Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Schliemcmns Trojanische Sammlung.

hatten und der sich hauptsächlich auf die Beleuchtung des homerischen Zeitalters
und der homerischen Dichtung bezog, durch die nörgelnde Berliner Kritik wankend
gemacht worden ist. Die letztere hat den Ton, den sie bei dem ersten Bekanntwerden
der Entdeckung Schliemanns im Geiste der "Spvttgeburt aus Dreck und Feuer"
anschlug, selbst in wissenschaftlich gehaltenen Beleuchtungen nie ganz verlassen,
immerfort hat sie el" hochmüthiges Herabblicken auf deu dilettantisch gelehrten
Kaufmann gezeigt, der das Glück gehabt hat, mit dem "Tiefeusiun" begabt
große Erfolge zu erreiche", und der nach der Ausicht dieser superkluge" Herren,
die sich die Welt von ihrem Fenster ans besehen, an Ort und Stelle manches
Werthvolle durch sei" ungestümes und rücksichtsloses Miniren zerstört haben soll.
Schliemnim hatte gewisse Ansichten geünßert, wie über den gefundne" "Schatz",
über die an de" Gefäße" befindlichen Eulengesichter, über die Bedeutung der
Verzierungen der von ihm als prori" bezeichneten Steine u. s. w., die der Kritik
Angriffspunkte darböte", und über die sich streiten ließ. Daß also die Kritik von
dem Berliner Studirzimmer aus über diese und andere Punkte mit ihm zu rechten
unternahm, kann ihr nachgesehen werden. Aber der hochmüthig spöttische Ton,
in den sie verfiel, weil sie nach Art ihres Volks sich denselben gegen den glück¬
lichen Kaufmann ohne Wissenschaft erlauben zu können glaubte, und von dem
sich die gleichgearteten englischen Kreise anstecken ließe", war unverzeihlich. Es
gi"g so weit, daß tonangebende Londoner Blätter von Schliemann und seinen
Idee" nicht anders als mit dem Ton des jocosen Zweifels sprachen. Dies war
in den Augen der englischen Wissenschaft natürlich ein bedenkliches Zeichen, was
den Ankauf seiner Sammlungen betraf; die Herren Engländer waren gegen den
Berlin-Londoner Spott nicht gefeit, weil sie den Werth der Schliemann-Samm-
lung, von den Suggestionen des Sammlers selbst dazu verleitet, in Nebendinge
setzten, und die hervorragende Bedeutung derselben für die Culturgeschichte über¬
sahe". Diese Bedeutung aber, welche die Sammlung als an der Stelle des alten
Troja gemachter Fund von Erzeugnissen altasiatischcr Industrie zwischen den
ähnlichen Erzeugnissen der assyrische", ägyptische", phönizischen und altgrichischen
Industrieen hat, ist der aller Kritik Trotz bietende und für die Culturgeschichte
überaus wichtige Werth derselben. Es sei erlaubt, hierüber einige weitere An-
deutungen zu geben.

Da der Fundort, von dem wir mit Schliemann glauben, daß er die Trümmer¬
stätte des homerischen Troja ist, die unzweifelhaften Spuren einer großartigen
Verwüstung dnrch Feuer aufzeigt, so ist natürlich nicht zu erwarten, daß aus
dem dnrch Brand verwüsteten Ort Gegenstände, die dem Feuer Nahrung bieten,
Erzeugnisse aus Holz, Leder und Gewebe erhalten blieben. Wagen und Pferde¬
geschirre, Kleidungsstücke und Mobiliar sind verbrannt, und nur einige wenige


Schliemcmns Trojanische Sammlung.

hatten und der sich hauptsächlich auf die Beleuchtung des homerischen Zeitalters
und der homerischen Dichtung bezog, durch die nörgelnde Berliner Kritik wankend
gemacht worden ist. Die letztere hat den Ton, den sie bei dem ersten Bekanntwerden
der Entdeckung Schliemanns im Geiste der „Spvttgeburt aus Dreck und Feuer"
anschlug, selbst in wissenschaftlich gehaltenen Beleuchtungen nie ganz verlassen,
immerfort hat sie el» hochmüthiges Herabblicken auf deu dilettantisch gelehrten
Kaufmann gezeigt, der das Glück gehabt hat, mit dem „Tiefeusiun" begabt
große Erfolge zu erreiche», und der nach der Ausicht dieser superkluge» Herren,
die sich die Welt von ihrem Fenster ans besehen, an Ort und Stelle manches
Werthvolle durch sei» ungestümes und rücksichtsloses Miniren zerstört haben soll.
Schliemnim hatte gewisse Ansichten geünßert, wie über den gefundne» „Schatz",
über die an de» Gefäße» befindlichen Eulengesichter, über die Bedeutung der
Verzierungen der von ihm als prori» bezeichneten Steine u. s. w., die der Kritik
Angriffspunkte darböte», und über die sich streiten ließ. Daß also die Kritik von
dem Berliner Studirzimmer aus über diese und andere Punkte mit ihm zu rechten
unternahm, kann ihr nachgesehen werden. Aber der hochmüthig spöttische Ton,
in den sie verfiel, weil sie nach Art ihres Volks sich denselben gegen den glück¬
lichen Kaufmann ohne Wissenschaft erlauben zu können glaubte, und von dem
sich die gleichgearteten englischen Kreise anstecken ließe», war unverzeihlich. Es
gi»g so weit, daß tonangebende Londoner Blätter von Schliemann und seinen
Idee» nicht anders als mit dem Ton des jocosen Zweifels sprachen. Dies war
in den Augen der englischen Wissenschaft natürlich ein bedenkliches Zeichen, was
den Ankauf seiner Sammlungen betraf; die Herren Engländer waren gegen den
Berlin-Londoner Spott nicht gefeit, weil sie den Werth der Schliemann-Samm-
lung, von den Suggestionen des Sammlers selbst dazu verleitet, in Nebendinge
setzten, und die hervorragende Bedeutung derselben für die Culturgeschichte über¬
sahe». Diese Bedeutung aber, welche die Sammlung als an der Stelle des alten
Troja gemachter Fund von Erzeugnissen altasiatischcr Industrie zwischen den
ähnlichen Erzeugnissen der assyrische», ägyptische», phönizischen und altgrichischen
Industrieen hat, ist der aller Kritik Trotz bietende und für die Culturgeschichte
überaus wichtige Werth derselben. Es sei erlaubt, hierüber einige weitere An-
deutungen zu geben.

Da der Fundort, von dem wir mit Schliemann glauben, daß er die Trümmer¬
stätte des homerischen Troja ist, die unzweifelhaften Spuren einer großartigen
Verwüstung dnrch Feuer aufzeigt, so ist natürlich nicht zu erwarten, daß aus
dem dnrch Brand verwüsteten Ort Gegenstände, die dem Feuer Nahrung bieten,
Erzeugnisse aus Holz, Leder und Gewebe erhalten blieben. Wagen und Pferde¬
geschirre, Kleidungsstücke und Mobiliar sind verbrannt, und nur einige wenige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149380"/>
          <fw type="header" place="top"> Schliemcmns Trojanische Sammlung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1070" prev="#ID_1069"> hatten und der sich hauptsächlich auf die Beleuchtung des homerischen Zeitalters<lb/>
und der homerischen Dichtung bezog, durch die nörgelnde Berliner Kritik wankend<lb/>
gemacht worden ist. Die letztere hat den Ton, den sie bei dem ersten Bekanntwerden<lb/>
der Entdeckung Schliemanns im Geiste der &#x201E;Spvttgeburt aus Dreck und Feuer"<lb/>
anschlug, selbst in wissenschaftlich gehaltenen Beleuchtungen nie ganz verlassen,<lb/>
immerfort hat sie el» hochmüthiges Herabblicken auf deu dilettantisch gelehrten<lb/>
Kaufmann gezeigt, der das Glück gehabt hat, mit dem &#x201E;Tiefeusiun" begabt<lb/>
große Erfolge zu erreiche», und der nach der Ausicht dieser superkluge» Herren,<lb/>
die sich die Welt von ihrem Fenster ans besehen, an Ort und Stelle manches<lb/>
Werthvolle durch sei» ungestümes und rücksichtsloses Miniren zerstört haben soll.<lb/>
Schliemnim hatte gewisse Ansichten geünßert, wie über den gefundne» &#x201E;Schatz",<lb/>
über die an de» Gefäße» befindlichen Eulengesichter, über die Bedeutung der<lb/>
Verzierungen der von ihm als prori» bezeichneten Steine u. s. w., die der Kritik<lb/>
Angriffspunkte darböte», und über die sich streiten ließ. Daß also die Kritik von<lb/>
dem Berliner Studirzimmer aus über diese und andere Punkte mit ihm zu rechten<lb/>
unternahm, kann ihr nachgesehen werden. Aber der hochmüthig spöttische Ton,<lb/>
in den sie verfiel, weil sie nach Art ihres Volks sich denselben gegen den glück¬<lb/>
lichen Kaufmann ohne Wissenschaft erlauben zu können glaubte, und von dem<lb/>
sich die gleichgearteten englischen Kreise anstecken ließe», war unverzeihlich. Es<lb/>
gi»g so weit, daß tonangebende Londoner Blätter von Schliemann und seinen<lb/>
Idee» nicht anders als mit dem Ton des jocosen Zweifels sprachen. Dies war<lb/>
in den Augen der englischen Wissenschaft natürlich ein bedenkliches Zeichen, was<lb/>
den Ankauf seiner Sammlungen betraf; die Herren Engländer waren gegen den<lb/>
Berlin-Londoner Spott nicht gefeit, weil sie den Werth der Schliemann-Samm-<lb/>
lung, von den Suggestionen des Sammlers selbst dazu verleitet, in Nebendinge<lb/>
setzten, und die hervorragende Bedeutung derselben für die Culturgeschichte über¬<lb/>
sahe». Diese Bedeutung aber, welche die Sammlung als an der Stelle des alten<lb/>
Troja gemachter Fund von Erzeugnissen altasiatischcr Industrie zwischen den<lb/>
ähnlichen Erzeugnissen der assyrische», ägyptische», phönizischen und altgrichischen<lb/>
Industrieen hat, ist der aller Kritik Trotz bietende und für die Culturgeschichte<lb/>
überaus wichtige Werth derselben. Es sei erlaubt, hierüber einige weitere An-<lb/>
deutungen zu geben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1071" next="#ID_1072"> Da der Fundort, von dem wir mit Schliemann glauben, daß er die Trümmer¬<lb/>
stätte des homerischen Troja ist, die unzweifelhaften Spuren einer großartigen<lb/>
Verwüstung dnrch Feuer aufzeigt, so ist natürlich nicht zu erwarten, daß aus<lb/>
dem dnrch Brand verwüsteten Ort Gegenstände, die dem Feuer Nahrung bieten,<lb/>
Erzeugnisse aus Holz, Leder und Gewebe erhalten blieben. Wagen und Pferde¬<lb/>
geschirre, Kleidungsstücke und Mobiliar sind verbrannt, und nur einige wenige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0396] Schliemcmns Trojanische Sammlung. hatten und der sich hauptsächlich auf die Beleuchtung des homerischen Zeitalters und der homerischen Dichtung bezog, durch die nörgelnde Berliner Kritik wankend gemacht worden ist. Die letztere hat den Ton, den sie bei dem ersten Bekanntwerden der Entdeckung Schliemanns im Geiste der „Spvttgeburt aus Dreck und Feuer" anschlug, selbst in wissenschaftlich gehaltenen Beleuchtungen nie ganz verlassen, immerfort hat sie el» hochmüthiges Herabblicken auf deu dilettantisch gelehrten Kaufmann gezeigt, der das Glück gehabt hat, mit dem „Tiefeusiun" begabt große Erfolge zu erreiche», und der nach der Ausicht dieser superkluge» Herren, die sich die Welt von ihrem Fenster ans besehen, an Ort und Stelle manches Werthvolle durch sei» ungestümes und rücksichtsloses Miniren zerstört haben soll. Schliemnim hatte gewisse Ansichten geünßert, wie über den gefundne» „Schatz", über die an de» Gefäße» befindlichen Eulengesichter, über die Bedeutung der Verzierungen der von ihm als prori» bezeichneten Steine u. s. w., die der Kritik Angriffspunkte darböte», und über die sich streiten ließ. Daß also die Kritik von dem Berliner Studirzimmer aus über diese und andere Punkte mit ihm zu rechten unternahm, kann ihr nachgesehen werden. Aber der hochmüthig spöttische Ton, in den sie verfiel, weil sie nach Art ihres Volks sich denselben gegen den glück¬ lichen Kaufmann ohne Wissenschaft erlauben zu können glaubte, und von dem sich die gleichgearteten englischen Kreise anstecken ließe», war unverzeihlich. Es gi»g so weit, daß tonangebende Londoner Blätter von Schliemann und seinen Idee» nicht anders als mit dem Ton des jocosen Zweifels sprachen. Dies war in den Augen der englischen Wissenschaft natürlich ein bedenkliches Zeichen, was den Ankauf seiner Sammlungen betraf; die Herren Engländer waren gegen den Berlin-Londoner Spott nicht gefeit, weil sie den Werth der Schliemann-Samm- lung, von den Suggestionen des Sammlers selbst dazu verleitet, in Nebendinge setzten, und die hervorragende Bedeutung derselben für die Culturgeschichte über¬ sahe». Diese Bedeutung aber, welche die Sammlung als an der Stelle des alten Troja gemachter Fund von Erzeugnissen altasiatischcr Industrie zwischen den ähnlichen Erzeugnissen der assyrische», ägyptische», phönizischen und altgrichischen Industrieen hat, ist der aller Kritik Trotz bietende und für die Culturgeschichte überaus wichtige Werth derselben. Es sei erlaubt, hierüber einige weitere An- deutungen zu geben. Da der Fundort, von dem wir mit Schliemann glauben, daß er die Trümmer¬ stätte des homerischen Troja ist, die unzweifelhaften Spuren einer großartigen Verwüstung dnrch Feuer aufzeigt, so ist natürlich nicht zu erwarten, daß aus dem dnrch Brand verwüsteten Ort Gegenstände, die dem Feuer Nahrung bieten, Erzeugnisse aus Holz, Leder und Gewebe erhalten blieben. Wagen und Pferde¬ geschirre, Kleidungsstücke und Mobiliar sind verbrannt, und nur einige wenige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/396
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/396>, abgerufen am 27.12.2024.