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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mittelalter.

er näher kam, bemerkte er, daß noch Leben in ihm war, und fragte ihn: ,Wer
bist du?^ der Ritter erwiederte: ,Jch bin der Bruder des Bischofs von Speier,
genannt der Landvogt des Elsasses/ und fügte hinzu: ,Wenn du mich an einen
sichern Ort führen willst, so will ich dich mit allen Gütern begaben/ Jener
aber sprach: ,Lieber möchte ich hier sterben als dich am Leben lassen/ und er
erschlug ihn. Als er ihn dann der Waffen beraubte und ihm die Rüstung,
mit der er bekleidet war, bis zu den Händen auszog, fand er, daß sie, wie das
bei Rittern Brauch ist, mit Kettchen festgebunden war. Er befürchtete, daß
längeres Verweilen ihm Schaden bringen könnte, und so hieb er dem Ritter
beide Hände mit der Rüstung ab, ließ den Verstümmelten liegen und nahm des
Ritters Hände sammt den Waffen mit sich in die Stadt."

Noch blieb den Siegern, bevor sie weiter marschirten, die Pflicht der Be¬
stattung ihrer Todten übrig. Mancher der letztern hatte schwer gerungen, bevor
der Tod ihn erlöst, und was ihm die Sterbestunde besonders schwer gemacht,
war der Gedanke, ohne Beichte und Communion scheiden zu müssen. Doch
fand sich zuweilen ein Auskunftsmittel. War ein Freund zur Hand, so konnte
der das Glaubensbekenntniß des Verscheidenden und seine Beichte hören und
ihm statt der fehlenden Hostie ein Blatt in den Mund stecken. Andernfalls
verzehrte der Sterbende drei Halme Gras, das er sich noch ausgerauft, und
glaubte so wenigstens ein Surrogat für die Hostie genossen zu haben. Die
Todten wurden auf Schilden zusammengetragen, worauf man die fremden ver¬
brannte, während man die Freunde auf dem nächsten Kirchhofe bestattete. War
kein solcher vorhanden, so begrub man die Leichen unter Hörnerschall in einem
großen Massengrabe, worauf die das Heer begleitenden Geistlichen über die
Stelle den Segen sprachen. Vornehme Leute bestattete man nicht gern in frem¬
dem Lande. Man zog es vor, ihre letzte Ruhestätte in geweihter Erde, an.der
Seite ihrer Vorfahren und Angehörigen zu bereiten. Die Leichen einzubalsa-
miren mangelte es bei einem Feldzuge an Zeit und Mitteln, und so zerstückte
man sie, kochte sie in Hirschhäute gewickelt mit Wasser und Wein, bis das Fleisch
sich von den Knochen löste, und brachte dann die mit Specereien parfümirten
Gebeine nach der Heimat, während man das Fleisch in der Nähe des Schlacht¬
feldes eingrub. So geschah es mit der Leiche Landgraf Ludwigs III. von
Thüringen in Cypern, mit seinem Nachfolger Ludwig IV. in Otranto, mit dem
heiligen Ludwig in Karthago und ähnlich mit Friedrich Barbarossa, der in
Antiochia "gesotten" wurde; das Fleisch setzte man in der dortigen Kathedrale
bei, die Gebeine brachte man einstweilen nach Tyrus, von wo sie später, wenn
Jerusalem gefallen sein würde, in dieser Stadt ihren Platz erhalten sollten.

Zum Andenken an die Gefallnen gründete man zuweilen auf der Wahl¬
statt ein Kloster. So thaten nach dem Kudrunliede die Hegelinge, welche die


Kriegführung im Mittelalter.

er näher kam, bemerkte er, daß noch Leben in ihm war, und fragte ihn: ,Wer
bist du?^ der Ritter erwiederte: ,Jch bin der Bruder des Bischofs von Speier,
genannt der Landvogt des Elsasses/ und fügte hinzu: ,Wenn du mich an einen
sichern Ort führen willst, so will ich dich mit allen Gütern begaben/ Jener
aber sprach: ,Lieber möchte ich hier sterben als dich am Leben lassen/ und er
erschlug ihn. Als er ihn dann der Waffen beraubte und ihm die Rüstung,
mit der er bekleidet war, bis zu den Händen auszog, fand er, daß sie, wie das
bei Rittern Brauch ist, mit Kettchen festgebunden war. Er befürchtete, daß
längeres Verweilen ihm Schaden bringen könnte, und so hieb er dem Ritter
beide Hände mit der Rüstung ab, ließ den Verstümmelten liegen und nahm des
Ritters Hände sammt den Waffen mit sich in die Stadt."

Noch blieb den Siegern, bevor sie weiter marschirten, die Pflicht der Be¬
stattung ihrer Todten übrig. Mancher der letztern hatte schwer gerungen, bevor
der Tod ihn erlöst, und was ihm die Sterbestunde besonders schwer gemacht,
war der Gedanke, ohne Beichte und Communion scheiden zu müssen. Doch
fand sich zuweilen ein Auskunftsmittel. War ein Freund zur Hand, so konnte
der das Glaubensbekenntniß des Verscheidenden und seine Beichte hören und
ihm statt der fehlenden Hostie ein Blatt in den Mund stecken. Andernfalls
verzehrte der Sterbende drei Halme Gras, das er sich noch ausgerauft, und
glaubte so wenigstens ein Surrogat für die Hostie genossen zu haben. Die
Todten wurden auf Schilden zusammengetragen, worauf man die fremden ver¬
brannte, während man die Freunde auf dem nächsten Kirchhofe bestattete. War
kein solcher vorhanden, so begrub man die Leichen unter Hörnerschall in einem
großen Massengrabe, worauf die das Heer begleitenden Geistlichen über die
Stelle den Segen sprachen. Vornehme Leute bestattete man nicht gern in frem¬
dem Lande. Man zog es vor, ihre letzte Ruhestätte in geweihter Erde, an.der
Seite ihrer Vorfahren und Angehörigen zu bereiten. Die Leichen einzubalsa-
miren mangelte es bei einem Feldzuge an Zeit und Mitteln, und so zerstückte
man sie, kochte sie in Hirschhäute gewickelt mit Wasser und Wein, bis das Fleisch
sich von den Knochen löste, und brachte dann die mit Specereien parfümirten
Gebeine nach der Heimat, während man das Fleisch in der Nähe des Schlacht¬
feldes eingrub. So geschah es mit der Leiche Landgraf Ludwigs III. von
Thüringen in Cypern, mit seinem Nachfolger Ludwig IV. in Otranto, mit dem
heiligen Ludwig in Karthago und ähnlich mit Friedrich Barbarossa, der in
Antiochia „gesotten" wurde; das Fleisch setzte man in der dortigen Kathedrale
bei, die Gebeine brachte man einstweilen nach Tyrus, von wo sie später, wenn
Jerusalem gefallen sein würde, in dieser Stadt ihren Platz erhalten sollten.

Zum Andenken an die Gefallnen gründete man zuweilen auf der Wahl¬
statt ein Kloster. So thaten nach dem Kudrunliede die Hegelinge, welche die


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[0142] Kriegführung im Mittelalter. er näher kam, bemerkte er, daß noch Leben in ihm war, und fragte ihn: ,Wer bist du?^ der Ritter erwiederte: ,Jch bin der Bruder des Bischofs von Speier, genannt der Landvogt des Elsasses/ und fügte hinzu: ,Wenn du mich an einen sichern Ort führen willst, so will ich dich mit allen Gütern begaben/ Jener aber sprach: ,Lieber möchte ich hier sterben als dich am Leben lassen/ und er erschlug ihn. Als er ihn dann der Waffen beraubte und ihm die Rüstung, mit der er bekleidet war, bis zu den Händen auszog, fand er, daß sie, wie das bei Rittern Brauch ist, mit Kettchen festgebunden war. Er befürchtete, daß längeres Verweilen ihm Schaden bringen könnte, und so hieb er dem Ritter beide Hände mit der Rüstung ab, ließ den Verstümmelten liegen und nahm des Ritters Hände sammt den Waffen mit sich in die Stadt." Noch blieb den Siegern, bevor sie weiter marschirten, die Pflicht der Be¬ stattung ihrer Todten übrig. Mancher der letztern hatte schwer gerungen, bevor der Tod ihn erlöst, und was ihm die Sterbestunde besonders schwer gemacht, war der Gedanke, ohne Beichte und Communion scheiden zu müssen. Doch fand sich zuweilen ein Auskunftsmittel. War ein Freund zur Hand, so konnte der das Glaubensbekenntniß des Verscheidenden und seine Beichte hören und ihm statt der fehlenden Hostie ein Blatt in den Mund stecken. Andernfalls verzehrte der Sterbende drei Halme Gras, das er sich noch ausgerauft, und glaubte so wenigstens ein Surrogat für die Hostie genossen zu haben. Die Todten wurden auf Schilden zusammengetragen, worauf man die fremden ver¬ brannte, während man die Freunde auf dem nächsten Kirchhofe bestattete. War kein solcher vorhanden, so begrub man die Leichen unter Hörnerschall in einem großen Massengrabe, worauf die das Heer begleitenden Geistlichen über die Stelle den Segen sprachen. Vornehme Leute bestattete man nicht gern in frem¬ dem Lande. Man zog es vor, ihre letzte Ruhestätte in geweihter Erde, an.der Seite ihrer Vorfahren und Angehörigen zu bereiten. Die Leichen einzubalsa- miren mangelte es bei einem Feldzuge an Zeit und Mitteln, und so zerstückte man sie, kochte sie in Hirschhäute gewickelt mit Wasser und Wein, bis das Fleisch sich von den Knochen löste, und brachte dann die mit Specereien parfümirten Gebeine nach der Heimat, während man das Fleisch in der Nähe des Schlacht¬ feldes eingrub. So geschah es mit der Leiche Landgraf Ludwigs III. von Thüringen in Cypern, mit seinem Nachfolger Ludwig IV. in Otranto, mit dem heiligen Ludwig in Karthago und ähnlich mit Friedrich Barbarossa, der in Antiochia „gesotten" wurde; das Fleisch setzte man in der dortigen Kathedrale bei, die Gebeine brachte man einstweilen nach Tyrus, von wo sie später, wenn Jerusalem gefallen sein würde, in dieser Stadt ihren Platz erhalten sollten. Zum Andenken an die Gefallnen gründete man zuweilen auf der Wahl¬ statt ein Kloster. So thaten nach dem Kudrunliede die Hegelinge, welche die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/142>, abgerufen am 27.12.2024.