Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Der Parlamentarismus i" England. auf gescheidte Leute hören, Seine Aufgabe war vielmehr, zu warten und weiter Als die Leiter sich mit dem so gesammelten Wissen bewaffnet, bereiteten sie So übte denn diese Genossenschaft von Zcituugsdruckcru offenbar eine große Aber obwohl die Genossenschaft alle diese Macht besaß, war ihr Besitztitel Der Parlamentarismus i» England. auf gescheidte Leute hören, Seine Aufgabe war vielmehr, zu warten und weiter Als die Leiter sich mit dem so gesammelten Wissen bewaffnet, bereiteten sie So übte denn diese Genossenschaft von Zcituugsdruckcru offenbar eine große Aber obwohl die Genossenschaft alle diese Macht besaß, war ihr Besitztitel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149302"/> <fw type="header" place="top"> Der Parlamentarismus i» England.</fw><lb/> <p xml:id="ID_868" prev="#ID_867"> auf gescheidte Leute hören, Seine Aufgabe war vielmehr, zu warten und weiter<lb/> zu warten, bis er bemerkte, daß ein gewöhnlicher und auf der Hand liegender<lb/> Gedanke an vielen Orten und vou viele» Leuten wiederholt wurde, die sich wahr¬<lb/> scheinlich vorher nie gesehen. Dieser eine gemeinsame Gedanke war die Sache,<lb/> nach der er suchte, und er trug ihn seinen Brodgebern zu. Er erwarb sich in<lb/> diesem eigenthümlichen Berufe ein solches Geschick, daß die Genossenschaft, so lange<lb/> er sie bediente, selten zu Irrthum verleitet wurde, und obwohl man in spätern<lb/> Zeiten häufig sein Streben nach derartigen Wissen vereitelt sah, unterließ man<lb/> doch niemals, zu thun, was man konnte, um das Herz der Nation zu erforschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_869"> Als die Leiter sich mit dem so gesammelten Wissen bewaffnet, bereiteten sie<lb/> sich vor, es zu verbreiten, aber sie theilten nicht bloß mit, worüber sie sich ver¬<lb/> gewissert hatten, daß es die Meinung des Landes sei. Ihre Methode war fol¬<lb/> gende: Sie beschäftigten gewandte Schrifsteller mit Beweisführungen zur Unter¬<lb/> stützung der Meinung, welche das Land, wie sie glaubten, bereits anzunehmen im<lb/> Begriffe war, und falls sie gut berichtet waren, fanden deren Argumente natürlich<lb/> willige Ohren. Die, welche sich bereits ein Urtheil gebildet hatten, sahen ihre<lb/> Gedanken auseinandergesetzt und mit einer Geschicklichkeit empfohlen, über die sie<lb/> selbst nicht geboten; und die, welche noch zu keiner Meinung gelangt waren,<lb/> hatten starke Veranlassung drzu, als sie den Weg von einer Genossenschaft einge-<lb/> schlagen sahen, welche notorisch bemüht war, den Veränderungen des öffentlichen<lb/> Denkens zu folgen. Der Bericht, welchen das Blatt vou der Meinung gab, die<lb/> sich das Publicum gebildet, war so dicht gemischt mit Argumenten zur Unterstützung<lb/> dieser selben Meinung, daß der, welcher in das Blatt bloß um zu wissen, was<lb/> andre Leute dächten, sah, beim Lesen von dem Zwange der Beweisführung er¬<lb/> griffen wurde, und andrerseits gehorchte der, welcher sich einbildete, er werde von<lb/> der Kraft bloßer Logik beherrscht, mir einem Führer, welcher, indem er ihm sagte,<lb/> die Welt sei über die Sache bereits einig, ihn bewog, hinzugehen und sich mit<lb/> seinesgleichen zusammenzustellen; denn wie das Aussprechen einer Prophezeiung<lb/> bisweilen ein Hauptschritt zu ihrer Erfüllung ist, so erzeugt oft ein Gerücht, das<lb/> behauptet, Massen hätten bereits eine gegebene Meinung sich angeeignet, gerade<lb/> jenes Zusammentreffen von Gedanken, von dem vorzeitig erklärt worden ist, es<lb/> existire schou. Das Ergebniß der Wirksamkeit dieses doppelten Processes war<lb/> natürlich, daß die öffentliche Meinung gewöhnlich im Einklange mit dem war, was<lb/> die Genossenschaft schrieb, und je mehr das Blatt dahin gelangte, als wahrer Ausdruck<lb/> der Meinung der Nation betrachtet zu werden, desto ungeheurer war die Bedeutung,<lb/> welche es in Betreff'der öffentlichen Angelegenheiten erlangte.</p><lb/> <p xml:id="ID_870"> So übte denn diese Genossenschaft von Zcituugsdruckcru offenbar eine große<lb/> Macht aus, und wenn ich genügend klar geschrieben habe, so habe ich dnrgcthan,<lb/> daß dies eine Macht von weit gröszern Dimensionen war als die, welche man<lb/> mit dem Ausdrucke ,die Macht der Presse' bezeichnet. Man kann z. B. einen<lb/> Manu der Öffentlichkeit dnrch gedruckte Darlegungen und Jnvectiven anklagen,<lb/> die das Volk lediglich als die Meinung der Verfasser ansieht, aber es ist etwas<lb/> anderes und viel ernsteres, wenn er in Aufsätzen angeklagt wird, welche, obwohl sie<lb/> die Form von Beweisführungen haben, mit Recht oder Unrecht als Manifeste be¬<lb/> trachtet werden - - als Manifeste, welche das Urtheil des englischen Volkes aus-<lb/> sprechen. In dein einen Falle ist der Mann nur angeklagt, im andern steht er<lb/> bereits als Verurtheilter da.</p><lb/> <p xml:id="ID_871" next="#ID_872"> Aber obwohl die Genossenschaft alle diese Macht besaß, war ihr Besitztitel<lb/> doch derartig, daß sie nach ihm nicht verkehrt oder nach Laune verfahren konnte,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Der Parlamentarismus i» England.
auf gescheidte Leute hören, Seine Aufgabe war vielmehr, zu warten und weiter
zu warten, bis er bemerkte, daß ein gewöhnlicher und auf der Hand liegender
Gedanke an vielen Orten und vou viele» Leuten wiederholt wurde, die sich wahr¬
scheinlich vorher nie gesehen. Dieser eine gemeinsame Gedanke war die Sache,
nach der er suchte, und er trug ihn seinen Brodgebern zu. Er erwarb sich in
diesem eigenthümlichen Berufe ein solches Geschick, daß die Genossenschaft, so lange
er sie bediente, selten zu Irrthum verleitet wurde, und obwohl man in spätern
Zeiten häufig sein Streben nach derartigen Wissen vereitelt sah, unterließ man
doch niemals, zu thun, was man konnte, um das Herz der Nation zu erforschen.
Als die Leiter sich mit dem so gesammelten Wissen bewaffnet, bereiteten sie
sich vor, es zu verbreiten, aber sie theilten nicht bloß mit, worüber sie sich ver¬
gewissert hatten, daß es die Meinung des Landes sei. Ihre Methode war fol¬
gende: Sie beschäftigten gewandte Schrifsteller mit Beweisführungen zur Unter¬
stützung der Meinung, welche das Land, wie sie glaubten, bereits anzunehmen im
Begriffe war, und falls sie gut berichtet waren, fanden deren Argumente natürlich
willige Ohren. Die, welche sich bereits ein Urtheil gebildet hatten, sahen ihre
Gedanken auseinandergesetzt und mit einer Geschicklichkeit empfohlen, über die sie
selbst nicht geboten; und die, welche noch zu keiner Meinung gelangt waren,
hatten starke Veranlassung drzu, als sie den Weg von einer Genossenschaft einge-
schlagen sahen, welche notorisch bemüht war, den Veränderungen des öffentlichen
Denkens zu folgen. Der Bericht, welchen das Blatt vou der Meinung gab, die
sich das Publicum gebildet, war so dicht gemischt mit Argumenten zur Unterstützung
dieser selben Meinung, daß der, welcher in das Blatt bloß um zu wissen, was
andre Leute dächten, sah, beim Lesen von dem Zwange der Beweisführung er¬
griffen wurde, und andrerseits gehorchte der, welcher sich einbildete, er werde von
der Kraft bloßer Logik beherrscht, mir einem Führer, welcher, indem er ihm sagte,
die Welt sei über die Sache bereits einig, ihn bewog, hinzugehen und sich mit
seinesgleichen zusammenzustellen; denn wie das Aussprechen einer Prophezeiung
bisweilen ein Hauptschritt zu ihrer Erfüllung ist, so erzeugt oft ein Gerücht, das
behauptet, Massen hätten bereits eine gegebene Meinung sich angeeignet, gerade
jenes Zusammentreffen von Gedanken, von dem vorzeitig erklärt worden ist, es
existire schou. Das Ergebniß der Wirksamkeit dieses doppelten Processes war
natürlich, daß die öffentliche Meinung gewöhnlich im Einklange mit dem war, was
die Genossenschaft schrieb, und je mehr das Blatt dahin gelangte, als wahrer Ausdruck
der Meinung der Nation betrachtet zu werden, desto ungeheurer war die Bedeutung,
welche es in Betreff'der öffentlichen Angelegenheiten erlangte.
So übte denn diese Genossenschaft von Zcituugsdruckcru offenbar eine große
Macht aus, und wenn ich genügend klar geschrieben habe, so habe ich dnrgcthan,
daß dies eine Macht von weit gröszern Dimensionen war als die, welche man
mit dem Ausdrucke ,die Macht der Presse' bezeichnet. Man kann z. B. einen
Manu der Öffentlichkeit dnrch gedruckte Darlegungen und Jnvectiven anklagen,
die das Volk lediglich als die Meinung der Verfasser ansieht, aber es ist etwas
anderes und viel ernsteres, wenn er in Aufsätzen angeklagt wird, welche, obwohl sie
die Form von Beweisführungen haben, mit Recht oder Unrecht als Manifeste be¬
trachtet werden - - als Manifeste, welche das Urtheil des englischen Volkes aus-
sprechen. In dein einen Falle ist der Mann nur angeklagt, im andern steht er
bereits als Verurtheilter da.
Aber obwohl die Genossenschaft alle diese Macht besaß, war ihr Besitztitel
doch derartig, daß sie nach ihm nicht verkehrt oder nach Laune verfahren konnte,
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