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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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den gedruckten und ungedruckten Beschreibungen der Galerie genannt werden,
anfertigte.

Da nun die eine dieser drei "Sirenen," deren schwarzes Haar Rubens ans
dem ausgeführten Bilde in ein lichtes Blond übersetzte, vermuthlich aus rein
malerischen Gründen, ans dem neu erworbnen Berliner Bilde in etwas ver¬
gröberter Auffassung wiederkehrt, überdies auch der greise Triton mit dem Mnschcl-
spender des Berliner Bildes übereinstimmt, scheint uns ein neuer Anhaltspunkt
für die Datirung des letztem gewonnen zu sein. Um den Kreis der Beweis¬
führung völlig zu schließen, wollen wir noch auf deu Umstand hinweisen, daß
das erste der Nnbensschen Bilder, ans welchem Thiere vorkommen, im Jahre 1612
gemalt worden ist, also am Anfang der zweiten Periode seiner Thätigkeit steht.
Es ist die berühmte Wolfsjagd, welche Rubens für den General Legcmes malte
und die sich jetzt im Besitze des Lord Ashburton in London befindet, ein Ge¬
mälde von hoch dramatischer Bewegung. Und vou demselben reichen drama¬
tischen Leben sind auch fast alle folgenden Thierbilder erfüllt, die zahlreichen
Löwen-, Tiger- und Eberjagdeu und die sonderbare Jagd auf Nilpferd und
Krokodile in der Galerie von Augsburg, an welcher Waagen die Mitwirkung
van Snyders und Jordaens zu erkennen glaubte. Alle diese Bilder müssen in
der Zeit von 1612 bis 1620 gemalt worden sein. Denn spätestens um 1620
begann Peter Soutman jene Serie von Jagden zu stechen, in welcher die be¬
rühmtesten und schönsten von der Hand des Meisters vertreten sind.

An diesen Capitalstücken hat man gelernt, den Thiermaler Rubens in
seinen unübertrefflichen Eigenschaften zu schätzen, den Künstler, der dieses bis
dahin uneultivirte Gebiet erschlossen und sich sogleich mit einer Meisterschaft
darin bewegt hat, die keiner von seinen Schülern, selbst Franz Snhdcrs nicht,
zu erreichen berufen war. Rubens sagte selbst im Jahre 1617, als er seine
grandiose Löwenjagd für den Herzog von Baiern schon gemalt hatte, daß Snhdcrs
wohl ausgezeichnet sei in der Darstellung todten Gethieres, daß er ihm (Rubens)
aber in der Schilderung lebendiger und in Action befindlicher Thiere durchaus
nicht gleichkomme. Erst in spätern Jahren gelangte Snyders zu einer größern
Sicherheit und Freiheit, wie diejenigen seiner Jagden beweisen, in welchen keine
Menschen, sondern bloß Hunde und wilde Thiere vorkommen.

Mit dem Bilde also, welches sich Künstler, Kunstfreunde und Laien von
dein Thiermaler Rubens gemacht haben, will die Allsführung der Thiere auf
dem neu erworbenen Berliner Bilde nicht harmoniren. Das Nilpferd freilich
ist, wenn auch etwas zahm und nüchtern behandelt, so doch mit großer Natur¬
wahrheit nach einem lebenden Modell gemalt, und auch der Löwe läßt, wenn
er auch den bessern Exemplaren ans andern unzweifelhaften Bildern von Rubens'


den gedruckten und ungedruckten Beschreibungen der Galerie genannt werden,
anfertigte.

Da nun die eine dieser drei „Sirenen," deren schwarzes Haar Rubens ans
dem ausgeführten Bilde in ein lichtes Blond übersetzte, vermuthlich aus rein
malerischen Gründen, ans dem neu erworbnen Berliner Bilde in etwas ver¬
gröberter Auffassung wiederkehrt, überdies auch der greise Triton mit dem Mnschcl-
spender des Berliner Bildes übereinstimmt, scheint uns ein neuer Anhaltspunkt
für die Datirung des letztem gewonnen zu sein. Um den Kreis der Beweis¬
führung völlig zu schließen, wollen wir noch auf deu Umstand hinweisen, daß
das erste der Nnbensschen Bilder, ans welchem Thiere vorkommen, im Jahre 1612
gemalt worden ist, also am Anfang der zweiten Periode seiner Thätigkeit steht.
Es ist die berühmte Wolfsjagd, welche Rubens für den General Legcmes malte
und die sich jetzt im Besitze des Lord Ashburton in London befindet, ein Ge¬
mälde von hoch dramatischer Bewegung. Und vou demselben reichen drama¬
tischen Leben sind auch fast alle folgenden Thierbilder erfüllt, die zahlreichen
Löwen-, Tiger- und Eberjagdeu und die sonderbare Jagd auf Nilpferd und
Krokodile in der Galerie von Augsburg, an welcher Waagen die Mitwirkung
van Snyders und Jordaens zu erkennen glaubte. Alle diese Bilder müssen in
der Zeit von 1612 bis 1620 gemalt worden sein. Denn spätestens um 1620
begann Peter Soutman jene Serie von Jagden zu stechen, in welcher die be¬
rühmtesten und schönsten von der Hand des Meisters vertreten sind.

An diesen Capitalstücken hat man gelernt, den Thiermaler Rubens in
seinen unübertrefflichen Eigenschaften zu schätzen, den Künstler, der dieses bis
dahin uneultivirte Gebiet erschlossen und sich sogleich mit einer Meisterschaft
darin bewegt hat, die keiner von seinen Schülern, selbst Franz Snhdcrs nicht,
zu erreichen berufen war. Rubens sagte selbst im Jahre 1617, als er seine
grandiose Löwenjagd für den Herzog von Baiern schon gemalt hatte, daß Snhdcrs
wohl ausgezeichnet sei in der Darstellung todten Gethieres, daß er ihm (Rubens)
aber in der Schilderung lebendiger und in Action befindlicher Thiere durchaus
nicht gleichkomme. Erst in spätern Jahren gelangte Snyders zu einer größern
Sicherheit und Freiheit, wie diejenigen seiner Jagden beweisen, in welchen keine
Menschen, sondern bloß Hunde und wilde Thiere vorkommen.

Mit dem Bilde also, welches sich Künstler, Kunstfreunde und Laien von
dein Thiermaler Rubens gemacht haben, will die Allsführung der Thiere auf
dem neu erworbenen Berliner Bilde nicht harmoniren. Das Nilpferd freilich
ist, wenn auch etwas zahm und nüchtern behandelt, so doch mit großer Natur¬
wahrheit nach einem lebenden Modell gemalt, und auch der Löwe läßt, wenn
er auch den bessern Exemplaren ans andern unzweifelhaften Bildern von Rubens'


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[0187] den gedruckten und ungedruckten Beschreibungen der Galerie genannt werden, anfertigte. Da nun die eine dieser drei „Sirenen," deren schwarzes Haar Rubens ans dem ausgeführten Bilde in ein lichtes Blond übersetzte, vermuthlich aus rein malerischen Gründen, ans dem neu erworbnen Berliner Bilde in etwas ver¬ gröberter Auffassung wiederkehrt, überdies auch der greise Triton mit dem Mnschcl- spender des Berliner Bildes übereinstimmt, scheint uns ein neuer Anhaltspunkt für die Datirung des letztem gewonnen zu sein. Um den Kreis der Beweis¬ führung völlig zu schließen, wollen wir noch auf deu Umstand hinweisen, daß das erste der Nnbensschen Bilder, ans welchem Thiere vorkommen, im Jahre 1612 gemalt worden ist, also am Anfang der zweiten Periode seiner Thätigkeit steht. Es ist die berühmte Wolfsjagd, welche Rubens für den General Legcmes malte und die sich jetzt im Besitze des Lord Ashburton in London befindet, ein Ge¬ mälde von hoch dramatischer Bewegung. Und vou demselben reichen drama¬ tischen Leben sind auch fast alle folgenden Thierbilder erfüllt, die zahlreichen Löwen-, Tiger- und Eberjagdeu und die sonderbare Jagd auf Nilpferd und Krokodile in der Galerie von Augsburg, an welcher Waagen die Mitwirkung van Snyders und Jordaens zu erkennen glaubte. Alle diese Bilder müssen in der Zeit von 1612 bis 1620 gemalt worden sein. Denn spätestens um 1620 begann Peter Soutman jene Serie von Jagden zu stechen, in welcher die be¬ rühmtesten und schönsten von der Hand des Meisters vertreten sind. An diesen Capitalstücken hat man gelernt, den Thiermaler Rubens in seinen unübertrefflichen Eigenschaften zu schätzen, den Künstler, der dieses bis dahin uneultivirte Gebiet erschlossen und sich sogleich mit einer Meisterschaft darin bewegt hat, die keiner von seinen Schülern, selbst Franz Snhdcrs nicht, zu erreichen berufen war. Rubens sagte selbst im Jahre 1617, als er seine grandiose Löwenjagd für den Herzog von Baiern schon gemalt hatte, daß Snhdcrs wohl ausgezeichnet sei in der Darstellung todten Gethieres, daß er ihm (Rubens) aber in der Schilderung lebendiger und in Action befindlicher Thiere durchaus nicht gleichkomme. Erst in spätern Jahren gelangte Snyders zu einer größern Sicherheit und Freiheit, wie diejenigen seiner Jagden beweisen, in welchen keine Menschen, sondern bloß Hunde und wilde Thiere vorkommen. Mit dem Bilde also, welches sich Künstler, Kunstfreunde und Laien von dein Thiermaler Rubens gemacht haben, will die Allsführung der Thiere auf dem neu erworbenen Berliner Bilde nicht harmoniren. Das Nilpferd freilich ist, wenn auch etwas zahm und nüchtern behandelt, so doch mit großer Natur¬ wahrheit nach einem lebenden Modell gemalt, und auch der Löwe läßt, wenn er auch den bessern Exemplaren ans andern unzweifelhaften Bildern von Rubens'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/187>, abgerufen am 23.07.2024.