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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Giuv "Lcippoiu.

bedingten kirchlichen und politischen Standpunkte von einander ab. Der Diplomat
Reumont hat durch seine sociale Stellung als langjähriger Vertreter des preußischen
Staates in Rom und Florenz wie durch seine weitverzweigten wissenschaftlichen
Verbindungen den weiter" Horizont für sich, so lange derselbe nicht durch den
vielfach durchschimmernden, wenn auch nie sich absichtlich vordrängenden ultra-
montan-legitimistischen Standpunkt beengt wird; Tabarrini erscheint begünstigt
durch seine Nationalität, seine langjährige Vertrautheit mit allen persönlichen
Verhältnissen, endlich dnrch die ihm offenstehende Benutzung des Familienarchivs.
So bieten beide Biographien, sich gegenseitig ergänzend, eigenthümliche Vor¬
züge. Unsere Leser werden es uns Dank wissen, wenn wir, neben den Schriften
Capponis selbst beide gewissenhaft benutzend, ihnen in kurzen Strichen ein
Bild des bedeutenden Mannes zu zeichnen versuchen, dessen Andenken sie ge¬
widmet sind.

Keine andere Stadt des nüttelalterlichen und modernen Europas hat eine
gleiche Zahl vornehmer Patriciergeschlechter auszuweisen, deren Name und Ruf
auf allen Gebieten des Lebens, der Wissenschaft und der Kunst so weit hincms-
töut über die engen Grenzen ihrer Mauern, wie die alte Welfenrepublik und
spätere Mediceerresidenz am Arno. Zu den angesehensten derselben gehörig,
können die Cappvni ihre Ahnenreihe rückwärts verfolgen bis zu den Zeiten der
Hohenstaufen, wo sie unter Kaiser Friedrich dem Zweiten von Lucca her ein¬
gewandert sein sollen. Der erste derselben, dessen Namen uns die Geschichte
überliefert hat, ein gewisser Neri ti Reeco Capponi, verhalf in den Unruhen
des Jahres 1343 der Volkspartei zum Siege gegen die Optimaten; sein Sohn,
ebenfalls ein Giuv, war der Historiker des berühmten winulto nig' vivmxi (der
Wollkratzer-Revolution), jener Empörung des politisch rechtlosen vierten Standes,
welche 1378 dem alten Regimente der bevorrechteten Stände und der gemäßigt
demokratischen Verfassung, die Florenz groß gemacht hatte, ein Ende bereitete,
den ehrgeizigen Bestrebungen weniger Optimatensamilien den Boden chüele und
so den Uebergang zur Herrschaft einer einzigen vermittelte. Dieser Giuv Capponi
verwaltete später als Kommissar der Republik uach dem definitiven Sturze der
unglücklichen Ghibellinenstadt 1406 das eroberte Pisa mit Weisheit und Milde.
Sein Sohn Neri, ein so feiner und beim Volke beliebter Politiker, daß er sogar
neben Cosimo de' Medici eine bedeutende Rolle zu spielen vermochte, hat uns
Commentarien hinterlassen, die zu den wichtigsten historischen Documenten über
jene Zeit gehören. Mit Stolz nennt ferner jeder Schulknabe in Florenz den
Namen seines Enkels, jenes Piero Capponi, der 1494 Karl VIII. von Frank¬
reich den unwürdigen Vertrag, den der König den Florentinern aufnöthigeu
wollte, zerrissen vor die Füße werfend, ausrief: Lnonatö 1s vostrs trombs, noi


Giuv «Lcippoiu.

bedingten kirchlichen und politischen Standpunkte von einander ab. Der Diplomat
Reumont hat durch seine sociale Stellung als langjähriger Vertreter des preußischen
Staates in Rom und Florenz wie durch seine weitverzweigten wissenschaftlichen
Verbindungen den weiter» Horizont für sich, so lange derselbe nicht durch den
vielfach durchschimmernden, wenn auch nie sich absichtlich vordrängenden ultra-
montan-legitimistischen Standpunkt beengt wird; Tabarrini erscheint begünstigt
durch seine Nationalität, seine langjährige Vertrautheit mit allen persönlichen
Verhältnissen, endlich dnrch die ihm offenstehende Benutzung des Familienarchivs.
So bieten beide Biographien, sich gegenseitig ergänzend, eigenthümliche Vor¬
züge. Unsere Leser werden es uns Dank wissen, wenn wir, neben den Schriften
Capponis selbst beide gewissenhaft benutzend, ihnen in kurzen Strichen ein
Bild des bedeutenden Mannes zu zeichnen versuchen, dessen Andenken sie ge¬
widmet sind.

Keine andere Stadt des nüttelalterlichen und modernen Europas hat eine
gleiche Zahl vornehmer Patriciergeschlechter auszuweisen, deren Name und Ruf
auf allen Gebieten des Lebens, der Wissenschaft und der Kunst so weit hincms-
töut über die engen Grenzen ihrer Mauern, wie die alte Welfenrepublik und
spätere Mediceerresidenz am Arno. Zu den angesehensten derselben gehörig,
können die Cappvni ihre Ahnenreihe rückwärts verfolgen bis zu den Zeiten der
Hohenstaufen, wo sie unter Kaiser Friedrich dem Zweiten von Lucca her ein¬
gewandert sein sollen. Der erste derselben, dessen Namen uns die Geschichte
überliefert hat, ein gewisser Neri ti Reeco Capponi, verhalf in den Unruhen
des Jahres 1343 der Volkspartei zum Siege gegen die Optimaten; sein Sohn,
ebenfalls ein Giuv, war der Historiker des berühmten winulto nig' vivmxi (der
Wollkratzer-Revolution), jener Empörung des politisch rechtlosen vierten Standes,
welche 1378 dem alten Regimente der bevorrechteten Stände und der gemäßigt
demokratischen Verfassung, die Florenz groß gemacht hatte, ein Ende bereitete,
den ehrgeizigen Bestrebungen weniger Optimatensamilien den Boden chüele und
so den Uebergang zur Herrschaft einer einzigen vermittelte. Dieser Giuv Capponi
verwaltete später als Kommissar der Republik uach dem definitiven Sturze der
unglücklichen Ghibellinenstadt 1406 das eroberte Pisa mit Weisheit und Milde.
Sein Sohn Neri, ein so feiner und beim Volke beliebter Politiker, daß er sogar
neben Cosimo de' Medici eine bedeutende Rolle zu spielen vermochte, hat uns
Commentarien hinterlassen, die zu den wichtigsten historischen Documenten über
jene Zeit gehören. Mit Stolz nennt ferner jeder Schulknabe in Florenz den
Namen seines Enkels, jenes Piero Capponi, der 1494 Karl VIII. von Frank¬
reich den unwürdigen Vertrag, den der König den Florentinern aufnöthigeu
wollte, zerrissen vor die Füße werfend, ausrief: Lnonatö 1s vostrs trombs, noi


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[0210] Giuv «Lcippoiu. bedingten kirchlichen und politischen Standpunkte von einander ab. Der Diplomat Reumont hat durch seine sociale Stellung als langjähriger Vertreter des preußischen Staates in Rom und Florenz wie durch seine weitverzweigten wissenschaftlichen Verbindungen den weiter» Horizont für sich, so lange derselbe nicht durch den vielfach durchschimmernden, wenn auch nie sich absichtlich vordrängenden ultra- montan-legitimistischen Standpunkt beengt wird; Tabarrini erscheint begünstigt durch seine Nationalität, seine langjährige Vertrautheit mit allen persönlichen Verhältnissen, endlich dnrch die ihm offenstehende Benutzung des Familienarchivs. So bieten beide Biographien, sich gegenseitig ergänzend, eigenthümliche Vor¬ züge. Unsere Leser werden es uns Dank wissen, wenn wir, neben den Schriften Capponis selbst beide gewissenhaft benutzend, ihnen in kurzen Strichen ein Bild des bedeutenden Mannes zu zeichnen versuchen, dessen Andenken sie ge¬ widmet sind. Keine andere Stadt des nüttelalterlichen und modernen Europas hat eine gleiche Zahl vornehmer Patriciergeschlechter auszuweisen, deren Name und Ruf auf allen Gebieten des Lebens, der Wissenschaft und der Kunst so weit hincms- töut über die engen Grenzen ihrer Mauern, wie die alte Welfenrepublik und spätere Mediceerresidenz am Arno. Zu den angesehensten derselben gehörig, können die Cappvni ihre Ahnenreihe rückwärts verfolgen bis zu den Zeiten der Hohenstaufen, wo sie unter Kaiser Friedrich dem Zweiten von Lucca her ein¬ gewandert sein sollen. Der erste derselben, dessen Namen uns die Geschichte überliefert hat, ein gewisser Neri ti Reeco Capponi, verhalf in den Unruhen des Jahres 1343 der Volkspartei zum Siege gegen die Optimaten; sein Sohn, ebenfalls ein Giuv, war der Historiker des berühmten winulto nig' vivmxi (der Wollkratzer-Revolution), jener Empörung des politisch rechtlosen vierten Standes, welche 1378 dem alten Regimente der bevorrechteten Stände und der gemäßigt demokratischen Verfassung, die Florenz groß gemacht hatte, ein Ende bereitete, den ehrgeizigen Bestrebungen weniger Optimatensamilien den Boden chüele und so den Uebergang zur Herrschaft einer einzigen vermittelte. Dieser Giuv Capponi verwaltete später als Kommissar der Republik uach dem definitiven Sturze der unglücklichen Ghibellinenstadt 1406 das eroberte Pisa mit Weisheit und Milde. Sein Sohn Neri, ein so feiner und beim Volke beliebter Politiker, daß er sogar neben Cosimo de' Medici eine bedeutende Rolle zu spielen vermochte, hat uns Commentarien hinterlassen, die zu den wichtigsten historischen Documenten über jene Zeit gehören. Mit Stolz nennt ferner jeder Schulknabe in Florenz den Namen seines Enkels, jenes Piero Capponi, der 1494 Karl VIII. von Frank¬ reich den unwürdigen Vertrag, den der König den Florentinern aufnöthigeu wollte, zerrissen vor die Füße werfend, ausrief: Lnonatö 1s vostrs trombs, noi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/210>, abgerufen am 27.12.2024.