Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.viel mehr Juristen als Politiker sind, und daß ihre Vorstellungen vom Parla¬ Wieder viel Staub wurde aufgewirbelt, als die preußische Regierung im viel mehr Juristen als Politiker sind, und daß ihre Vorstellungen vom Parla¬ Wieder viel Staub wurde aufgewirbelt, als die preußische Regierung im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/148997"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17"> viel mehr Juristen als Politiker sind, und daß ihre Vorstellungen vom Parla¬<lb/> mentarismus und ihr leidiger Fractionsgeist sie weiter verblenden. Sie wollten<lb/> seine discretionäre Gewalt für die Regierung, weil dies ihrer Ansicht nach jener<lb/> eine Macht verlieh, die nicht zu dem von ihnen erstrebten Einflüsse auf die Ver¬<lb/> waltung des Staates stimmte, und sie fürchteten, daß eine Befriedigung der<lb/> Katholiken innerhalb gewisser Grenzen der Regierung einen Theil des Centrums<lb/> zuführen und diese dann zu stark für die Kräfte und Bestrebungen des Libera¬<lb/> lismus werden würde. In letztem täuschten sie sich. Das Centrum opponierte<lb/> ebenfalls, es wollte keine Abschlagszahlung, sondern das Ganze, und es würde<lb/> auch mit der Beseitigung der Maigesetze nicht zufrieden gewesen sein; denn es<lb/> ist nur scheinbar eine kirchliche, in Wahrheit eine politische Partei, die sich<lb/> in ihrer Mehrzahl gegen die Schöpfung eines deutschen Reiches auflehnt, welches<lb/> unter der Hegemonie der protestantischen Hohenzollern steht. Sie konnten nach<lb/> dem Mandate, das ihnen ihre katholischen Wähler ertheilt hatten, anfangs mehr<lb/> verlangen, als die Vorlage gewährte, aber sie mußten sich, soweit die Konser¬<lb/> vativen dazu nicht zu haben waren, mit dem, was diese zugestehen wollten,<lb/> begnügen und den Gesetzentwurf als immerhin nützlich acceptieren. Statt dessen<lb/> verhielten sie sich von vornherein feindlich und blieben so bis zur letzten Lesung,<lb/> aus welcher die Vorlage stark abgeschwächt hervorging.</p><lb/> <p xml:id="ID_19" next="#ID_20"> Wieder viel Staub wurde aufgewirbelt, als die preußische Regierung im<lb/> Bundesrathe die Einfügung Monas mit der hamburgischen Vorstadt Se. Pauli<lb/> in das Zollgebiet des Reiches beantragte. Ein großer Theil der liberalen Presse<lb/> und die Freihändler mit ihrem Schweife machten sofort ein entschieden parti-<lb/> cularistisches Gesicht und erklärten den Alltrag für eine himmelschreiende Ver¬<lb/> gewaltigung Hamburgs, das ohne Altona nicht Freihafen bleiben würde, und<lb/> zugleich für eine Verletzung des Artikels der Verfassung, welche den Hansestädten<lb/> ihre Freihafenstellung sichere. Man sah nicht oder wollte nicht sehen, daß jener<lb/> Artikel deu Hamburgern und Bremern nicht sowohl einen Bezirk voll der oder<lb/> jener Ausdehnung und Lage als Freihafengebiet zugewiesen, sonder» nur einen<lb/> den Zwecken der Freihafenstellung überhaupt entsprechenden Bezirk zugesichert<lb/> hat, und daß die Bestimmung desselben einzig und allein Sache des Bundes¬<lb/> rathes ist. Im übrigen steht fest, daß Preußen keinerlei Verpflichtung<lb/> hat, zu Gunsten Hamburgs darauf zu verzichten, Altona in einen Zoll¬<lb/> vereinshafen umzuschaffen, der für den wirthschaftlichen Aufschwung des<lb/> Reiches von hoher Bedeutung werden würde und geradezu unentbehrlich für<lb/> den Export Deutschlands nach fremden Ländern ist. Wird Hamburg dadurch be¬<lb/> einträchtigt, so mag es selbst in das Zollgebiet Deutschlands eintreten. Auf<lb/> die Dauer wird es, seit wir das System mäßiger Schutzzölle adoptiert haben,<lb/> mit der Freihafenstellung der beiden Hansestädte doch nicht gehen. Es ist wider</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
viel mehr Juristen als Politiker sind, und daß ihre Vorstellungen vom Parla¬
mentarismus und ihr leidiger Fractionsgeist sie weiter verblenden. Sie wollten
seine discretionäre Gewalt für die Regierung, weil dies ihrer Ansicht nach jener
eine Macht verlieh, die nicht zu dem von ihnen erstrebten Einflüsse auf die Ver¬
waltung des Staates stimmte, und sie fürchteten, daß eine Befriedigung der
Katholiken innerhalb gewisser Grenzen der Regierung einen Theil des Centrums
zuführen und diese dann zu stark für die Kräfte und Bestrebungen des Libera¬
lismus werden würde. In letztem täuschten sie sich. Das Centrum opponierte
ebenfalls, es wollte keine Abschlagszahlung, sondern das Ganze, und es würde
auch mit der Beseitigung der Maigesetze nicht zufrieden gewesen sein; denn es
ist nur scheinbar eine kirchliche, in Wahrheit eine politische Partei, die sich
in ihrer Mehrzahl gegen die Schöpfung eines deutschen Reiches auflehnt, welches
unter der Hegemonie der protestantischen Hohenzollern steht. Sie konnten nach
dem Mandate, das ihnen ihre katholischen Wähler ertheilt hatten, anfangs mehr
verlangen, als die Vorlage gewährte, aber sie mußten sich, soweit die Konser¬
vativen dazu nicht zu haben waren, mit dem, was diese zugestehen wollten,
begnügen und den Gesetzentwurf als immerhin nützlich acceptieren. Statt dessen
verhielten sie sich von vornherein feindlich und blieben so bis zur letzten Lesung,
aus welcher die Vorlage stark abgeschwächt hervorging.
Wieder viel Staub wurde aufgewirbelt, als die preußische Regierung im
Bundesrathe die Einfügung Monas mit der hamburgischen Vorstadt Se. Pauli
in das Zollgebiet des Reiches beantragte. Ein großer Theil der liberalen Presse
und die Freihändler mit ihrem Schweife machten sofort ein entschieden parti-
cularistisches Gesicht und erklärten den Alltrag für eine himmelschreiende Ver¬
gewaltigung Hamburgs, das ohne Altona nicht Freihafen bleiben würde, und
zugleich für eine Verletzung des Artikels der Verfassung, welche den Hansestädten
ihre Freihafenstellung sichere. Man sah nicht oder wollte nicht sehen, daß jener
Artikel deu Hamburgern und Bremern nicht sowohl einen Bezirk voll der oder
jener Ausdehnung und Lage als Freihafengebiet zugewiesen, sonder» nur einen
den Zwecken der Freihafenstellung überhaupt entsprechenden Bezirk zugesichert
hat, und daß die Bestimmung desselben einzig und allein Sache des Bundes¬
rathes ist. Im übrigen steht fest, daß Preußen keinerlei Verpflichtung
hat, zu Gunsten Hamburgs darauf zu verzichten, Altona in einen Zoll¬
vereinshafen umzuschaffen, der für den wirthschaftlichen Aufschwung des
Reiches von hoher Bedeutung werden würde und geradezu unentbehrlich für
den Export Deutschlands nach fremden Ländern ist. Wird Hamburg dadurch be¬
einträchtigt, so mag es selbst in das Zollgebiet Deutschlands eintreten. Auf
die Dauer wird es, seit wir das System mäßiger Schutzzölle adoptiert haben,
mit der Freihafenstellung der beiden Hansestädte doch nicht gehen. Es ist wider
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