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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin.

Dieselben sind eben nur zu erklären, wenn wir das Bild in eine Epoche ver¬
setzen, in welcher Rubens so mit Aufträgen überhäuft war, daß er die Ausführung
seiner Bilder Gehülfen und Schülern überlassen mußte, und eine solche Epoche
ist eben die Zeit von 1618--1626, in welche sich das Berliner Bild auch ans
einer ganzen Reihe andrer Gründe leicht und zwanglos einfügt.

Schon ini Mai 1611 war Rubens' Atelier derartig mit Schillern überfüllt,
daß er genöthigt war, ihrer mehrere auf Jahre hinaus bei andern Meistern
unterzubringen und jede Aufnahme eines neuen Schülers, um welche er von be¬
freundeter Seite gebeten wurde, abzulehnen. Außer diesen Schülern, die ihm
sehr bald eine brauchbare Stütze wurden, hatte er eine Anzahl Gehülfen, welche
bestimmte Theile in seinen Bildern ausführten. Als solche Gehülfen sind mit
Sicherheit mir folgende zu nennen: Jan Brueghel, genannt der Sammetbrneghel
(-f 1625), Rubens intimster Freund, der ihm Landschaften, Früchte, Blumen,
Gefäße und sonstige Metallgegenstände, wie Panzer und Waffen, malte, während
Rubens oft seine Landschaften mit Figuren staffirte, ferner Franz Snyders,
der große Thiermaler (->- 1657), Paulus de Vos 1678), ebenfalls ein Thier¬
maler, Jan Wildens und Lucas van Aber, beide Landschaftsmaler.

Von diesen Meistern werden wir selbstverständlich keinen für die schwäch¬
liche Allegorie der Schönbvrnschen Sammlung verantwortlich machen dürfen.
Wir werden vielmehr denjenigen, der nach einer Nubcnsschen Skizze das Bild
in großem Maßstabe ausgeführt hat, unter der Zahl der Schiller suchen müssen,
welche an den Gemälden der Lnxemburggalerie, auf denen sich ähnliche Schwächen
und Flüchtigkeiten finden, mitgeholfen haben. Mit Sicherheit wissen wir nur
drei bekannte Maler anzuführen, welche von 1622--1625 unter Rubens' Leitung
in dessen Atelier arbeiteten: Cornelis Schul, Theodor van Thulden und Franz
Wouters. Vielleicht gehörte eines Abraham van Diepenbeeck zu ihnen, dessen
Art mir in verschiednen Bildern der Lnxemburggalerie nachweisbar zu sein scheint.
Der Gedanke und die Composition des Berliner Bildes rührt sicherlich von
Rubens her. Darüber kann kein Zweifel obwalten. Er hat vielleicht eine Farbc-
skizze entworfen, und nun machte sich ein Schüler -- einer von den genannten
oder ein Anonymus -- daran, das Bild mit Hülfe Rubensscher Thier- und
Menschen Studien, die, wie wir wissen, in seinem Atelier zur Benutzung für die
Schüler an den Wänden hingen, in Großem nach dem geläufigen Rnbensschen
Malrecept auszuführen. So erklären sich die Schwächen des Bildes auf dem
natürlichsten Wege, ohne daß man zu gewaltsamen Hypothesen seine Zuflucht zu
nehmen braucht.

Diejenigen, welche das Bild für ein zusammengestöppeltes Machwerk aus dem
18. Jahrhundert halten, haben meiner Meinung nach ebenso sehr Unrecht wie


Lin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin.

Dieselben sind eben nur zu erklären, wenn wir das Bild in eine Epoche ver¬
setzen, in welcher Rubens so mit Aufträgen überhäuft war, daß er die Ausführung
seiner Bilder Gehülfen und Schülern überlassen mußte, und eine solche Epoche
ist eben die Zeit von 1618—1626, in welche sich das Berliner Bild auch ans
einer ganzen Reihe andrer Gründe leicht und zwanglos einfügt.

Schon ini Mai 1611 war Rubens' Atelier derartig mit Schillern überfüllt,
daß er genöthigt war, ihrer mehrere auf Jahre hinaus bei andern Meistern
unterzubringen und jede Aufnahme eines neuen Schülers, um welche er von be¬
freundeter Seite gebeten wurde, abzulehnen. Außer diesen Schülern, die ihm
sehr bald eine brauchbare Stütze wurden, hatte er eine Anzahl Gehülfen, welche
bestimmte Theile in seinen Bildern ausführten. Als solche Gehülfen sind mit
Sicherheit mir folgende zu nennen: Jan Brueghel, genannt der Sammetbrneghel
(-f 1625), Rubens intimster Freund, der ihm Landschaften, Früchte, Blumen,
Gefäße und sonstige Metallgegenstände, wie Panzer und Waffen, malte, während
Rubens oft seine Landschaften mit Figuren staffirte, ferner Franz Snyders,
der große Thiermaler (->- 1657), Paulus de Vos 1678), ebenfalls ein Thier¬
maler, Jan Wildens und Lucas van Aber, beide Landschaftsmaler.

Von diesen Meistern werden wir selbstverständlich keinen für die schwäch¬
liche Allegorie der Schönbvrnschen Sammlung verantwortlich machen dürfen.
Wir werden vielmehr denjenigen, der nach einer Nubcnsschen Skizze das Bild
in großem Maßstabe ausgeführt hat, unter der Zahl der Schiller suchen müssen,
welche an den Gemälden der Lnxemburggalerie, auf denen sich ähnliche Schwächen
und Flüchtigkeiten finden, mitgeholfen haben. Mit Sicherheit wissen wir nur
drei bekannte Maler anzuführen, welche von 1622—1625 unter Rubens' Leitung
in dessen Atelier arbeiteten: Cornelis Schul, Theodor van Thulden und Franz
Wouters. Vielleicht gehörte eines Abraham van Diepenbeeck zu ihnen, dessen
Art mir in verschiednen Bildern der Lnxemburggalerie nachweisbar zu sein scheint.
Der Gedanke und die Composition des Berliner Bildes rührt sicherlich von
Rubens her. Darüber kann kein Zweifel obwalten. Er hat vielleicht eine Farbc-
skizze entworfen, und nun machte sich ein Schüler — einer von den genannten
oder ein Anonymus — daran, das Bild mit Hülfe Rubensscher Thier- und
Menschen Studien, die, wie wir wissen, in seinem Atelier zur Benutzung für die
Schüler an den Wänden hingen, in Großem nach dem geläufigen Rnbensschen
Malrecept auszuführen. So erklären sich die Schwächen des Bildes auf dem
natürlichsten Wege, ohne daß man zu gewaltsamen Hypothesen seine Zuflucht zu
nehmen braucht.

Diejenigen, welche das Bild für ein zusammengestöppeltes Machwerk aus dem
18. Jahrhundert halten, haben meiner Meinung nach ebenso sehr Unrecht wie


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[0190] Lin neuer Rubens in der königlichen Gemäldegalerie in Berlin. Dieselben sind eben nur zu erklären, wenn wir das Bild in eine Epoche ver¬ setzen, in welcher Rubens so mit Aufträgen überhäuft war, daß er die Ausführung seiner Bilder Gehülfen und Schülern überlassen mußte, und eine solche Epoche ist eben die Zeit von 1618—1626, in welche sich das Berliner Bild auch ans einer ganzen Reihe andrer Gründe leicht und zwanglos einfügt. Schon ini Mai 1611 war Rubens' Atelier derartig mit Schillern überfüllt, daß er genöthigt war, ihrer mehrere auf Jahre hinaus bei andern Meistern unterzubringen und jede Aufnahme eines neuen Schülers, um welche er von be¬ freundeter Seite gebeten wurde, abzulehnen. Außer diesen Schülern, die ihm sehr bald eine brauchbare Stütze wurden, hatte er eine Anzahl Gehülfen, welche bestimmte Theile in seinen Bildern ausführten. Als solche Gehülfen sind mit Sicherheit mir folgende zu nennen: Jan Brueghel, genannt der Sammetbrneghel (-f 1625), Rubens intimster Freund, der ihm Landschaften, Früchte, Blumen, Gefäße und sonstige Metallgegenstände, wie Panzer und Waffen, malte, während Rubens oft seine Landschaften mit Figuren staffirte, ferner Franz Snyders, der große Thiermaler (->- 1657), Paulus de Vos 1678), ebenfalls ein Thier¬ maler, Jan Wildens und Lucas van Aber, beide Landschaftsmaler. Von diesen Meistern werden wir selbstverständlich keinen für die schwäch¬ liche Allegorie der Schönbvrnschen Sammlung verantwortlich machen dürfen. Wir werden vielmehr denjenigen, der nach einer Nubcnsschen Skizze das Bild in großem Maßstabe ausgeführt hat, unter der Zahl der Schiller suchen müssen, welche an den Gemälden der Lnxemburggalerie, auf denen sich ähnliche Schwächen und Flüchtigkeiten finden, mitgeholfen haben. Mit Sicherheit wissen wir nur drei bekannte Maler anzuführen, welche von 1622—1625 unter Rubens' Leitung in dessen Atelier arbeiteten: Cornelis Schul, Theodor van Thulden und Franz Wouters. Vielleicht gehörte eines Abraham van Diepenbeeck zu ihnen, dessen Art mir in verschiednen Bildern der Lnxemburggalerie nachweisbar zu sein scheint. Der Gedanke und die Composition des Berliner Bildes rührt sicherlich von Rubens her. Darüber kann kein Zweifel obwalten. Er hat vielleicht eine Farbc- skizze entworfen, und nun machte sich ein Schüler — einer von den genannten oder ein Anonymus — daran, das Bild mit Hülfe Rubensscher Thier- und Menschen Studien, die, wie wir wissen, in seinem Atelier zur Benutzung für die Schüler an den Wänden hingen, in Großem nach dem geläufigen Rnbensschen Malrecept auszuführen. So erklären sich die Schwächen des Bildes auf dem natürlichsten Wege, ohne daß man zu gewaltsamen Hypothesen seine Zuflucht zu nehmen braucht. Diejenigen, welche das Bild für ein zusammengestöppeltes Machwerk aus dem 18. Jahrhundert halten, haben meiner Meinung nach ebenso sehr Unrecht wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/190>, abgerufen am 23.07.2024.