Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.politische Briefe. dieser Schädlichkeiten zu construiren ist. Genau nach diesen Gesichtspunkten ist Es ist zunächst diejenige Schädlichkeit zur Bekämpfung ausgewählt, welche So gestaltet sich denn der Versicherungsplan gegen die körperliche Beschä¬ Es läßt sich nun wohlfeil declamiren, wie die Fortschrittsblätter bereits politische Briefe. dieser Schädlichkeiten zu construiren ist. Genau nach diesen Gesichtspunkten ist Es ist zunächst diejenige Schädlichkeit zur Bekämpfung ausgewählt, welche So gestaltet sich denn der Versicherungsplan gegen die körperliche Beschä¬ Es läßt sich nun wohlfeil declamiren, wie die Fortschrittsblätter bereits <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149222"/> <fw type="header" place="top"> politische Briefe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_646" prev="#ID_645"> dieser Schädlichkeiten zu construiren ist. Genau nach diesen Gesichtspunkten ist<lb/> der Plan zur Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle in ihrem Berufe gearbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Es ist zunächst diejenige Schädlichkeit zur Bekämpfung ausgewählt, welche<lb/> die Existenz des Arbeiters nicht am häufigsten, aber am verheerendsten trifft,<lb/> welche ferner ihren Grund weder in der Verschuldung des Arbeiters noch in<lb/> den allgemeinen Schwankungen des wirthschaftlichen Lebens, sondern zumeist<lb/> in den mangelhaften Einrichtungen der Unternehmer hat. Wo aber bei den<lb/> Unfällen, welche den Arbeiter im Betriebe ereilen, Elemente walten, die niemals<lb/> völlig zu beseitigen sind, da hat sür den Arbeiter, der nicht aus Neigung son¬<lb/> dern aus Noth einen gefährlichen Beruf erwählt, die Fürsorge des Ganzen ein¬<lb/> zutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_648"> So gestaltet sich denn der Versicherungsplan gegen die körperliche Beschä¬<lb/> digung der Arbeiter durch Betriebsunfälle folgendermaßen. Der Arbeiter, dessen<lb/> Jahreslohn uur den Betrag von 750 Mark und darunter erreicht, gilt als zu<lb/> schwach zur eignen Versicherung. Für ihn müssen die Unternehmer eintreten,<lb/> soweit sie die Verschuldung durch mangelhafte Einrichtungen trifft. Aber diese<lb/> Verschuldung wird nicht, wie bei dem Haftpflichtgesetz, durch eine peinliche, stets<lb/> unzuverlässige Ermittlung im einzelnen Falle festgesetzt, sondern es werden dem<lb/> Unternehmer zwei Drittheile der Versichernngsprämie für alle Arbeiter der er¬<lb/> wähnten Lohnclasse auferlegt. Denn der Unternehmer kann das meisw zur<lb/> Verhütung von Unfällen thun durch die Zweckmäßigkeit der Einrichtungen, welche<lb/> die Technik darbietet, sowie durch die Auswahl und den pädagogischen Einfluß<lb/> auf das beaufsichtigende wie das arbeitende Personal, das von ihm abhängt.<lb/> Und der Unternehmer soll zu dieser Thätigkeit des Verhütens gezwungen werden.<lb/> Der beste Zwang ist aber der indirecte durch die Versicherungsprämie, welche<lb/> steigen muß, je mehr Nachlässigkeit bei dem Betriebe herrscht, welche fallen muß,<lb/> je gewissenhafter und tüchtiger die Betriebe geleitet werden. Was aber an<lb/> Unfällen durch keine Vorsorge abgewendet werden kann, dagegen hat die öffent¬<lb/> liche Armenpflege dem vemuglückten Arbeiter zu Hilfe zu kommen, und der<lb/> Gesetzentwurf thut den glücklichen Griff, den Eintritt der Armenpflege wiederum<lb/> nicht in den einzelnen Fällen anzuordnen, sondern so, daß die Armenpflege ein<lb/> für alle mal ein Drittheil der Versicherungsprämie übernimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_649" next="#ID_650"> Es läßt sich nun wohlfeil declamiren, wie die Fortschrittsblätter bereits<lb/> hinreichend gethan, daß ans diese Weise der nachlässige und gewissenhafte Unter¬<lb/> nehmer, der sorglose und der sorgfältige Arbeiter nach demselben Maßstabe be¬<lb/> handelt werden. Als ob das Mittel zur Lösung der socialen Frage im ganzen<lb/> wie im einzelnen in etwas anderm bestehen könnte als in der Hebung der mora¬<lb/> lischen Kraft der Betheiligten durch die Solidarität und Selbstdisciplin der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0238]
politische Briefe.
dieser Schädlichkeiten zu construiren ist. Genau nach diesen Gesichtspunkten ist
der Plan zur Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle in ihrem Berufe gearbeitet.
Es ist zunächst diejenige Schädlichkeit zur Bekämpfung ausgewählt, welche
die Existenz des Arbeiters nicht am häufigsten, aber am verheerendsten trifft,
welche ferner ihren Grund weder in der Verschuldung des Arbeiters noch in
den allgemeinen Schwankungen des wirthschaftlichen Lebens, sondern zumeist
in den mangelhaften Einrichtungen der Unternehmer hat. Wo aber bei den
Unfällen, welche den Arbeiter im Betriebe ereilen, Elemente walten, die niemals
völlig zu beseitigen sind, da hat sür den Arbeiter, der nicht aus Neigung son¬
dern aus Noth einen gefährlichen Beruf erwählt, die Fürsorge des Ganzen ein¬
zutreten.
So gestaltet sich denn der Versicherungsplan gegen die körperliche Beschä¬
digung der Arbeiter durch Betriebsunfälle folgendermaßen. Der Arbeiter, dessen
Jahreslohn uur den Betrag von 750 Mark und darunter erreicht, gilt als zu
schwach zur eignen Versicherung. Für ihn müssen die Unternehmer eintreten,
soweit sie die Verschuldung durch mangelhafte Einrichtungen trifft. Aber diese
Verschuldung wird nicht, wie bei dem Haftpflichtgesetz, durch eine peinliche, stets
unzuverlässige Ermittlung im einzelnen Falle festgesetzt, sondern es werden dem
Unternehmer zwei Drittheile der Versichernngsprämie für alle Arbeiter der er¬
wähnten Lohnclasse auferlegt. Denn der Unternehmer kann das meisw zur
Verhütung von Unfällen thun durch die Zweckmäßigkeit der Einrichtungen, welche
die Technik darbietet, sowie durch die Auswahl und den pädagogischen Einfluß
auf das beaufsichtigende wie das arbeitende Personal, das von ihm abhängt.
Und der Unternehmer soll zu dieser Thätigkeit des Verhütens gezwungen werden.
Der beste Zwang ist aber der indirecte durch die Versicherungsprämie, welche
steigen muß, je mehr Nachlässigkeit bei dem Betriebe herrscht, welche fallen muß,
je gewissenhafter und tüchtiger die Betriebe geleitet werden. Was aber an
Unfällen durch keine Vorsorge abgewendet werden kann, dagegen hat die öffent¬
liche Armenpflege dem vemuglückten Arbeiter zu Hilfe zu kommen, und der
Gesetzentwurf thut den glücklichen Griff, den Eintritt der Armenpflege wiederum
nicht in den einzelnen Fällen anzuordnen, sondern so, daß die Armenpflege ein
für alle mal ein Drittheil der Versicherungsprämie übernimmt.
Es läßt sich nun wohlfeil declamiren, wie die Fortschrittsblätter bereits
hinreichend gethan, daß ans diese Weise der nachlässige und gewissenhafte Unter¬
nehmer, der sorglose und der sorgfältige Arbeiter nach demselben Maßstabe be¬
handelt werden. Als ob das Mittel zur Lösung der socialen Frage im ganzen
wie im einzelnen in etwas anderm bestehen könnte als in der Hebung der mora¬
lischen Kraft der Betheiligten durch die Solidarität und Selbstdisciplin der
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