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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Bertuchs Briefe an Gleim,

gezwungen wurde auf einige Tage abwesend zu seyn. Diesen Augenblick benutzte
W; er brach durch, griff C, A, ans Herz, sagte ihm erstaunende Wahrheiten, und
riß ihm die Binde über G, völlig von den Augen. Natürlicherweise wehrte sich
C, A., Meinungen fahren zu laßeu, die er bisher immer als Wahrheiten geglaubt
hatte, allein W. kämpft wie ein Löwe für Wahrheit und gute Sache. Ich möchte
ihn anbeten über das, was er gestern und heute gethan hat; denn eben gestern
und heute sind erstaunend heiße Scenen zwischen ihm und C. A. hierüber vorge¬
fallen. Dieser ist von Grund ans erschüttert, aber noch ist er ^tela s.1 bivio.
Die Wiederkunft des Gr. G., welche heut seyn wird, muß entscheiden wozu er
greift, kann ihn dieser wieder übermeistern, sich aufs neue seines Vertrauens be¬
mächtigen, so gängelt er ihn fort, wird Liebling, erster Minister, Regent und um
W. sowohl als um mich ists für immer in Weimar gethan; denn W., so sehr er
auch in der Welt auf nichts weitere Ansprüche macht, wird nicht länger in Abdera
wohnen wollen, und mich, ein ehrlichen Mann und W. Freund und Vertrauten,
wird sicher nicht ein Mann wie Gr. G. so nah um die Person des Herrn (als
k>soi'ses.irs) leiden, wo ihm alles dran gelegen seyn muß, eine von seinen Kreaturen
zu haben. Kurz liebster, Theuerster Herzens Gleim, sinkt die Waage, die itzt noch
schwebt, auf die Seite der Schurken und Narren, so gehen wir beyde, W. und ich
von hier weg. Denken Sie indessen einmal, lieber Vater, denken Sie einmal ein
bißgen mit kaltem Blute für uns, und welcher Plan, auf diesen Fall, für uns
der beste und thunlichste sey. Für W., der doch auf jeden Fall seine Pension von
WO Thlr. behält, denk ich, würde es am besten seyn, sich mit dem Götterbothen
nach Halberstadt zu setzen, und diesen recht in Aufnahme zu bringen; für mich sehe
ich aber kein ander Mittel, als irgendwo Dienst und eine Stelle zu suchen, wo
ich nicht ganz äsMoirst bin; denn lahm es erst dahin, so braucht W. alles was
ihm der Merkur bringt, als einen nöthigen Zuschuß zur Unterhnltnug seiner Familie
und zu den Bedürfnißen seines Herzens, und unedel wäre es von mir, wenn ich
ihm zumuthen wollte, mir etwas davon abzugeben. Kurz denken Sie einmal für
mich, mein Herzensfreund; mein Kopf ist von den Teufeleyen zu heiß und zu
verwirrt als daß ich etwas kluges denken könnte. Aber geschworen ist es, ehe will
ich Gaßenfeger verden, als einem Schurken dienen, oder sein Werkzeug seyn einen
verruchten Plan auszuführen.

Abends 9 Uhr.

Ich komme aus dem Concert, Gr. G. ist zurück, was ich fürchte, scheint sich
zu bestätigen. Ich fragte W. ob er nichts an Sie zu bestelle" hätte, weil ich heute
an Sie schrieb. "Grüßen Sie meinen Herzensbrader von mir, und bitten ihn,
er soll mir indeßen die Federn und Strohalme zu einem Nestchen bei sich zu¬
sammentragen, weil Stillung, probMIitÄS da ist, daß ich in Zeit von einem Jahre
nicht mehr hier bin. Diese Woche kann ich ihm noch nicht schreiben; es muß sich
erst setzen."

Dies, liebster Gleim, sind die jetzigen Lagen der Dinge hier. Mit nächstem
Posttage vielleicht das Detail davon, oder etwas mehr Entwickeltes. Hypokritcn,
liebster Gleim, Hypokritcn lahmen aus Pandorens Büchse, denn sie sind die Suma.i,
alles Bösen.

Hier ist Merkur vom Junius. Sind Sie zufrieden wie Wieland Halladat
darin Präsentiert hat?

Kommen Sie, liebster Vater Gleim, ich umarme Sie und denke mich an Ihre
Brust! in Ihre Arme!


Grenzboten 1. 1381. 63
Bertuchs Briefe an Gleim,

gezwungen wurde auf einige Tage abwesend zu seyn. Diesen Augenblick benutzte
W; er brach durch, griff C, A, ans Herz, sagte ihm erstaunende Wahrheiten, und
riß ihm die Binde über G, völlig von den Augen. Natürlicherweise wehrte sich
C, A., Meinungen fahren zu laßeu, die er bisher immer als Wahrheiten geglaubt
hatte, allein W. kämpft wie ein Löwe für Wahrheit und gute Sache. Ich möchte
ihn anbeten über das, was er gestern und heute gethan hat; denn eben gestern
und heute sind erstaunend heiße Scenen zwischen ihm und C. A. hierüber vorge¬
fallen. Dieser ist von Grund ans erschüttert, aber noch ist er ^tela s.1 bivio.
Die Wiederkunft des Gr. G., welche heut seyn wird, muß entscheiden wozu er
greift, kann ihn dieser wieder übermeistern, sich aufs neue seines Vertrauens be¬
mächtigen, so gängelt er ihn fort, wird Liebling, erster Minister, Regent und um
W. sowohl als um mich ists für immer in Weimar gethan; denn W., so sehr er
auch in der Welt auf nichts weitere Ansprüche macht, wird nicht länger in Abdera
wohnen wollen, und mich, ein ehrlichen Mann und W. Freund und Vertrauten,
wird sicher nicht ein Mann wie Gr. G. so nah um die Person des Herrn (als
k>soi'ses.irs) leiden, wo ihm alles dran gelegen seyn muß, eine von seinen Kreaturen
zu haben. Kurz liebster, Theuerster Herzens Gleim, sinkt die Waage, die itzt noch
schwebt, auf die Seite der Schurken und Narren, so gehen wir beyde, W. und ich
von hier weg. Denken Sie indessen einmal, lieber Vater, denken Sie einmal ein
bißgen mit kaltem Blute für uns, und welcher Plan, auf diesen Fall, für uns
der beste und thunlichste sey. Für W., der doch auf jeden Fall seine Pension von
WO Thlr. behält, denk ich, würde es am besten seyn, sich mit dem Götterbothen
nach Halberstadt zu setzen, und diesen recht in Aufnahme zu bringen; für mich sehe
ich aber kein ander Mittel, als irgendwo Dienst und eine Stelle zu suchen, wo
ich nicht ganz äsMoirst bin; denn lahm es erst dahin, so braucht W. alles was
ihm der Merkur bringt, als einen nöthigen Zuschuß zur Unterhnltnug seiner Familie
und zu den Bedürfnißen seines Herzens, und unedel wäre es von mir, wenn ich
ihm zumuthen wollte, mir etwas davon abzugeben. Kurz denken Sie einmal für
mich, mein Herzensfreund; mein Kopf ist von den Teufeleyen zu heiß und zu
verwirrt als daß ich etwas kluges denken könnte. Aber geschworen ist es, ehe will
ich Gaßenfeger verden, als einem Schurken dienen, oder sein Werkzeug seyn einen
verruchten Plan auszuführen.

Abends 9 Uhr.

Ich komme aus dem Concert, Gr. G. ist zurück, was ich fürchte, scheint sich
zu bestätigen. Ich fragte W. ob er nichts an Sie zu bestelle» hätte, weil ich heute
an Sie schrieb. „Grüßen Sie meinen Herzensbrader von mir, und bitten ihn,
er soll mir indeßen die Federn und Strohalme zu einem Nestchen bei sich zu¬
sammentragen, weil Stillung, probMIitÄS da ist, daß ich in Zeit von einem Jahre
nicht mehr hier bin. Diese Woche kann ich ihm noch nicht schreiben; es muß sich
erst setzen."

Dies, liebster Gleim, sind die jetzigen Lagen der Dinge hier. Mit nächstem
Posttage vielleicht das Detail davon, oder etwas mehr Entwickeltes. Hypokritcn,
liebster Gleim, Hypokritcn lahmen aus Pandorens Büchse, denn sie sind die Suma.i,
alles Bösen.

Hier ist Merkur vom Junius. Sind Sie zufrieden wie Wieland Halladat
darin Präsentiert hat?

Kommen Sie, liebster Vater Gleim, ich umarme Sie und denke mich an Ihre
Brust! in Ihre Arme!


Grenzboten 1. 1381. 63
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[0485] Bertuchs Briefe an Gleim, gezwungen wurde auf einige Tage abwesend zu seyn. Diesen Augenblick benutzte W; er brach durch, griff C, A, ans Herz, sagte ihm erstaunende Wahrheiten, und riß ihm die Binde über G, völlig von den Augen. Natürlicherweise wehrte sich C, A., Meinungen fahren zu laßeu, die er bisher immer als Wahrheiten geglaubt hatte, allein W. kämpft wie ein Löwe für Wahrheit und gute Sache. Ich möchte ihn anbeten über das, was er gestern und heute gethan hat; denn eben gestern und heute sind erstaunend heiße Scenen zwischen ihm und C. A. hierüber vorge¬ fallen. Dieser ist von Grund ans erschüttert, aber noch ist er ^tela s.1 bivio. Die Wiederkunft des Gr. G., welche heut seyn wird, muß entscheiden wozu er greift, kann ihn dieser wieder übermeistern, sich aufs neue seines Vertrauens be¬ mächtigen, so gängelt er ihn fort, wird Liebling, erster Minister, Regent und um W. sowohl als um mich ists für immer in Weimar gethan; denn W., so sehr er auch in der Welt auf nichts weitere Ansprüche macht, wird nicht länger in Abdera wohnen wollen, und mich, ein ehrlichen Mann und W. Freund und Vertrauten, wird sicher nicht ein Mann wie Gr. G. so nah um die Person des Herrn (als k>soi'ses.irs) leiden, wo ihm alles dran gelegen seyn muß, eine von seinen Kreaturen zu haben. Kurz liebster, Theuerster Herzens Gleim, sinkt die Waage, die itzt noch schwebt, auf die Seite der Schurken und Narren, so gehen wir beyde, W. und ich von hier weg. Denken Sie indessen einmal, lieber Vater, denken Sie einmal ein bißgen mit kaltem Blute für uns, und welcher Plan, auf diesen Fall, für uns der beste und thunlichste sey. Für W., der doch auf jeden Fall seine Pension von WO Thlr. behält, denk ich, würde es am besten seyn, sich mit dem Götterbothen nach Halberstadt zu setzen, und diesen recht in Aufnahme zu bringen; für mich sehe ich aber kein ander Mittel, als irgendwo Dienst und eine Stelle zu suchen, wo ich nicht ganz äsMoirst bin; denn lahm es erst dahin, so braucht W. alles was ihm der Merkur bringt, als einen nöthigen Zuschuß zur Unterhnltnug seiner Familie und zu den Bedürfnißen seines Herzens, und unedel wäre es von mir, wenn ich ihm zumuthen wollte, mir etwas davon abzugeben. Kurz denken Sie einmal für mich, mein Herzensfreund; mein Kopf ist von den Teufeleyen zu heiß und zu verwirrt als daß ich etwas kluges denken könnte. Aber geschworen ist es, ehe will ich Gaßenfeger verden, als einem Schurken dienen, oder sein Werkzeug seyn einen verruchten Plan auszuführen. Abends 9 Uhr. Ich komme aus dem Concert, Gr. G. ist zurück, was ich fürchte, scheint sich zu bestätigen. Ich fragte W. ob er nichts an Sie zu bestelle» hätte, weil ich heute an Sie schrieb. „Grüßen Sie meinen Herzensbrader von mir, und bitten ihn, er soll mir indeßen die Federn und Strohalme zu einem Nestchen bei sich zu¬ sammentragen, weil Stillung, probMIitÄS da ist, daß ich in Zeit von einem Jahre nicht mehr hier bin. Diese Woche kann ich ihm noch nicht schreiben; es muß sich erst setzen." Dies, liebster Gleim, sind die jetzigen Lagen der Dinge hier. Mit nächstem Posttage vielleicht das Detail davon, oder etwas mehr Entwickeltes. Hypokritcn, liebster Gleim, Hypokritcn lahmen aus Pandorens Büchse, denn sie sind die Suma.i, alles Bösen. Hier ist Merkur vom Junius. Sind Sie zufrieden wie Wieland Halladat darin Präsentiert hat? Kommen Sie, liebster Vater Gleim, ich umarme Sie und denke mich an Ihre Brust! in Ihre Arme! Grenzboten 1. 1381. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/485>, abgerufen am 27.12.2024.