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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Kriegführung im Mittelalter.

wir wissen, ihre Angriffe gleichfalls mit lautem Geschrei begleiteten, legen unsere
Dichter solche Rufe in den Mund. Der Pfaffe Konrad läßt die Heiden des
Königs Paligan den Namen von dessen Säbel "Preciosa" als Feldgeschrei ge¬
brauchen, andere Dichter berichten, die arabischen Schaaren hätten "Machemet"
oder gar "Jupiter" gerufen. Solche Kriegsrufe haben den Zweck, die Angrei¬
fenden zu ermuthigen, die Gegner zu schrecken, während des Kampfes das Signal
zum Sammeln zu geben und in der Noth die Freunde herbeizurufen. Wenn
die Fahnen verloren waren, so blieb dem Heere im gemeinsamen Kriegsgeschrei
das letzte Mittel, sich immer wieder zusammenzufinden.

Zu diesem Stimmendonner von beiden Seiten schmettern die Trompeten,
hallen die Posaunen, dröhnen Trommeln und Pauken. Den Angriff eröffnen
Fußsoldaten. Dann entspinnt sich ein leichtes Scharmützel zwischen den Vor¬
truppen der Heere, und es werden Einzelkampfe ausgefochten. Nach diesen Ein¬
leitungen beginnt das entscheidende Ringen, welches den Angreifenden von dem
Heere, welches sich in der Defensive halten will, dadurch erschwert wird, daß
man vor der Front Lanzen, deren Spitzen schräg nach vorn gerichtet sind, in
die Erde gegraben und dazwischen Fußangeln herumgestreut hat. Der Führer
der angreifenden Hauptschaar reitet derselben einen Bogenschuß weit voraus.
Gelingt es, die ersten Glieder der Feinde zu werfen, so stürmt man bald auf
die zweiten Schlachthaufen los. Endlich bilden die geschlagenen Abtheilungen
nur noch eine zusammengedrängte Masse, die nach hartem Kampfe ebenfalls
zersprengt wird.

Das Kriegsgeschrei wiederholend, sich gegenseitig ermunternd, tapfer drauf
zu schlagen, brausen mit eingelegten Lanzen die Reitergeschwader über das
Blachfeld hin und auf einander los. Gelingt es einem der Helden an der
Spitze, in den feindlichen Schlachthaufen einzudringen, so drängt ihm die Schaar
der Freunde nach. Die Fürsten greifen wie ihre Ritter thätig in den Kampf
ein. Richard Löwenherz verrichtet Wunder persönlicher Tapferkeit, selbst Kirchen¬
fürsten verschmähen es nicht, mit ins Getümmel zu gehen und Schwert und
Streitaxt zuschwingen. Der Erzbischof von Mainz, Christian, Legat des aposto¬
lischen Stuhles, jagt in einer Schlacht gegen die Bologneser hoch zu Rosse, über
dem Harnisch die hyaeinthfarbene Tunica, in der Faust die Streitaxt, mitten
in die Feinde hinein und tödtet mit eigner Hand neun Mann derselben. Ein
anderer Erzbischof von Mainz, Konrad von Wittelsbach, bewährt sich bei der
Belagerung von Braunschweig, 1189, gleichermaßen als gewaltiger Kriegsmann.

Eigenthümlich ist die Auffassung, daß ein König zwar am Kampfe theil¬
nehmen darf, daß es aber Frevel ist, die Hand gegen den Gesalbten des Herrn
zu erheben. In der Schlacht bei Bremule, am 20. August 1119, thut der
Ritter Guilelmus Crispinus einen Streich gegen den fliehenden Franzosenkönig


Kriegführung im Mittelalter.

wir wissen, ihre Angriffe gleichfalls mit lautem Geschrei begleiteten, legen unsere
Dichter solche Rufe in den Mund. Der Pfaffe Konrad läßt die Heiden des
Königs Paligan den Namen von dessen Säbel „Preciosa" als Feldgeschrei ge¬
brauchen, andere Dichter berichten, die arabischen Schaaren hätten „Machemet"
oder gar „Jupiter" gerufen. Solche Kriegsrufe haben den Zweck, die Angrei¬
fenden zu ermuthigen, die Gegner zu schrecken, während des Kampfes das Signal
zum Sammeln zu geben und in der Noth die Freunde herbeizurufen. Wenn
die Fahnen verloren waren, so blieb dem Heere im gemeinsamen Kriegsgeschrei
das letzte Mittel, sich immer wieder zusammenzufinden.

Zu diesem Stimmendonner von beiden Seiten schmettern die Trompeten,
hallen die Posaunen, dröhnen Trommeln und Pauken. Den Angriff eröffnen
Fußsoldaten. Dann entspinnt sich ein leichtes Scharmützel zwischen den Vor¬
truppen der Heere, und es werden Einzelkampfe ausgefochten. Nach diesen Ein¬
leitungen beginnt das entscheidende Ringen, welches den Angreifenden von dem
Heere, welches sich in der Defensive halten will, dadurch erschwert wird, daß
man vor der Front Lanzen, deren Spitzen schräg nach vorn gerichtet sind, in
die Erde gegraben und dazwischen Fußangeln herumgestreut hat. Der Führer
der angreifenden Hauptschaar reitet derselben einen Bogenschuß weit voraus.
Gelingt es, die ersten Glieder der Feinde zu werfen, so stürmt man bald auf
die zweiten Schlachthaufen los. Endlich bilden die geschlagenen Abtheilungen
nur noch eine zusammengedrängte Masse, die nach hartem Kampfe ebenfalls
zersprengt wird.

Das Kriegsgeschrei wiederholend, sich gegenseitig ermunternd, tapfer drauf
zu schlagen, brausen mit eingelegten Lanzen die Reitergeschwader über das
Blachfeld hin und auf einander los. Gelingt es einem der Helden an der
Spitze, in den feindlichen Schlachthaufen einzudringen, so drängt ihm die Schaar
der Freunde nach. Die Fürsten greifen wie ihre Ritter thätig in den Kampf
ein. Richard Löwenherz verrichtet Wunder persönlicher Tapferkeit, selbst Kirchen¬
fürsten verschmähen es nicht, mit ins Getümmel zu gehen und Schwert und
Streitaxt zuschwingen. Der Erzbischof von Mainz, Christian, Legat des aposto¬
lischen Stuhles, jagt in einer Schlacht gegen die Bologneser hoch zu Rosse, über
dem Harnisch die hyaeinthfarbene Tunica, in der Faust die Streitaxt, mitten
in die Feinde hinein und tödtet mit eigner Hand neun Mann derselben. Ein
anderer Erzbischof von Mainz, Konrad von Wittelsbach, bewährt sich bei der
Belagerung von Braunschweig, 1189, gleichermaßen als gewaltiger Kriegsmann.

Eigenthümlich ist die Auffassung, daß ein König zwar am Kampfe theil¬
nehmen darf, daß es aber Frevel ist, die Hand gegen den Gesalbten des Herrn
zu erheben. In der Schlacht bei Bremule, am 20. August 1119, thut der
Ritter Guilelmus Crispinus einen Streich gegen den fliehenden Franzosenkönig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/138>, abgerufen am 27.12.2024.