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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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gegnen. Mit dem Sturze des assyrischen Reiches hebt die Geschichte der medo-
persischen Herrschaft an, welche universaler war als die Assurs. Mit der
Erzählung von der Neubegründung des Reiches durch Dareios hält der Ver¬
fasser in der Geschichte des Orients überhaupt inne. "Denn nur darauf kam
es an, die innern Conflicte der ältesten Welt so weit in Erinnerung zu bringen,
als ein ruhiger und haltbarer Zustand aus ihnen hervorging." Damit beginnt
die Geschichte der Hellenen.

Eine allgemeine Politik hatten die Hellenen nicht. "Mit den großen Po-
tenzen, deren bei der orientalischen Geschichte gedacht ist, lassen sie sich uicht
vergleichen. Sind doch ihre Landschaften und Städte von geringerm Umfange.
Aber in ihrer Unabhängigkeit und Beschränktheit haben sie, in stetem Kampfe in
sich selbst und unter einander die Grundlagen der Staatsformen hervorgebracht,
welche sich überhaupt in der Welt gebildet haben." Nach einem kurzen Gange
durch die Staatsverfassungen des Landes schildert Ranke das Zusammentreffen
der Griechen mit dein persischen Weltreiche, durch welches erst die reichen Kräfte
des griechischen Volkes zu glücklicher Entfaltung kamen, aber auch der Grund
gelegt wurde zu dem mörderischen Kampfe der um die Führung ringenden
Hauptstaaten Athen und Sparta. Das Vorhaben der Stadt des Perikles, der Vor¬
ort von Hellas zu werden, scheiterte, aber die geistige Entwicklung Athens war
ein Erlverb, den kein Mißgeschick zerstören konnte. Athen wurde zum Vororte
der geistigen Cultur der Menschheit überhaupt. "Vom ausgehenden 6. Jahr¬
hundert bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts vollzieht sich ein geistiges
Ereigniß von der größten Bedeutung für die Menschheit. Die Dichter und
Denker suchen die schwersten Probleme, die das Verhältniß des Göttlichen zu
dem Menschlichen betreffen, zu lösen, jeder auf seine Weise, alle in ununter-
brochener Continuität, so daß sich in ihrer Gesammtprvduetion ein Resultat
darstellt, welches für die Menschheit einen unschätzbaren Werth hat, nicht so
sehr als Lehre und Dogma, sondern als Vergegenwärtigung der großen Ge¬
danken, aus denen das innere Leben der geistigen Welt entspringt." So zeichnet
uns der Verfasser die Philosophen und Dichter von Thales und Pindar an
bis auf Aristoteles und zwar immer von einem bestimmten Gesichtspunkte aus.
Er will Antagonismus und Fortbildung der Ideen über die göttlichen Dinge
in der griechischen Literatur darstellen.

Damit ist der Höhepunkt der griechischen Geschichte überhaupt erreicht.
Es folgen die Erhebungen der Griechen gegen die spartanische Führerschaft, der
Sieg Thebens, endlich das Emporsteigen des mächtigen Makedoniens, die Unter¬
werfung Griechenlands und des großen Alexanders Werk, die Eroberung des
Orients. Eine kurze Uebersicht über die Geschichte der makedonisch-hellenistischen
Königreiche und ein Blick auf Karthago und Syrakus schließt den ersten Theil


gegnen. Mit dem Sturze des assyrischen Reiches hebt die Geschichte der medo-
persischen Herrschaft an, welche universaler war als die Assurs. Mit der
Erzählung von der Neubegründung des Reiches durch Dareios hält der Ver¬
fasser in der Geschichte des Orients überhaupt inne. „Denn nur darauf kam
es an, die innern Conflicte der ältesten Welt so weit in Erinnerung zu bringen,
als ein ruhiger und haltbarer Zustand aus ihnen hervorging." Damit beginnt
die Geschichte der Hellenen.

Eine allgemeine Politik hatten die Hellenen nicht. „Mit den großen Po-
tenzen, deren bei der orientalischen Geschichte gedacht ist, lassen sie sich uicht
vergleichen. Sind doch ihre Landschaften und Städte von geringerm Umfange.
Aber in ihrer Unabhängigkeit und Beschränktheit haben sie, in stetem Kampfe in
sich selbst und unter einander die Grundlagen der Staatsformen hervorgebracht,
welche sich überhaupt in der Welt gebildet haben." Nach einem kurzen Gange
durch die Staatsverfassungen des Landes schildert Ranke das Zusammentreffen
der Griechen mit dein persischen Weltreiche, durch welches erst die reichen Kräfte
des griechischen Volkes zu glücklicher Entfaltung kamen, aber auch der Grund
gelegt wurde zu dem mörderischen Kampfe der um die Führung ringenden
Hauptstaaten Athen und Sparta. Das Vorhaben der Stadt des Perikles, der Vor¬
ort von Hellas zu werden, scheiterte, aber die geistige Entwicklung Athens war
ein Erlverb, den kein Mißgeschick zerstören konnte. Athen wurde zum Vororte
der geistigen Cultur der Menschheit überhaupt. „Vom ausgehenden 6. Jahr¬
hundert bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts vollzieht sich ein geistiges
Ereigniß von der größten Bedeutung für die Menschheit. Die Dichter und
Denker suchen die schwersten Probleme, die das Verhältniß des Göttlichen zu
dem Menschlichen betreffen, zu lösen, jeder auf seine Weise, alle in ununter-
brochener Continuität, so daß sich in ihrer Gesammtprvduetion ein Resultat
darstellt, welches für die Menschheit einen unschätzbaren Werth hat, nicht so
sehr als Lehre und Dogma, sondern als Vergegenwärtigung der großen Ge¬
danken, aus denen das innere Leben der geistigen Welt entspringt." So zeichnet
uns der Verfasser die Philosophen und Dichter von Thales und Pindar an
bis auf Aristoteles und zwar immer von einem bestimmten Gesichtspunkte aus.
Er will Antagonismus und Fortbildung der Ideen über die göttlichen Dinge
in der griechischen Literatur darstellen.

Damit ist der Höhepunkt der griechischen Geschichte überhaupt erreicht.
Es folgen die Erhebungen der Griechen gegen die spartanische Führerschaft, der
Sieg Thebens, endlich das Emporsteigen des mächtigen Makedoniens, die Unter¬
werfung Griechenlands und des großen Alexanders Werk, die Eroberung des
Orients. Eine kurze Uebersicht über die Geschichte der makedonisch-hellenistischen
Königreiche und ein Blick auf Karthago und Syrakus schließt den ersten Theil


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[0053] gegnen. Mit dem Sturze des assyrischen Reiches hebt die Geschichte der medo- persischen Herrschaft an, welche universaler war als die Assurs. Mit der Erzählung von der Neubegründung des Reiches durch Dareios hält der Ver¬ fasser in der Geschichte des Orients überhaupt inne. „Denn nur darauf kam es an, die innern Conflicte der ältesten Welt so weit in Erinnerung zu bringen, als ein ruhiger und haltbarer Zustand aus ihnen hervorging." Damit beginnt die Geschichte der Hellenen. Eine allgemeine Politik hatten die Hellenen nicht. „Mit den großen Po- tenzen, deren bei der orientalischen Geschichte gedacht ist, lassen sie sich uicht vergleichen. Sind doch ihre Landschaften und Städte von geringerm Umfange. Aber in ihrer Unabhängigkeit und Beschränktheit haben sie, in stetem Kampfe in sich selbst und unter einander die Grundlagen der Staatsformen hervorgebracht, welche sich überhaupt in der Welt gebildet haben." Nach einem kurzen Gange durch die Staatsverfassungen des Landes schildert Ranke das Zusammentreffen der Griechen mit dein persischen Weltreiche, durch welches erst die reichen Kräfte des griechischen Volkes zu glücklicher Entfaltung kamen, aber auch der Grund gelegt wurde zu dem mörderischen Kampfe der um die Führung ringenden Hauptstaaten Athen und Sparta. Das Vorhaben der Stadt des Perikles, der Vor¬ ort von Hellas zu werden, scheiterte, aber die geistige Entwicklung Athens war ein Erlverb, den kein Mißgeschick zerstören konnte. Athen wurde zum Vororte der geistigen Cultur der Menschheit überhaupt. „Vom ausgehenden 6. Jahr¬ hundert bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts vollzieht sich ein geistiges Ereigniß von der größten Bedeutung für die Menschheit. Die Dichter und Denker suchen die schwersten Probleme, die das Verhältniß des Göttlichen zu dem Menschlichen betreffen, zu lösen, jeder auf seine Weise, alle in ununter- brochener Continuität, so daß sich in ihrer Gesammtprvduetion ein Resultat darstellt, welches für die Menschheit einen unschätzbaren Werth hat, nicht so sehr als Lehre und Dogma, sondern als Vergegenwärtigung der großen Ge¬ danken, aus denen das innere Leben der geistigen Welt entspringt." So zeichnet uns der Verfasser die Philosophen und Dichter von Thales und Pindar an bis auf Aristoteles und zwar immer von einem bestimmten Gesichtspunkte aus. Er will Antagonismus und Fortbildung der Ideen über die göttlichen Dinge in der griechischen Literatur darstellen. Damit ist der Höhepunkt der griechischen Geschichte überhaupt erreicht. Es folgen die Erhebungen der Griechen gegen die spartanische Führerschaft, der Sieg Thebens, endlich das Emporsteigen des mächtigen Makedoniens, die Unter¬ werfung Griechenlands und des großen Alexanders Werk, die Eroberung des Orients. Eine kurze Uebersicht über die Geschichte der makedonisch-hellenistischen Königreiche und ein Blick auf Karthago und Syrakus schließt den ersten Theil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/53>, abgerufen am 27.12.2024.