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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

er alle die Oelbilder unterbringen sollte, die seine Schüler producirten. Einen
Export nach Holland, England und Amerika gab es damals noch nicht und
konnte es auch nicht geben, da die Schule noch keinen Ruf hatte, und so mußte
eine Abzugsquelle im Inlande geschaffen werden. Der Staat als solcher kaufte
damals noch keine Bilder, und die Zahl der Kunstfreunde im Publicum war
eine äußerst geringe. Der Ausweg, um der starken Production einen Abfluß
zu verschaffen, wurde im Jahre 1829 durch die Gründung des "Kunstvereins
für die Rheinlande und Westfalen" gefunden. Die Mitglieder sollten durch
jährliche Beiträge einen Fonds zum Ankaufe von Kunstwerken zusammenbringen,
welche zum Theil unter die Mitglieder verlooft werden, zum Theil einer öffent¬
lichen Bestimmung überwiesen werden sollten, und zwar war für den letztern
Zweck ein Fünftel der Jahresbeiträge reservirt worden. Da der Verein sowohl
in den beiden Provinzen als auch in andern Theilen Preußens, namentlich in
Berlin, zahlreiche Mitglieder fand, war die erste Sorge gehoben, und Schadow
konnte sich wieder ungestört seiner organisatorischen Thätigkeit widmen, deren
Frucht das Reglement von 1831 war.

Das zweite der neuen Grundelemente, die Schadow mitbrachte, war der
Realismus. Wir dürfen darunter natürlich noch nicht den Begriff verstehen,
welcher heute mit diesem Namen bezeichnet wird. Auf seine eigne künstlerische
Thätigkeit betrachtet, würde Schadow heute vielleicht sogar als Idealist gelten
können. Damals war er aber ein Realist im vollsten Sinne des Wortes, indem
er nämlich der conventionellen Ideal-Typik seines Vorgängers die Mannichfaltigkeit
der Natur, die Fülle der Individuen gegenüberstellte. Der Realismus gehört
zum Gefolge der Oelmcilerei, welche sich nicht, wie das Fresko, mit Andeutungen
begnügt, sondern alles klipp und klar ausgedrückt wissen will. Aus unsern
heutigen Erfahrungen und Anschauungen betrachtet, war allerdings der Realismus
Schadows noch ziemlich zahm und unbestimmt. Es bleibt ihm aber doch das
unsterbliche Verdienst, seine Schüler mit aller Energie auf die Spuren der Natur
gewiesen und damit das Feld urbar gemacht zu haben, auf welchem die Lorbeeren
der Düsseldorfer Schule gewachsen sind.

, Ueberraschend schnell stieg unter Schadows rühriger Leitung die Frequenz
der Akademie. Schon nach wenigen Jahren hatten sich zweihundert Schüler zu¬
sammengefunden, denen die Räume des alten Gebäudes zu eng wurden. Bot
Düsseldorf damals doch geistiger Anregungen genug, welche die Akademie zu einer
Concurrenz mit der Berliner fähig machten. Schadows Haus war der Sammel¬
platz der ausgezeichneten Geister, welche damals das kleine Düsseldorf beherbergte.
Dort fanden sich Karl Immermann, Friedrich von Uechtritz, Karl Schnaase und
die Koryphäen der Musik, Felix Mendelssohn, Robert Schumann und Ferdinand


Gu'iizbotcn I. 1881. 65
Die Düsseldorfer Schule.

er alle die Oelbilder unterbringen sollte, die seine Schüler producirten. Einen
Export nach Holland, England und Amerika gab es damals noch nicht und
konnte es auch nicht geben, da die Schule noch keinen Ruf hatte, und so mußte
eine Abzugsquelle im Inlande geschaffen werden. Der Staat als solcher kaufte
damals noch keine Bilder, und die Zahl der Kunstfreunde im Publicum war
eine äußerst geringe. Der Ausweg, um der starken Production einen Abfluß
zu verschaffen, wurde im Jahre 1829 durch die Gründung des „Kunstvereins
für die Rheinlande und Westfalen" gefunden. Die Mitglieder sollten durch
jährliche Beiträge einen Fonds zum Ankaufe von Kunstwerken zusammenbringen,
welche zum Theil unter die Mitglieder verlooft werden, zum Theil einer öffent¬
lichen Bestimmung überwiesen werden sollten, und zwar war für den letztern
Zweck ein Fünftel der Jahresbeiträge reservirt worden. Da der Verein sowohl
in den beiden Provinzen als auch in andern Theilen Preußens, namentlich in
Berlin, zahlreiche Mitglieder fand, war die erste Sorge gehoben, und Schadow
konnte sich wieder ungestört seiner organisatorischen Thätigkeit widmen, deren
Frucht das Reglement von 1831 war.

Das zweite der neuen Grundelemente, die Schadow mitbrachte, war der
Realismus. Wir dürfen darunter natürlich noch nicht den Begriff verstehen,
welcher heute mit diesem Namen bezeichnet wird. Auf seine eigne künstlerische
Thätigkeit betrachtet, würde Schadow heute vielleicht sogar als Idealist gelten
können. Damals war er aber ein Realist im vollsten Sinne des Wortes, indem
er nämlich der conventionellen Ideal-Typik seines Vorgängers die Mannichfaltigkeit
der Natur, die Fülle der Individuen gegenüberstellte. Der Realismus gehört
zum Gefolge der Oelmcilerei, welche sich nicht, wie das Fresko, mit Andeutungen
begnügt, sondern alles klipp und klar ausgedrückt wissen will. Aus unsern
heutigen Erfahrungen und Anschauungen betrachtet, war allerdings der Realismus
Schadows noch ziemlich zahm und unbestimmt. Es bleibt ihm aber doch das
unsterbliche Verdienst, seine Schüler mit aller Energie auf die Spuren der Natur
gewiesen und damit das Feld urbar gemacht zu haben, auf welchem die Lorbeeren
der Düsseldorfer Schule gewachsen sind.

, Ueberraschend schnell stieg unter Schadows rühriger Leitung die Frequenz
der Akademie. Schon nach wenigen Jahren hatten sich zweihundert Schüler zu¬
sammengefunden, denen die Räume des alten Gebäudes zu eng wurden. Bot
Düsseldorf damals doch geistiger Anregungen genug, welche die Akademie zu einer
Concurrenz mit der Berliner fähig machten. Schadows Haus war der Sammel¬
platz der ausgezeichneten Geister, welche damals das kleine Düsseldorf beherbergte.
Dort fanden sich Karl Immermann, Friedrich von Uechtritz, Karl Schnaase und
die Koryphäen der Musik, Felix Mendelssohn, Robert Schumann und Ferdinand


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[0501] Die Düsseldorfer Schule. er alle die Oelbilder unterbringen sollte, die seine Schüler producirten. Einen Export nach Holland, England und Amerika gab es damals noch nicht und konnte es auch nicht geben, da die Schule noch keinen Ruf hatte, und so mußte eine Abzugsquelle im Inlande geschaffen werden. Der Staat als solcher kaufte damals noch keine Bilder, und die Zahl der Kunstfreunde im Publicum war eine äußerst geringe. Der Ausweg, um der starken Production einen Abfluß zu verschaffen, wurde im Jahre 1829 durch die Gründung des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen" gefunden. Die Mitglieder sollten durch jährliche Beiträge einen Fonds zum Ankaufe von Kunstwerken zusammenbringen, welche zum Theil unter die Mitglieder verlooft werden, zum Theil einer öffent¬ lichen Bestimmung überwiesen werden sollten, und zwar war für den letztern Zweck ein Fünftel der Jahresbeiträge reservirt worden. Da der Verein sowohl in den beiden Provinzen als auch in andern Theilen Preußens, namentlich in Berlin, zahlreiche Mitglieder fand, war die erste Sorge gehoben, und Schadow konnte sich wieder ungestört seiner organisatorischen Thätigkeit widmen, deren Frucht das Reglement von 1831 war. Das zweite der neuen Grundelemente, die Schadow mitbrachte, war der Realismus. Wir dürfen darunter natürlich noch nicht den Begriff verstehen, welcher heute mit diesem Namen bezeichnet wird. Auf seine eigne künstlerische Thätigkeit betrachtet, würde Schadow heute vielleicht sogar als Idealist gelten können. Damals war er aber ein Realist im vollsten Sinne des Wortes, indem er nämlich der conventionellen Ideal-Typik seines Vorgängers die Mannichfaltigkeit der Natur, die Fülle der Individuen gegenüberstellte. Der Realismus gehört zum Gefolge der Oelmcilerei, welche sich nicht, wie das Fresko, mit Andeutungen begnügt, sondern alles klipp und klar ausgedrückt wissen will. Aus unsern heutigen Erfahrungen und Anschauungen betrachtet, war allerdings der Realismus Schadows noch ziemlich zahm und unbestimmt. Es bleibt ihm aber doch das unsterbliche Verdienst, seine Schüler mit aller Energie auf die Spuren der Natur gewiesen und damit das Feld urbar gemacht zu haben, auf welchem die Lorbeeren der Düsseldorfer Schule gewachsen sind. , Ueberraschend schnell stieg unter Schadows rühriger Leitung die Frequenz der Akademie. Schon nach wenigen Jahren hatten sich zweihundert Schüler zu¬ sammengefunden, denen die Räume des alten Gebäudes zu eng wurden. Bot Düsseldorf damals doch geistiger Anregungen genug, welche die Akademie zu einer Concurrenz mit der Berliner fähig machten. Schadows Haus war der Sammel¬ platz der ausgezeichneten Geister, welche damals das kleine Düsseldorf beherbergte. Dort fanden sich Karl Immermann, Friedrich von Uechtritz, Karl Schnaase und die Koryphäen der Musik, Felix Mendelssohn, Robert Schumann und Ferdinand Gu'iizbotcn I. 1881. 65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/501>, abgerufen am 28.12.2024.