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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Gnoisomm in den Zähren ^3^5 bis ^33^

einem halb"! Jahre macht meine Gesundheit schnelle Rückschritte. Ich kann ohne
Schmerz in den Hüften nicht mehr galoppiren, selbst nicht mehr ohne Schmerz
den Hut abnehmen. Meine Verdauung ist gänzlich geschwächt; meine sämmtlichen
Kräfte siud gesunken, mein Ange verdunkelt sich täglich mehr. Ueberdies ver¬
läßt mich mein Gedächtniß. Mit solchen Gebrechen muß man nicht länger in
einer Stelle verbleiben, die ein Andrer würdig ausfüllen kann, wenn man nicht
wagen will, die Achtung der Untergebenen zu verlieren, folglich sich für den
Dienst schädlich zu machen. . . Käme der König noch einmal in den Fall, die
Entscheidung seiner Gerechtsame deu Waffen zu übertragen, so ziehe ich sofort
wieder mit, nicht um irgend eine Befehlsführnng anzunehmen, womit man mich
etwa beehren möchte, sondern des Beispiels wegen.. . Wollen Ew. Durchlaucht
Ihrer altgewohnten Huld gegen mich das Siegel aufdrücken, so erschweren Sie
Ihrem Gefährten so mancher trüben Besorgnis; und so manchen herrlichen Mo¬
ments den Austritt aus dem Geschäftsleben und deu Rücktritt in das Familien¬
leben und in süße tiefe Einsamkeit nicht. Wird es Ihrem edlen Herzen nicht
wohler thun, mich in einem stillen Gebirgsthal zufrieden zu wissen als mich mit
geschwächten Kräfte" und thränendem Auge rudern zu sehen?"

Der König nahm den eingereichten Abschied zunächst nicht an, sondern be¬
willigte in einer Cabinetsordre vom 20. April 1816 dem General zur Wieder¬
herstellung seiner Gesundheit einen unbestimmten Urlaub. Aber noch ehe die
Badereise nach Karlsbad angetreten war, erschien eine neue Cabinetsordre, datirt
vom 20. Mai, welche Gneisenau vom Gcueralevmmando des Großherzogthums
Niederrhein entband und dasselbe dem Generallieutnant vou Hake übertrug.
Damit wurde er, auch wenn er activer General der Armee blieb, definitiv seines
Postens enthoben. Daß die Enthebung zu einer Zeit erfolgte, in welcher er
bereits unter Annahme des Urlaubes auf den Abschied verzichtet hatte, mußte
ihn selbstverständlich kränken und die Bermuthung in ihm zur Gewißheit steigern,
daß es einer ihm feindlichen Partei gelungen sei, den König gegen ihn einzu-
"ebenen. So schreibt er noch am 7. April 1817 an Clausewitz: "Mit der Ent¬
bindung von dem Geueraleommandv am Rhein im vorigen Frühjahr steht es
folgender Gestalt. Der König war vermuthlich durch Verleumdungen aufgeregt,
sehr gegen mich eingenommen... Später forderte ich meine Entlassung. Dem
König war das ganz Recht. Daß ich eine milde Antwort erhielt, war angeblich
das Bestreben Bodens. Bier Wochen darauf erhielt ich das zweite unveranlaßte
Cabinetsschreiben, wo demnach der König seiner eigentlichen Gesinnung freien
Lauf ließ."

Wie es kam, daß Gneisenau, nachdem er im Stillleben einer kleinen Pro-
viuzialgarnisou 40 Jahre alt geworden, jetzt wo er seinen Platz eingenommen


Gnoisomm in den Zähren ^3^5 bis ^33^

einem halb«! Jahre macht meine Gesundheit schnelle Rückschritte. Ich kann ohne
Schmerz in den Hüften nicht mehr galoppiren, selbst nicht mehr ohne Schmerz
den Hut abnehmen. Meine Verdauung ist gänzlich geschwächt; meine sämmtlichen
Kräfte siud gesunken, mein Ange verdunkelt sich täglich mehr. Ueberdies ver¬
läßt mich mein Gedächtniß. Mit solchen Gebrechen muß man nicht länger in
einer Stelle verbleiben, die ein Andrer würdig ausfüllen kann, wenn man nicht
wagen will, die Achtung der Untergebenen zu verlieren, folglich sich für den
Dienst schädlich zu machen. . . Käme der König noch einmal in den Fall, die
Entscheidung seiner Gerechtsame deu Waffen zu übertragen, so ziehe ich sofort
wieder mit, nicht um irgend eine Befehlsführnng anzunehmen, womit man mich
etwa beehren möchte, sondern des Beispiels wegen.. . Wollen Ew. Durchlaucht
Ihrer altgewohnten Huld gegen mich das Siegel aufdrücken, so erschweren Sie
Ihrem Gefährten so mancher trüben Besorgnis; und so manchen herrlichen Mo¬
ments den Austritt aus dem Geschäftsleben und deu Rücktritt in das Familien¬
leben und in süße tiefe Einsamkeit nicht. Wird es Ihrem edlen Herzen nicht
wohler thun, mich in einem stillen Gebirgsthal zufrieden zu wissen als mich mit
geschwächten Kräfte» und thränendem Auge rudern zu sehen?"

Der König nahm den eingereichten Abschied zunächst nicht an, sondern be¬
willigte in einer Cabinetsordre vom 20. April 1816 dem General zur Wieder¬
herstellung seiner Gesundheit einen unbestimmten Urlaub. Aber noch ehe die
Badereise nach Karlsbad angetreten war, erschien eine neue Cabinetsordre, datirt
vom 20. Mai, welche Gneisenau vom Gcueralevmmando des Großherzogthums
Niederrhein entband und dasselbe dem Generallieutnant vou Hake übertrug.
Damit wurde er, auch wenn er activer General der Armee blieb, definitiv seines
Postens enthoben. Daß die Enthebung zu einer Zeit erfolgte, in welcher er
bereits unter Annahme des Urlaubes auf den Abschied verzichtet hatte, mußte
ihn selbstverständlich kränken und die Bermuthung in ihm zur Gewißheit steigern,
daß es einer ihm feindlichen Partei gelungen sei, den König gegen ihn einzu-
»ebenen. So schreibt er noch am 7. April 1817 an Clausewitz: „Mit der Ent¬
bindung von dem Geueraleommandv am Rhein im vorigen Frühjahr steht es
folgender Gestalt. Der König war vermuthlich durch Verleumdungen aufgeregt,
sehr gegen mich eingenommen... Später forderte ich meine Entlassung. Dem
König war das ganz Recht. Daß ich eine milde Antwort erhielt, war angeblich
das Bestreben Bodens. Bier Wochen darauf erhielt ich das zweite unveranlaßte
Cabinetsschreiben, wo demnach der König seiner eigentlichen Gesinnung freien
Lauf ließ."

Wie es kam, daß Gneisenau, nachdem er im Stillleben einer kleinen Pro-
viuzialgarnisou 40 Jahre alt geworden, jetzt wo er seinen Platz eingenommen


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[0337] Gnoisomm in den Zähren ^3^5 bis ^33^ einem halb«! Jahre macht meine Gesundheit schnelle Rückschritte. Ich kann ohne Schmerz in den Hüften nicht mehr galoppiren, selbst nicht mehr ohne Schmerz den Hut abnehmen. Meine Verdauung ist gänzlich geschwächt; meine sämmtlichen Kräfte siud gesunken, mein Ange verdunkelt sich täglich mehr. Ueberdies ver¬ läßt mich mein Gedächtniß. Mit solchen Gebrechen muß man nicht länger in einer Stelle verbleiben, die ein Andrer würdig ausfüllen kann, wenn man nicht wagen will, die Achtung der Untergebenen zu verlieren, folglich sich für den Dienst schädlich zu machen. . . Käme der König noch einmal in den Fall, die Entscheidung seiner Gerechtsame deu Waffen zu übertragen, so ziehe ich sofort wieder mit, nicht um irgend eine Befehlsführnng anzunehmen, womit man mich etwa beehren möchte, sondern des Beispiels wegen.. . Wollen Ew. Durchlaucht Ihrer altgewohnten Huld gegen mich das Siegel aufdrücken, so erschweren Sie Ihrem Gefährten so mancher trüben Besorgnis; und so manchen herrlichen Mo¬ ments den Austritt aus dem Geschäftsleben und deu Rücktritt in das Familien¬ leben und in süße tiefe Einsamkeit nicht. Wird es Ihrem edlen Herzen nicht wohler thun, mich in einem stillen Gebirgsthal zufrieden zu wissen als mich mit geschwächten Kräfte» und thränendem Auge rudern zu sehen?" Der König nahm den eingereichten Abschied zunächst nicht an, sondern be¬ willigte in einer Cabinetsordre vom 20. April 1816 dem General zur Wieder¬ herstellung seiner Gesundheit einen unbestimmten Urlaub. Aber noch ehe die Badereise nach Karlsbad angetreten war, erschien eine neue Cabinetsordre, datirt vom 20. Mai, welche Gneisenau vom Gcueralevmmando des Großherzogthums Niederrhein entband und dasselbe dem Generallieutnant vou Hake übertrug. Damit wurde er, auch wenn er activer General der Armee blieb, definitiv seines Postens enthoben. Daß die Enthebung zu einer Zeit erfolgte, in welcher er bereits unter Annahme des Urlaubes auf den Abschied verzichtet hatte, mußte ihn selbstverständlich kränken und die Bermuthung in ihm zur Gewißheit steigern, daß es einer ihm feindlichen Partei gelungen sei, den König gegen ihn einzu- »ebenen. So schreibt er noch am 7. April 1817 an Clausewitz: „Mit der Ent¬ bindung von dem Geueraleommandv am Rhein im vorigen Frühjahr steht es folgender Gestalt. Der König war vermuthlich durch Verleumdungen aufgeregt, sehr gegen mich eingenommen... Später forderte ich meine Entlassung. Dem König war das ganz Recht. Daß ich eine milde Antwort erhielt, war angeblich das Bestreben Bodens. Bier Wochen darauf erhielt ich das zweite unveranlaßte Cabinetsschreiben, wo demnach der König seiner eigentlichen Gesinnung freien Lauf ließ." Wie es kam, daß Gneisenau, nachdem er im Stillleben einer kleinen Pro- viuzialgarnisou 40 Jahre alt geworden, jetzt wo er seinen Platz eingenommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/337>, abgerufen am 28.12.2024.