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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Leopold on>n Rankes Weltgeschichte.

Sprachwissenschaft emporgekommen, welche, aus ausgebreiteter und eingehender
Gelehrsamkeit beruhend, die Völkerverwandtschaften von einander zu scheiden
und einander gegenüber zu bestimmen mit Erfolg unternimmt." Die genetische
Durcharbeitung dieser Studienkreise und ihrer gegenseitigen Beziehungen bezeichnet
Ranke wohl als erwünscht, aber er meint, daß eine solche Arbeit einer Ency¬
clopädie des historischen Wissens zur Zierde gereichen würde, nicht jedoch in
einer Weltgeschichte Aufnahme finden könne. "Diese hat sich nur die evidenten
Resultate der Forschung zu eigen zu macheu. Die Geschichte beginnt erst, wo
die Monumente verständlich werden und glaubwürdige schriftliche Aufzeichnungen
vorliegen. Dann aber ist ihr Gebiet ein unermeßliches. In der Bedeutung,
die wir mit dem Worte verbinden, umfaßt Weltgeschichte die Begebenheiten aller
Nationen und Zeiten, wohlverstanden jedoch, nicht ohne eine nähere Bestimmung,
welche ihre wissenschaftliche Behandlung erst möglich macht."

Zwei Wege nämlich konnte Ranke gehen. Entweder er riß sich von dem
festen Boden der Nationalgerichte los und behandelte die Weltgeschichte nach
der Weise der Universalhistvriker früherer Jahrhunderte, oder er schrieb Völker¬
geschichten. Auf dein ersten Wege würde die Weltgeschichte in Phantasien und
Philosopheme ausarte". Aber auch der letztere Weg, der in diesem Jahrhun¬
dert wiederholt eingeschlagen worden ist und der noch kürzlich wieder in der
bekannten Sammlung Onckens befolgt wurde, scheint ihn, nicht der richtige. Er
meint, daß eine Sammlung der Völkergeschichten in engerm oder weiteren
Rahmen doch noch keine Weltgeschichte ausmachen würde: sie würde den Zu¬
sammenhang der Dinge aus den Augen verlieren. Allerdings erscheint in den
Nationen selbst die Geschichte der Menschheit. "Aber die Nationen können in
keinem andern Zusammenhange in Betracht kommen, als inwiefern sie, die eine
auf die andere wirkend, nach einander erscheinen und mit einander eine leben¬
dige Gesammtheit ausmachen." Es giebt, so entwickelt er weiter, ein historisches
Leben, welches sich, fortschreitend von einer Nation zur andern, von einem
Völkerkreise zum andern bewegt. Eben in dem Kampfe der verschiedenen Völker-
systeme ist die allgemeine Geschichte entsprungen und sind die Nationalitäten
zum Bewußtsein ihrer selbst gekommen. Die Aufgabe der welthistorischen Wissen¬
schaft würde darin bestehen, diesen Zusammenhang zu erkennen, den Gang der
großen Begebenheiten, welche alle Völker verbindet und beherrscht, darzulegen.
Der Plan Rankes geht also dahin, das allgemeine Leben der Menschheit und
das besondere wenigstens der vorwaltenden Nationen zu erforschen und zu ver¬
stehe". Nach den Gesetze" der historischen Kritik soll die Geschichte der wich¬
tigsten Culturvölker geprüft werden, das Allgemeine dabei aber nicht außer
Acht bleiben, denn "die kritische Forschung auf der einen, das zusammenfassende
Verständniß auf der andern Seite können einander nicht anders als unterstützen."


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Leopold on>n Rankes Weltgeschichte.

Sprachwissenschaft emporgekommen, welche, aus ausgebreiteter und eingehender
Gelehrsamkeit beruhend, die Völkerverwandtschaften von einander zu scheiden
und einander gegenüber zu bestimmen mit Erfolg unternimmt." Die genetische
Durcharbeitung dieser Studienkreise und ihrer gegenseitigen Beziehungen bezeichnet
Ranke wohl als erwünscht, aber er meint, daß eine solche Arbeit einer Ency¬
clopädie des historischen Wissens zur Zierde gereichen würde, nicht jedoch in
einer Weltgeschichte Aufnahme finden könne. „Diese hat sich nur die evidenten
Resultate der Forschung zu eigen zu macheu. Die Geschichte beginnt erst, wo
die Monumente verständlich werden und glaubwürdige schriftliche Aufzeichnungen
vorliegen. Dann aber ist ihr Gebiet ein unermeßliches. In der Bedeutung,
die wir mit dem Worte verbinden, umfaßt Weltgeschichte die Begebenheiten aller
Nationen und Zeiten, wohlverstanden jedoch, nicht ohne eine nähere Bestimmung,
welche ihre wissenschaftliche Behandlung erst möglich macht."

Zwei Wege nämlich konnte Ranke gehen. Entweder er riß sich von dem
festen Boden der Nationalgerichte los und behandelte die Weltgeschichte nach
der Weise der Universalhistvriker früherer Jahrhunderte, oder er schrieb Völker¬
geschichten. Auf dein ersten Wege würde die Weltgeschichte in Phantasien und
Philosopheme ausarte». Aber auch der letztere Weg, der in diesem Jahrhun¬
dert wiederholt eingeschlagen worden ist und der noch kürzlich wieder in der
bekannten Sammlung Onckens befolgt wurde, scheint ihn, nicht der richtige. Er
meint, daß eine Sammlung der Völkergeschichten in engerm oder weiteren
Rahmen doch noch keine Weltgeschichte ausmachen würde: sie würde den Zu¬
sammenhang der Dinge aus den Augen verlieren. Allerdings erscheint in den
Nationen selbst die Geschichte der Menschheit. „Aber die Nationen können in
keinem andern Zusammenhange in Betracht kommen, als inwiefern sie, die eine
auf die andere wirkend, nach einander erscheinen und mit einander eine leben¬
dige Gesammtheit ausmachen." Es giebt, so entwickelt er weiter, ein historisches
Leben, welches sich, fortschreitend von einer Nation zur andern, von einem
Völkerkreise zum andern bewegt. Eben in dem Kampfe der verschiedenen Völker-
systeme ist die allgemeine Geschichte entsprungen und sind die Nationalitäten
zum Bewußtsein ihrer selbst gekommen. Die Aufgabe der welthistorischen Wissen¬
schaft würde darin bestehen, diesen Zusammenhang zu erkennen, den Gang der
großen Begebenheiten, welche alle Völker verbindet und beherrscht, darzulegen.
Der Plan Rankes geht also dahin, das allgemeine Leben der Menschheit und
das besondere wenigstens der vorwaltenden Nationen zu erforschen und zu ver¬
stehe». Nach den Gesetze» der historischen Kritik soll die Geschichte der wich¬
tigsten Culturvölker geprüft werden, das Allgemeine dabei aber nicht außer
Acht bleiben, denn „die kritische Forschung auf der einen, das zusammenfassende
Verständniß auf der andern Seite können einander nicht anders als unterstützen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/51>, abgerufen am 27.12.2024.