Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Düsseldorfer Schule,

eintreten lassen; das Jüngste Gericht in Coblenz dürfte nicht einmal seiner nahen
Vollendung entgegengeführt werden; die Arbeiten in Bonn wurden, im Wider¬
spruch mit der Zusage von Altensteins (die der Minister in allerdings sehr reser-
virter Form Försters Bruder gegenüber in Berlin gemacht hatte), der Mit¬
wirkung von Cornelius entzogen, als akademische Angelegenheit von Düsseldorf
erklärt und als solche in Götzeubergers Hände gegeben. Die Leitung der Akademie
ward W. Schadow übertragen, der die Schule in eine neue Bahn führte. Die
Kunstrichtung und Schule von Cornelius verlor sich bis auf die letzte Spur."

Bis auf die letzte Spur! Ein melancholisches Wort, und doch trifft es
den Nagel auf den Kopf. Das bronzene Denkmal, welches man vor zwei Jahren
am Eingange des herrlichen Parkes im Herzen Düsseldorfs errichtet hat, gilt
nicht dem Nkadcmicdireetor, sondern dem ruhmvollen Sohne der Stadt. Gegen¬
über aber, auf dem kleinen von Häusern umgebenen Platze, in eiuer viel nüch¬
ternern Umgebung, erhebt sich die schlichte Erzbüste des Mannes, welcher der
wahre Begründer der Düsseldorfer Schule wurde, welcher dauernd die edle Kunst
der Malerei an die freundliche Gartenstadt fesselte, Wilhelm von Schadows.

Anderthalb Jahre lang nach dem Abgange von Cornelius mußte die Aka¬
demie zwar noch unter der interinnstischen Leitung des Professors Mosler ein
Scheinleben führen. Erst im November 1826 traf Schadow in Düsseldorf ein,
aber sofort begleitet von einer stattlichen Anzahl ausgezeichneter Schüler, die sich,
anders als die Cornelianer, bald Namen begründen sollten, deren Glanz
zum Theil den ihres Meisters überstrahlte. Es waren K. F. Lessing. Julius
Hühner, Theodor Hildebrandt, Karl Sohn, Heinrich Mücke und Christian Köhler,
die bald aus der Reihe der Schüler in die der Lehrer und Meister emporstiegen.
Schadow, ganz erfüllt von den künstlerischen Principien und der Lehrmethode
seines Vaters Gottfried, der auch als geistiger Vater der Düsseldorfer Schule
anzusehen ist, machte eine vollständige Reorganisation und systematische Ordnung
des akademischen Unterrichts zum Gegenstande seiner ersten Sorge. Er theilte
die Akademie in drei von einander streng abgegrenzte Classen. In der ersten, der
Elemcntarelasse, wurden, wie der Name sagt, die ersten Elemente des Zeichen¬
unterrichts gelehrt. Die zweite oder Vorbereitungselasse zerfiel in zwei Stufen:
in der untern wurde das Zeichnen nach der Antike, dein lebenden Modell, die
Drapierung, die Perspective, die Proportionen des menschlichen Körpers, Ana¬
tomie, architektonisches Zeichnen und Kunstgeschichte gelehrt; in der obern Stufe,
welche wiederum in vier Abtheilungen geschieden war: Malerschule, Bau-, Kupfer¬
stecher- und Bildhnuerschule. begann der eigentliche Fachunterricht. Die Bild¬
hauerschule bestand nnr auf dem Papier. Die dritte Classe endlich umfaßte die
"ausübenden Eleven", d. h. diejenigen, welche ihre Befähigung zur Erfindung


Die Düsseldorfer Schule,

eintreten lassen; das Jüngste Gericht in Coblenz dürfte nicht einmal seiner nahen
Vollendung entgegengeführt werden; die Arbeiten in Bonn wurden, im Wider¬
spruch mit der Zusage von Altensteins (die der Minister in allerdings sehr reser-
virter Form Försters Bruder gegenüber in Berlin gemacht hatte), der Mit¬
wirkung von Cornelius entzogen, als akademische Angelegenheit von Düsseldorf
erklärt und als solche in Götzeubergers Hände gegeben. Die Leitung der Akademie
ward W. Schadow übertragen, der die Schule in eine neue Bahn führte. Die
Kunstrichtung und Schule von Cornelius verlor sich bis auf die letzte Spur."

Bis auf die letzte Spur! Ein melancholisches Wort, und doch trifft es
den Nagel auf den Kopf. Das bronzene Denkmal, welches man vor zwei Jahren
am Eingange des herrlichen Parkes im Herzen Düsseldorfs errichtet hat, gilt
nicht dem Nkadcmicdireetor, sondern dem ruhmvollen Sohne der Stadt. Gegen¬
über aber, auf dem kleinen von Häusern umgebenen Platze, in eiuer viel nüch¬
ternern Umgebung, erhebt sich die schlichte Erzbüste des Mannes, welcher der
wahre Begründer der Düsseldorfer Schule wurde, welcher dauernd die edle Kunst
der Malerei an die freundliche Gartenstadt fesselte, Wilhelm von Schadows.

Anderthalb Jahre lang nach dem Abgange von Cornelius mußte die Aka¬
demie zwar noch unter der interinnstischen Leitung des Professors Mosler ein
Scheinleben führen. Erst im November 1826 traf Schadow in Düsseldorf ein,
aber sofort begleitet von einer stattlichen Anzahl ausgezeichneter Schüler, die sich,
anders als die Cornelianer, bald Namen begründen sollten, deren Glanz
zum Theil den ihres Meisters überstrahlte. Es waren K. F. Lessing. Julius
Hühner, Theodor Hildebrandt, Karl Sohn, Heinrich Mücke und Christian Köhler,
die bald aus der Reihe der Schüler in die der Lehrer und Meister emporstiegen.
Schadow, ganz erfüllt von den künstlerischen Principien und der Lehrmethode
seines Vaters Gottfried, der auch als geistiger Vater der Düsseldorfer Schule
anzusehen ist, machte eine vollständige Reorganisation und systematische Ordnung
des akademischen Unterrichts zum Gegenstande seiner ersten Sorge. Er theilte
die Akademie in drei von einander streng abgegrenzte Classen. In der ersten, der
Elemcntarelasse, wurden, wie der Name sagt, die ersten Elemente des Zeichen¬
unterrichts gelehrt. Die zweite oder Vorbereitungselasse zerfiel in zwei Stufen:
in der untern wurde das Zeichnen nach der Antike, dein lebenden Modell, die
Drapierung, die Perspective, die Proportionen des menschlichen Körpers, Ana¬
tomie, architektonisches Zeichnen und Kunstgeschichte gelehrt; in der obern Stufe,
welche wiederum in vier Abtheilungen geschieden war: Malerschule, Bau-, Kupfer¬
stecher- und Bildhnuerschule. begann der eigentliche Fachunterricht. Die Bild¬
hauerschule bestand nnr auf dem Papier. Die dritte Classe endlich umfaßte die
„ausübenden Eleven", d. h. diejenigen, welche ihre Befähigung zur Erfindung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149483"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Düsseldorfer Schule,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1402" prev="#ID_1401"> eintreten lassen; das Jüngste Gericht in Coblenz dürfte nicht einmal seiner nahen<lb/>
Vollendung entgegengeführt werden; die Arbeiten in Bonn wurden, im Wider¬<lb/>
spruch mit der Zusage von Altensteins (die der Minister in allerdings sehr reser-<lb/>
virter Form Försters Bruder gegenüber in Berlin gemacht hatte), der Mit¬<lb/>
wirkung von Cornelius entzogen, als akademische Angelegenheit von Düsseldorf<lb/>
erklärt und als solche in Götzeubergers Hände gegeben. Die Leitung der Akademie<lb/>
ward W. Schadow übertragen, der die Schule in eine neue Bahn führte. Die<lb/>
Kunstrichtung und Schule von Cornelius verlor sich bis auf die letzte Spur."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1403"> Bis auf die letzte Spur! Ein melancholisches Wort, und doch trifft es<lb/>
den Nagel auf den Kopf. Das bronzene Denkmal, welches man vor zwei Jahren<lb/>
am Eingange des herrlichen Parkes im Herzen Düsseldorfs errichtet hat, gilt<lb/>
nicht dem Nkadcmicdireetor, sondern dem ruhmvollen Sohne der Stadt. Gegen¬<lb/>
über aber, auf dem kleinen von Häusern umgebenen Platze, in eiuer viel nüch¬<lb/>
ternern Umgebung, erhebt sich die schlichte Erzbüste des Mannes, welcher der<lb/>
wahre Begründer der Düsseldorfer Schule wurde, welcher dauernd die edle Kunst<lb/>
der Malerei an die freundliche Gartenstadt fesselte, Wilhelm von Schadows.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1404" next="#ID_1405"> Anderthalb Jahre lang nach dem Abgange von Cornelius mußte die Aka¬<lb/>
demie zwar noch unter der interinnstischen Leitung des Professors Mosler ein<lb/>
Scheinleben führen. Erst im November 1826 traf Schadow in Düsseldorf ein,<lb/>
aber sofort begleitet von einer stattlichen Anzahl ausgezeichneter Schüler, die sich,<lb/>
anders als die Cornelianer, bald Namen begründen sollten, deren Glanz<lb/>
zum Theil den ihres Meisters überstrahlte. Es waren K. F. Lessing. Julius<lb/>
Hühner, Theodor Hildebrandt, Karl Sohn, Heinrich Mücke und Christian Köhler,<lb/>
die bald aus der Reihe der Schüler in die der Lehrer und Meister emporstiegen.<lb/>
Schadow, ganz erfüllt von den künstlerischen Principien und der Lehrmethode<lb/>
seines Vaters Gottfried, der auch als geistiger Vater der Düsseldorfer Schule<lb/>
anzusehen ist, machte eine vollständige Reorganisation und systematische Ordnung<lb/>
des akademischen Unterrichts zum Gegenstande seiner ersten Sorge. Er theilte<lb/>
die Akademie in drei von einander streng abgegrenzte Classen. In der ersten, der<lb/>
Elemcntarelasse, wurden, wie der Name sagt, die ersten Elemente des Zeichen¬<lb/>
unterrichts gelehrt. Die zweite oder Vorbereitungselasse zerfiel in zwei Stufen:<lb/>
in der untern wurde das Zeichnen nach der Antike, dein lebenden Modell, die<lb/>
Drapierung, die Perspective, die Proportionen des menschlichen Körpers, Ana¬<lb/>
tomie, architektonisches Zeichnen und Kunstgeschichte gelehrt; in der obern Stufe,<lb/>
welche wiederum in vier Abtheilungen geschieden war: Malerschule, Bau-, Kupfer¬<lb/>
stecher- und Bildhnuerschule. begann der eigentliche Fachunterricht. Die Bild¬<lb/>
hauerschule bestand nnr auf dem Papier. Die dritte Classe endlich umfaßte die<lb/>
&#x201E;ausübenden Eleven", d. h. diejenigen, welche ihre Befähigung zur Erfindung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] Die Düsseldorfer Schule, eintreten lassen; das Jüngste Gericht in Coblenz dürfte nicht einmal seiner nahen Vollendung entgegengeführt werden; die Arbeiten in Bonn wurden, im Wider¬ spruch mit der Zusage von Altensteins (die der Minister in allerdings sehr reser- virter Form Försters Bruder gegenüber in Berlin gemacht hatte), der Mit¬ wirkung von Cornelius entzogen, als akademische Angelegenheit von Düsseldorf erklärt und als solche in Götzeubergers Hände gegeben. Die Leitung der Akademie ward W. Schadow übertragen, der die Schule in eine neue Bahn führte. Die Kunstrichtung und Schule von Cornelius verlor sich bis auf die letzte Spur." Bis auf die letzte Spur! Ein melancholisches Wort, und doch trifft es den Nagel auf den Kopf. Das bronzene Denkmal, welches man vor zwei Jahren am Eingange des herrlichen Parkes im Herzen Düsseldorfs errichtet hat, gilt nicht dem Nkadcmicdireetor, sondern dem ruhmvollen Sohne der Stadt. Gegen¬ über aber, auf dem kleinen von Häusern umgebenen Platze, in eiuer viel nüch¬ ternern Umgebung, erhebt sich die schlichte Erzbüste des Mannes, welcher der wahre Begründer der Düsseldorfer Schule wurde, welcher dauernd die edle Kunst der Malerei an die freundliche Gartenstadt fesselte, Wilhelm von Schadows. Anderthalb Jahre lang nach dem Abgange von Cornelius mußte die Aka¬ demie zwar noch unter der interinnstischen Leitung des Professors Mosler ein Scheinleben führen. Erst im November 1826 traf Schadow in Düsseldorf ein, aber sofort begleitet von einer stattlichen Anzahl ausgezeichneter Schüler, die sich, anders als die Cornelianer, bald Namen begründen sollten, deren Glanz zum Theil den ihres Meisters überstrahlte. Es waren K. F. Lessing. Julius Hühner, Theodor Hildebrandt, Karl Sohn, Heinrich Mücke und Christian Köhler, die bald aus der Reihe der Schüler in die der Lehrer und Meister emporstiegen. Schadow, ganz erfüllt von den künstlerischen Principien und der Lehrmethode seines Vaters Gottfried, der auch als geistiger Vater der Düsseldorfer Schule anzusehen ist, machte eine vollständige Reorganisation und systematische Ordnung des akademischen Unterrichts zum Gegenstande seiner ersten Sorge. Er theilte die Akademie in drei von einander streng abgegrenzte Classen. In der ersten, der Elemcntarelasse, wurden, wie der Name sagt, die ersten Elemente des Zeichen¬ unterrichts gelehrt. Die zweite oder Vorbereitungselasse zerfiel in zwei Stufen: in der untern wurde das Zeichnen nach der Antike, dein lebenden Modell, die Drapierung, die Perspective, die Proportionen des menschlichen Körpers, Ana¬ tomie, architektonisches Zeichnen und Kunstgeschichte gelehrt; in der obern Stufe, welche wiederum in vier Abtheilungen geschieden war: Malerschule, Bau-, Kupfer¬ stecher- und Bildhnuerschule. begann der eigentliche Fachunterricht. Die Bild¬ hauerschule bestand nnr auf dem Papier. Die dritte Classe endlich umfaßte die „ausübenden Eleven", d. h. diejenigen, welche ihre Befähigung zur Erfindung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/499
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/499>, abgerufen am 29.12.2024.