißt, den sie entsetzt als den ihres Gatten erkennt und im Fliehen von sich
wirft. Herodes, der alsbald erscheint, findet die verhängnißvolle Waffe, und er¬
kennt sie als dieselbe, die er einst in Octavians Händen ließ; von Eifersucht ge¬
foltert, will er sich den Tod geben, als Marianne, von Octavian verfolgt, zu¬
rückkehrt; es kommt zum Kampfe, Marianne löscht die Lichter aus und der
Tetrarch, dem Octavian das Schwert aus der Hand geschlagen, trifft mit dem
Dolche anstatt des Gegners das eigne Weib. So ist die Unheilsprophezeiung
buchstäblich in Erfüllung gegangen.

Wie in dieser Tragödie, deren Hauptverdienst in der überaus kunstvollen
Charakterisirung der Marianne liegt, die Hebel der Handlung (die Weissagung,
der Dolch, das Bild, Octavians Liebe) und der Ausgang freie romantische Er¬
findung sind, so sind auch die Römerdramen I^s g-riims als ig. um-mosurg, (eine
Bearbeitung der Geschichte Coriolcms) und M ssZvmclo Svixicm eine Umgestaltung
der historischen Ueberlieferung im romantischen Sinne, deren Zweck hier zum Theil


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[0284] Lalderon. den Lebenden sein werde, und giebt ihm zu seiner Beglaubigung einen Brief an Ptolemäus mit, dessen Schutz Marianne anvertraut ist. Durch ein Spiel des Zufalls gelangt das Schreiben in die Hände der Fürstin, die, empört von der Unmenschlichkeit ihres Gemahls, das Schicksal um ein Mittel ansieht, sich als Weib zu rächen und zugleich als Königin ihre Würde vor der Welt zu wahren. Im letzten Aufzuge erscheintOctavicm als Sieger vor Jerusalem, den Tetrarchen mit sich führend; die Stadt ergiebt sich ihm, Ptolemäus und Philippus bringen ihm die Schlüssel und den Lorbeerkranz entgegen. Da naht im Geleite ihrer Frauen Marianne und fleht um das Leben des Gemahls; Octavian erfüllt ihre Bitte, da er in ihr das Original des Bildes erkennt, dem er das eigne Leben zu danken hat. Der Tetrarch athmet auf, da er nun weiß, wie das Bild in Octavicms Hände gelangte und da er voraussetzt, daß sein dem Philippus ge¬ gebner Auftrag verborgen geblieben. Bald jedoch wird ihm im Palaste von Marianne die vernichtende Eröffnung, daß sie von seinem Anschlag auf ihr Leben weiß; sie zeigt ihm feinen eignen Brief und enthüllt ihm ihren Haß und ihre Verachtung. Ihre Fürbitte für ihn war nur ein Act, den sie ihrer Pflicht als Fürstin schuldete, aber jedes Verhältniß zu ihm ist abgebrochen. Herodes greift den Ptolemäus mit dem Schwerte an, da er durch ihn seinen Auftrag verrathen glaubt; dieser flicht zu Octavian, dem er alles vorgefallne enthüllt und überdies vorspiegelt, daß Herodes seiner Gattin nach dem Leben trachte. In der nächsten Scene führt er Octavian des Nachts in Mariannens Gemach, die den eingetragnen Beistand des letztern zurückweist und ihm, auf ihren Schutz bedacht, den Dolch entreißt, den sie entsetzt als den ihres Gatten erkennt und im Fliehen von sich wirft. Herodes, der alsbald erscheint, findet die verhängnißvolle Waffe, und er¬ kennt sie als dieselbe, die er einst in Octavians Händen ließ; von Eifersucht ge¬ foltert, will er sich den Tod geben, als Marianne, von Octavian verfolgt, zu¬ rückkehrt; es kommt zum Kampfe, Marianne löscht die Lichter aus und der Tetrarch, dem Octavian das Schwert aus der Hand geschlagen, trifft mit dem Dolche anstatt des Gegners das eigne Weib. So ist die Unheilsprophezeiung buchstäblich in Erfüllung gegangen. Wie in dieser Tragödie, deren Hauptverdienst in der überaus kunstvollen Charakterisirung der Marianne liegt, die Hebel der Handlung (die Weissagung, der Dolch, das Bild, Octavians Liebe) und der Ausgang freie romantische Er¬ findung sind, so sind auch die Römerdramen I^s g-riims als ig. um-mosurg, (eine Bearbeitung der Geschichte Coriolcms) und M ssZvmclo Svixicm eine Umgestaltung der historischen Ueberlieferung im romantischen Sinne, deren Zweck hier zum Theil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/284>, abgerufen am 23.07.2024.