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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Gladstone und die Roers,

cultivirten Rasse das Werthvollste ist, ihre Freiheit, ihre Rechte, ihre Sprache,
ihre Gerichte und ihre Religion, die alle durch England bedroht sind, preiszu¬
geben. Indessen da sie keine besondre Unrnhe zeigten wie damals, als Pretvrius
gefangen gehalten und ihm der Hochvcrrathsproecß bereitet wurde, wo sie in
bewaffneten Hnnfen die Straße nach Pretoria unsicher machten und die Tele¬
graphen abbrachen, so fanden sich der Oberbevollmächtigte für Natnl und Trans¬
vaal Sir Pomereoy Cvlley und sein Administrator in Transvaal, Oberst
Lnnhou um so eher beruhigt, weil 1880 ungefähr 100000 Pfund mehr an Steuern
eingegangen waren als im vorhergehenden Jahr, Dieser Mehrertrag war aber
nicht das Resultat einer größer" Bereitwilligkeit der VoerS zum Steuerzahler,
sondern entstand ans einer Erhöhung der Hnttenstener, der die farbigen Ein¬
wohner unterworfen wurden. Im übrigen geschah von Seiten der Regierung
nichts, waS anch nur den Schein hätte erwecken können, daß die schon von
Sir Hicks Brach gemachten Versprechungen über selbständige Verwaltung durch
die Voers erfüllt werden sollen, Nur um die bereits von dem letzten Präsi¬
denten des Freistaats, Bürgers, getroffenen Einleitungen zur Erbauung einer
Eisenbahn von Pretoria nach Lorenzo Marques knüpfte die britische Regierung
an, indem sie im Sommer 1880 wegen eines Vertrags mit Portugal unter¬
handelte, demzufolge Großbritannien die zu erbauende Eisenbahn zum Transport
von Truppen und Kriegsmaterial über Lorenzo Marques nach Transvaal sollte
benutzen können. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob die Cortes von Portugal
diesen Vertrag genehmigen werden, nachdem in Lissabon selbst seitens der libe¬
ralen Partei ähnliche Kundgebungen zu Gunsten der Freiheit von Transvaal
zu Tage getreten sind wie in Holland und Flandern, Daß England jetzt nach
dem Ausbruch der Feindseligkeiten bei Portugal um die Erlaubniß angehalten
habe, Truppen über Lorenzo Marques nach Transvaal zu werfen, ist im Par¬
lament von dem Unterstaatsseeretär Mr, Grant Duff in Abrede gestellt worden.

Unter diesen Umständen mußte den Boers die Hoffnung schwinden, daß sie
jemals durch geduldiges Warten wieder in den Besitz ihrer Selbständigkeit kommen
würden, und allmählich gewann die Actionspartei unter ihnen die Oberhand
über die Gemäßigten, die darauf vertrauten, daß Gladstone sein Wort wahr
machen würde. Die Mehrzahl des Volks drang auf Entscheidung, und die Er¬
mahnungen zur Geduld, die vou ihren hauptsächlichsten Führern, Krüger und
Jonbert, ausgingen und denen die heißblütigsten schon viel zu lange nachgelebt
zu haben glaubten, fruchteten nicht mehr. England war an mehreren Punkten
in Verlegenheit, Natal war unzufrieden, die Capcolonie machte vergebliche An-
strengungen, um der Basutos und ihrer Verbündeten Herr zu werden, die Zulus
hungerten und verlangte"? nach ihren ins Exil geführten Fürsten Cetewajo und


Gladstone und die Roers,

cultivirten Rasse das Werthvollste ist, ihre Freiheit, ihre Rechte, ihre Sprache,
ihre Gerichte und ihre Religion, die alle durch England bedroht sind, preiszu¬
geben. Indessen da sie keine besondre Unrnhe zeigten wie damals, als Pretvrius
gefangen gehalten und ihm der Hochvcrrathsproecß bereitet wurde, wo sie in
bewaffneten Hnnfen die Straße nach Pretoria unsicher machten und die Tele¬
graphen abbrachen, so fanden sich der Oberbevollmächtigte für Natnl und Trans¬
vaal Sir Pomereoy Cvlley und sein Administrator in Transvaal, Oberst
Lnnhou um so eher beruhigt, weil 1880 ungefähr 100000 Pfund mehr an Steuern
eingegangen waren als im vorhergehenden Jahr, Dieser Mehrertrag war aber
nicht das Resultat einer größer» Bereitwilligkeit der VoerS zum Steuerzahler,
sondern entstand ans einer Erhöhung der Hnttenstener, der die farbigen Ein¬
wohner unterworfen wurden. Im übrigen geschah von Seiten der Regierung
nichts, waS anch nur den Schein hätte erwecken können, daß die schon von
Sir Hicks Brach gemachten Versprechungen über selbständige Verwaltung durch
die Voers erfüllt werden sollen, Nur um die bereits von dem letzten Präsi¬
denten des Freistaats, Bürgers, getroffenen Einleitungen zur Erbauung einer
Eisenbahn von Pretoria nach Lorenzo Marques knüpfte die britische Regierung
an, indem sie im Sommer 1880 wegen eines Vertrags mit Portugal unter¬
handelte, demzufolge Großbritannien die zu erbauende Eisenbahn zum Transport
von Truppen und Kriegsmaterial über Lorenzo Marques nach Transvaal sollte
benutzen können. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob die Cortes von Portugal
diesen Vertrag genehmigen werden, nachdem in Lissabon selbst seitens der libe¬
ralen Partei ähnliche Kundgebungen zu Gunsten der Freiheit von Transvaal
zu Tage getreten sind wie in Holland und Flandern, Daß England jetzt nach
dem Ausbruch der Feindseligkeiten bei Portugal um die Erlaubniß angehalten
habe, Truppen über Lorenzo Marques nach Transvaal zu werfen, ist im Par¬
lament von dem Unterstaatsseeretär Mr, Grant Duff in Abrede gestellt worden.

Unter diesen Umständen mußte den Boers die Hoffnung schwinden, daß sie
jemals durch geduldiges Warten wieder in den Besitz ihrer Selbständigkeit kommen
würden, und allmählich gewann die Actionspartei unter ihnen die Oberhand
über die Gemäßigten, die darauf vertrauten, daß Gladstone sein Wort wahr
machen würde. Die Mehrzahl des Volks drang auf Entscheidung, und die Er¬
mahnungen zur Geduld, die vou ihren hauptsächlichsten Führern, Krüger und
Jonbert, ausgingen und denen die heißblütigsten schon viel zu lange nachgelebt
zu haben glaubten, fruchteten nicht mehr. England war an mehreren Punkten
in Verlegenheit, Natal war unzufrieden, die Capcolonie machte vergebliche An-
strengungen, um der Basutos und ihrer Verbündeten Herr zu werden, die Zulus
hungerten und verlangte«? nach ihren ins Exil geführten Fürsten Cetewajo und


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[0296] Gladstone und die Roers, cultivirten Rasse das Werthvollste ist, ihre Freiheit, ihre Rechte, ihre Sprache, ihre Gerichte und ihre Religion, die alle durch England bedroht sind, preiszu¬ geben. Indessen da sie keine besondre Unrnhe zeigten wie damals, als Pretvrius gefangen gehalten und ihm der Hochvcrrathsproecß bereitet wurde, wo sie in bewaffneten Hnnfen die Straße nach Pretoria unsicher machten und die Tele¬ graphen abbrachen, so fanden sich der Oberbevollmächtigte für Natnl und Trans¬ vaal Sir Pomereoy Cvlley und sein Administrator in Transvaal, Oberst Lnnhou um so eher beruhigt, weil 1880 ungefähr 100000 Pfund mehr an Steuern eingegangen waren als im vorhergehenden Jahr, Dieser Mehrertrag war aber nicht das Resultat einer größer» Bereitwilligkeit der VoerS zum Steuerzahler, sondern entstand ans einer Erhöhung der Hnttenstener, der die farbigen Ein¬ wohner unterworfen wurden. Im übrigen geschah von Seiten der Regierung nichts, waS anch nur den Schein hätte erwecken können, daß die schon von Sir Hicks Brach gemachten Versprechungen über selbständige Verwaltung durch die Voers erfüllt werden sollen, Nur um die bereits von dem letzten Präsi¬ denten des Freistaats, Bürgers, getroffenen Einleitungen zur Erbauung einer Eisenbahn von Pretoria nach Lorenzo Marques knüpfte die britische Regierung an, indem sie im Sommer 1880 wegen eines Vertrags mit Portugal unter¬ handelte, demzufolge Großbritannien die zu erbauende Eisenbahn zum Transport von Truppen und Kriegsmaterial über Lorenzo Marques nach Transvaal sollte benutzen können. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob die Cortes von Portugal diesen Vertrag genehmigen werden, nachdem in Lissabon selbst seitens der libe¬ ralen Partei ähnliche Kundgebungen zu Gunsten der Freiheit von Transvaal zu Tage getreten sind wie in Holland und Flandern, Daß England jetzt nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten bei Portugal um die Erlaubniß angehalten habe, Truppen über Lorenzo Marques nach Transvaal zu werfen, ist im Par¬ lament von dem Unterstaatsseeretär Mr, Grant Duff in Abrede gestellt worden. Unter diesen Umständen mußte den Boers die Hoffnung schwinden, daß sie jemals durch geduldiges Warten wieder in den Besitz ihrer Selbständigkeit kommen würden, und allmählich gewann die Actionspartei unter ihnen die Oberhand über die Gemäßigten, die darauf vertrauten, daß Gladstone sein Wort wahr machen würde. Die Mehrzahl des Volks drang auf Entscheidung, und die Er¬ mahnungen zur Geduld, die vou ihren hauptsächlichsten Führern, Krüger und Jonbert, ausgingen und denen die heißblütigsten schon viel zu lange nachgelebt zu haben glaubten, fruchteten nicht mehr. England war an mehreren Punkten in Verlegenheit, Natal war unzufrieden, die Capcolonie machte vergebliche An- strengungen, um der Basutos und ihrer Verbündeten Herr zu werden, die Zulus hungerten und verlangte«? nach ihren ins Exil geführten Fürsten Cetewajo und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/296>, abgerufen am 28.12.2024.