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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mttelcüter.

wegnehmen und ihn als ausgestoßen betrachten, dem Frauenzimmer aber wird
die Nase abgeschnitten. Wenn ein Knecht über einem Diebstahl ertappt wird,
so wird er, falls er schon einmal gestohlen, gehenkt, andernfalls wird er nur
geschoren, geprügelt und gebrandmarkt. Ist er nicht auf frischer That betroffen
worden, so hat er sich am nächsten Tage durch die Probe mit dem glühenden
Eisen von der Beschuldigung zu reinigen ... Wenn jemand ein Dorf oder ein
Haus anzündet, so trifft ihn Abscheeren des Kopfhaares, Prügel und Brand¬
markung. Dieselbe Strafe wird dem Kaufmann angedroht, der in einer Stadt
Waaren kauft, sie zum Heere bringt und sie dort zu theuer verkauft."

Weit strenger noch lauteten die Bestimmungen des Gesetzes, welches Richard
Löwenherz 1190 vor der Einschiffung seines Kreuzheeres nach Syrien erließ.
Es heißt darin u. a.: "Wer auf dem Schiffe einen Menschen tödtet, der wird
mit der Leiche zusammengebunden ins Meer geworfen. Hat er ihn aber am
Lande umgebracht, so wird er mit dem Todten in die Erde begraben. Wenn
einer überführt wird, daß er das Messer gezogen, um nach einem andern zu
stechen, oder daß er einen andern blutig gestochen hat, so soll er die Faust ver¬
lieren." Faustschläge wurden mit dreimaligen Eintauchen ins Meer, Schmäh¬
reden und Verwünschungen mit Geldstrafen geahndet. "Ein des Diebstahls
überführter Knecht wird nach Art eines Zweikämpfers geschoren, dann gießt
man ihm siedendes Pech auf deu Kopf, beschüttet ihn mit Bettfedern und setzt
ihn an der ersten Landungsstelle aus." Eine andere Verordnung des Königs
aus dem genannten Jahre besagt: "Niemand im Heere soll um Gewinn spielen,
ausgenommen die Ritter und Kleriker, welche aber die ganze Nacht und den
ganzen Tag nur 20 solidi verspielen dürfen." Wer in dieser Zeit mehr ver¬
liert, zahlt in die gemeinsame Kasse 100 solidi.

Eigenthümliche Züge finden sich in dem Statut Heinrichs II. von England,
das 1188 erlassen wurde. Nachdem hier den Theilnehmern am Kreuzzuge
allerlei Vortheile gewährt worden sind, wird festgesetzt, daß niemand fluchen
oder Würfel spielen soll. Ferner soll niemand "Bnntwerk, Grauwerk, Zobelpelz
oder Scharlach" tragen, Geistliche wie Laien sollen sich mit zwei Gerichten täg¬
lich begnügen, niemand darf ein Weib mitnehmen, "es wäre denn eine unver¬
dächtige Wäscherin," endlich sind aufgeschnittene und ausgefranste Kleider ver¬
boten.

Des Abends wurde, ehe das Heer zur Ruhe ging, wie es scheint, ein all¬
gemeines Gebet abgehalten. So wenigstens im Lager des Kreuzfahrerheeres,
das Richard Löwenherz führte. Das Itinsi'g.rwM rs^is Rioaräi berichtet: "Es
war Brauch im Heere, daß in jeder Nacht, bevor man sich zum Schlafe nieder¬
legte, ein bestimmter Mann inmitten des Lagers mit lauter Stimme den ge¬
wöhnlichen Ruf: Hilf, heiliges Grab!° erschallen ließ. In diesen Ruf stimmten


Kriegführung im Mttelcüter.

wegnehmen und ihn als ausgestoßen betrachten, dem Frauenzimmer aber wird
die Nase abgeschnitten. Wenn ein Knecht über einem Diebstahl ertappt wird,
so wird er, falls er schon einmal gestohlen, gehenkt, andernfalls wird er nur
geschoren, geprügelt und gebrandmarkt. Ist er nicht auf frischer That betroffen
worden, so hat er sich am nächsten Tage durch die Probe mit dem glühenden
Eisen von der Beschuldigung zu reinigen ... Wenn jemand ein Dorf oder ein
Haus anzündet, so trifft ihn Abscheeren des Kopfhaares, Prügel und Brand¬
markung. Dieselbe Strafe wird dem Kaufmann angedroht, der in einer Stadt
Waaren kauft, sie zum Heere bringt und sie dort zu theuer verkauft."

Weit strenger noch lauteten die Bestimmungen des Gesetzes, welches Richard
Löwenherz 1190 vor der Einschiffung seines Kreuzheeres nach Syrien erließ.
Es heißt darin u. a.: „Wer auf dem Schiffe einen Menschen tödtet, der wird
mit der Leiche zusammengebunden ins Meer geworfen. Hat er ihn aber am
Lande umgebracht, so wird er mit dem Todten in die Erde begraben. Wenn
einer überführt wird, daß er das Messer gezogen, um nach einem andern zu
stechen, oder daß er einen andern blutig gestochen hat, so soll er die Faust ver¬
lieren." Faustschläge wurden mit dreimaligen Eintauchen ins Meer, Schmäh¬
reden und Verwünschungen mit Geldstrafen geahndet. „Ein des Diebstahls
überführter Knecht wird nach Art eines Zweikämpfers geschoren, dann gießt
man ihm siedendes Pech auf deu Kopf, beschüttet ihn mit Bettfedern und setzt
ihn an der ersten Landungsstelle aus." Eine andere Verordnung des Königs
aus dem genannten Jahre besagt: „Niemand im Heere soll um Gewinn spielen,
ausgenommen die Ritter und Kleriker, welche aber die ganze Nacht und den
ganzen Tag nur 20 solidi verspielen dürfen." Wer in dieser Zeit mehr ver¬
liert, zahlt in die gemeinsame Kasse 100 solidi.

Eigenthümliche Züge finden sich in dem Statut Heinrichs II. von England,
das 1188 erlassen wurde. Nachdem hier den Theilnehmern am Kreuzzuge
allerlei Vortheile gewährt worden sind, wird festgesetzt, daß niemand fluchen
oder Würfel spielen soll. Ferner soll niemand „Bnntwerk, Grauwerk, Zobelpelz
oder Scharlach" tragen, Geistliche wie Laien sollen sich mit zwei Gerichten täg¬
lich begnügen, niemand darf ein Weib mitnehmen, „es wäre denn eine unver¬
dächtige Wäscherin," endlich sind aufgeschnittene und ausgefranste Kleider ver¬
boten.

Des Abends wurde, ehe das Heer zur Ruhe ging, wie es scheint, ein all¬
gemeines Gebet abgehalten. So wenigstens im Lager des Kreuzfahrerheeres,
das Richard Löwenherz führte. Das Itinsi'g.rwM rs^is Rioaräi berichtet: „Es
war Brauch im Heere, daß in jeder Nacht, bevor man sich zum Schlafe nieder¬
legte, ein bestimmter Mann inmitten des Lagers mit lauter Stimme den ge¬
wöhnlichen Ruf: Hilf, heiliges Grab!° erschallen ließ. In diesen Ruf stimmten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/98>, abgerufen am 27.12.2024.