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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Die Lnthüllmizen über die russische Politik in Asien.

beiden asiatischen Gebiete gebildet. Was mit Herat geschehen sollte, blieb in dem
Borschlage Schuwaloffs unerwähnt. Dagegen ging Nußland in seiner freund-
lichen Gefälligkeit so weit, anzudeuten, daß England für den Fall eines Auf-
standes der muhammedanischen Bevölkerung Indiens jederzeit auf den Beistand
der "benachbarten civilisirten Macht" rechnen und demzufolge sein indisches Heer
vermindern dürfe. Für alle diese schönen Anerbietungen bat sich Rußland außer
der Einwilligung in die Besetzung Ballhs von England nur die Zustimmung zu
einer Theilung der Türkei aus, bei welcher England ebenfalls reichlich bedacht
werden sollte. Nußland hätte sich nach diesem Plane bis an das Aegcische Meer
ausgedehnt, Konstantinopel wäre mit Thracien ein sogenannter Freistaat, in Wirk¬
lichkeit aber ein völlig von Rußland eingeengtes und beherrschtes Gebiet geworden,
Oesterreich-Ungarn hätte Bosnien (welches es factisch schon hat) und ganz Nord¬
albanien bekommen und Griechenland wäre mit Epirus und Thessalien entschädigt
worden. Lord Beaconsfield war ehrlich und klug genug, die Betheiligung an
der Ausführung dieses Projectes, das unter anderm die Donau, Oesterreich-Ungarns
große Lebensader, in ihrem untern Laufe in russische Hände gebracht haben
würde, abzulehnen.

Das ^ouriml as Le. kstörsdom-A hat diese Enthüllungen in Abrede gestellt.
Es bemerkte in seiner Nummer vom 18. Februar, die russische Politik habe sich
niemals mit solchen chimärischen Plänen beschäftigt, und die russische Diplomatie
habe zu keiner Zeit der englischen Regierung derartige abgeschmackte Eröffnungen
gemacht. Niemals sei von einer Gebietstheilung die Rede gewesen. Lord Clarendon
und Fürst Gortschakoff hätten seinerzeit lediglich die Absicht gehabt, zu einem
EinVerständniß in den allgemeinen Fragen zu gelangen und einen mocius vivsnäi
anzubahnen, durch welchen die Interessen beider Staaten sicher gestellt würden.
Kein einziger Diplomat habe den Vorschlag gemacht, die Schwierigkeiten in Asien
mit einem Schlage zu lösen.

Damit ist aber nichts bewiesen. Und ebenso wenig vermindert die sehr be¬
hutsame officielle Antwort, die Lord Greenville im Parlament auf eine ungenaue
Anfrage Lord Stanleys in Betreff der Angelegenheit ertheilte, die Genauigkeit
der Behauptungen der englischen Oppositionspresse, die wir im obigen wieder¬
gegeben haben. "Wir begnügen uns," so erwidert der wohlunterrichtete v^it^
lois^iAxll auf die Aeußerungen des Ministers, "angesichts der Ableugnung von
Dingen, die gar nicht behauptet worden sind, nämlich, daß die englische und die
russische Negierung Mittheilungen über den Gegenstand besäßen, mit einer Wieder¬
holung der am vorigen Sonnabend in Betreff des durch einen hervorragenden
russischen Staatsmann einem ebenso hervorragenden englischen öffentlichen Be¬
amten gemachten Vorschlags von uns gebrachten Angaben. Dieser Vorschlag


Die Lnthüllmizen über die russische Politik in Asien.

beiden asiatischen Gebiete gebildet. Was mit Herat geschehen sollte, blieb in dem
Borschlage Schuwaloffs unerwähnt. Dagegen ging Nußland in seiner freund-
lichen Gefälligkeit so weit, anzudeuten, daß England für den Fall eines Auf-
standes der muhammedanischen Bevölkerung Indiens jederzeit auf den Beistand
der „benachbarten civilisirten Macht" rechnen und demzufolge sein indisches Heer
vermindern dürfe. Für alle diese schönen Anerbietungen bat sich Rußland außer
der Einwilligung in die Besetzung Ballhs von England nur die Zustimmung zu
einer Theilung der Türkei aus, bei welcher England ebenfalls reichlich bedacht
werden sollte. Nußland hätte sich nach diesem Plane bis an das Aegcische Meer
ausgedehnt, Konstantinopel wäre mit Thracien ein sogenannter Freistaat, in Wirk¬
lichkeit aber ein völlig von Rußland eingeengtes und beherrschtes Gebiet geworden,
Oesterreich-Ungarn hätte Bosnien (welches es factisch schon hat) und ganz Nord¬
albanien bekommen und Griechenland wäre mit Epirus und Thessalien entschädigt
worden. Lord Beaconsfield war ehrlich und klug genug, die Betheiligung an
der Ausführung dieses Projectes, das unter anderm die Donau, Oesterreich-Ungarns
große Lebensader, in ihrem untern Laufe in russische Hände gebracht haben
würde, abzulehnen.

Das ^ouriml as Le. kstörsdom-A hat diese Enthüllungen in Abrede gestellt.
Es bemerkte in seiner Nummer vom 18. Februar, die russische Politik habe sich
niemals mit solchen chimärischen Plänen beschäftigt, und die russische Diplomatie
habe zu keiner Zeit der englischen Regierung derartige abgeschmackte Eröffnungen
gemacht. Niemals sei von einer Gebietstheilung die Rede gewesen. Lord Clarendon
und Fürst Gortschakoff hätten seinerzeit lediglich die Absicht gehabt, zu einem
EinVerständniß in den allgemeinen Fragen zu gelangen und einen mocius vivsnäi
anzubahnen, durch welchen die Interessen beider Staaten sicher gestellt würden.
Kein einziger Diplomat habe den Vorschlag gemacht, die Schwierigkeiten in Asien
mit einem Schlage zu lösen.

Damit ist aber nichts bewiesen. Und ebenso wenig vermindert die sehr be¬
hutsame officielle Antwort, die Lord Greenville im Parlament auf eine ungenaue
Anfrage Lord Stanleys in Betreff der Angelegenheit ertheilte, die Genauigkeit
der Behauptungen der englischen Oppositionspresse, die wir im obigen wieder¬
gegeben haben. „Wir begnügen uns," so erwidert der wohlunterrichtete v^it^
lois^iAxll auf die Aeußerungen des Ministers, „angesichts der Ableugnung von
Dingen, die gar nicht behauptet worden sind, nämlich, daß die englische und die
russische Negierung Mittheilungen über den Gegenstand besäßen, mit einer Wieder¬
holung der am vorigen Sonnabend in Betreff des durch einen hervorragenden
russischen Staatsmann einem ebenso hervorragenden englischen öffentlichen Be¬
amten gemachten Vorschlags von uns gebrachten Angaben. Dieser Vorschlag


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[0462] Die Lnthüllmizen über die russische Politik in Asien. beiden asiatischen Gebiete gebildet. Was mit Herat geschehen sollte, blieb in dem Borschlage Schuwaloffs unerwähnt. Dagegen ging Nußland in seiner freund- lichen Gefälligkeit so weit, anzudeuten, daß England für den Fall eines Auf- standes der muhammedanischen Bevölkerung Indiens jederzeit auf den Beistand der „benachbarten civilisirten Macht" rechnen und demzufolge sein indisches Heer vermindern dürfe. Für alle diese schönen Anerbietungen bat sich Rußland außer der Einwilligung in die Besetzung Ballhs von England nur die Zustimmung zu einer Theilung der Türkei aus, bei welcher England ebenfalls reichlich bedacht werden sollte. Nußland hätte sich nach diesem Plane bis an das Aegcische Meer ausgedehnt, Konstantinopel wäre mit Thracien ein sogenannter Freistaat, in Wirk¬ lichkeit aber ein völlig von Rußland eingeengtes und beherrschtes Gebiet geworden, Oesterreich-Ungarn hätte Bosnien (welches es factisch schon hat) und ganz Nord¬ albanien bekommen und Griechenland wäre mit Epirus und Thessalien entschädigt worden. Lord Beaconsfield war ehrlich und klug genug, die Betheiligung an der Ausführung dieses Projectes, das unter anderm die Donau, Oesterreich-Ungarns große Lebensader, in ihrem untern Laufe in russische Hände gebracht haben würde, abzulehnen. Das ^ouriml as Le. kstörsdom-A hat diese Enthüllungen in Abrede gestellt. Es bemerkte in seiner Nummer vom 18. Februar, die russische Politik habe sich niemals mit solchen chimärischen Plänen beschäftigt, und die russische Diplomatie habe zu keiner Zeit der englischen Regierung derartige abgeschmackte Eröffnungen gemacht. Niemals sei von einer Gebietstheilung die Rede gewesen. Lord Clarendon und Fürst Gortschakoff hätten seinerzeit lediglich die Absicht gehabt, zu einem EinVerständniß in den allgemeinen Fragen zu gelangen und einen mocius vivsnäi anzubahnen, durch welchen die Interessen beider Staaten sicher gestellt würden. Kein einziger Diplomat habe den Vorschlag gemacht, die Schwierigkeiten in Asien mit einem Schlage zu lösen. Damit ist aber nichts bewiesen. Und ebenso wenig vermindert die sehr be¬ hutsame officielle Antwort, die Lord Greenville im Parlament auf eine ungenaue Anfrage Lord Stanleys in Betreff der Angelegenheit ertheilte, die Genauigkeit der Behauptungen der englischen Oppositionspresse, die wir im obigen wieder¬ gegeben haben. „Wir begnügen uns," so erwidert der wohlunterrichtete v^it^ lois^iAxll auf die Aeußerungen des Ministers, „angesichts der Ableugnung von Dingen, die gar nicht behauptet worden sind, nämlich, daß die englische und die russische Negierung Mittheilungen über den Gegenstand besäßen, mit einer Wieder¬ holung der am vorigen Sonnabend in Betreff des durch einen hervorragenden russischen Staatsmann einem ebenso hervorragenden englischen öffentlichen Be¬ amten gemachten Vorschlags von uns gebrachten Angaben. Dieser Vorschlag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/462>, abgerufen am 27.12.2024.