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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Nicht nur waren für den Augenblick die schönen Träume von venetianischen
Golde zerronnen, sondern es waren damit auch für alle Zukunft ähnliche an¬
genehme Nebenverdienste zweifelhaft geworden, denn wer einmal einen Ver¬
brecher hatte echappieren lassen, dem wurde voraussichtlich ein solches Geschüft
nicht wieder anvertraut.

Nachdem die beiden Unglücksgefährten ein Paar Tage in der Umgegend
von Bassano Nachforschungen nach dem Entronnenen betrieben, und die gänzliche
Hoffnungslosigkeit weiterer Versuche sich herausgestellt hatte, begaben sie sich
endlich betrübten Herzens auf die Heimreise. Unterwegs jedoch verleitete den
Unteroffizier das Verlangen, sich wenigstens den Ruf eines sorgfältigen Führers
zu retten, zu einem bedenklichen Schritte. Er ließ sich von einem Jnsbrncker
Studenten ein in italienischer Sprache verfaßtes und auf den Namen des Po-
desta von Bassano lautendes Zeugniß anfertigen, in welchem letztere obrigkeit¬
liche Person die richtige Ablieferung des Verbrechers bescheinigte. Diese ge¬
fälschte Urkunde schickte er nach der Heimkunft, die am 1. October erfolgte, nach
Kaisheim. Dort dachte zunächst niemand daran, das Document genauer zu prüfen,
man war froh, deu Uebelthäter für ein verhältnißmäßig billiges Geld los ge¬
worden zu sein. Das Schicksal jedoch hatte beschlossen, daß der Betrug nicht
unentdeckt bleiben sollte.

Zur Bewahrung des Geheimnisses war es schon unvortheilhaft, daß die
beiden Soldaten sich im Unfrieden von einander trennten. Der Musketier ver¬
langte bei der Rückkunft das versprochene Douceur, Beruauer verweigerte das¬
selbe, weil Loders Schlafsucht das ganze Unglück verschuldet habe, und zudem
von jenen von Kaisheim empfangenen 100 Gulden schon längst nichts mehr
übrig sei. Dagegen behauptete der andere, und nicht ganz mit Unrecht, was
den Schaden verursacht, sei vielmehr der Geiz und die Habsucht des Unter¬
offiziers, der, um zu sparen, alle durch forcierte Märsche zu sehr ermüdet habe.
So schieden sie in Zank und Streit.

Dem Musketier, der sich um das erwartete Douceur verkürzt sah, kamen
bald die Freunde des entflohenen Missethäters wieder in den Sinn, und er be¬
schloß, sich einmal umzusehen, ob bei diesen etwas zu verdienen sei. Zu diesem
löblichen Zwecke nahm er, unter dem Vorwande, eine Wallfahrt nach dem zwischen
Augsburg und Wertingen gelegenen, damals berühmten Wallfahrtsorte Biberbach
begehen zu wollen, einen Urlaub und begab sich gleich am 2. October, am
Tage nach der Rückkehr aus Welschland, nicht nach Biberbach, sondern in die
nicht weit davon entfernten Dörfer Altenmünster und Eppisburg, wo wohl¬
habende Freunde und Verwandte des entronnenen Bösewichts lebten. Er er¬
zählte denselben, daß hauptsächlich auf sein Veranstalter ihr Freund und Ver¬
wandter Gelegenheit gefunden habe zu entwischen, und verlangte für diese gute


Nicht nur waren für den Augenblick die schönen Träume von venetianischen
Golde zerronnen, sondern es waren damit auch für alle Zukunft ähnliche an¬
genehme Nebenverdienste zweifelhaft geworden, denn wer einmal einen Ver¬
brecher hatte echappieren lassen, dem wurde voraussichtlich ein solches Geschüft
nicht wieder anvertraut.

Nachdem die beiden Unglücksgefährten ein Paar Tage in der Umgegend
von Bassano Nachforschungen nach dem Entronnenen betrieben, und die gänzliche
Hoffnungslosigkeit weiterer Versuche sich herausgestellt hatte, begaben sie sich
endlich betrübten Herzens auf die Heimreise. Unterwegs jedoch verleitete den
Unteroffizier das Verlangen, sich wenigstens den Ruf eines sorgfältigen Führers
zu retten, zu einem bedenklichen Schritte. Er ließ sich von einem Jnsbrncker
Studenten ein in italienischer Sprache verfaßtes und auf den Namen des Po-
desta von Bassano lautendes Zeugniß anfertigen, in welchem letztere obrigkeit¬
liche Person die richtige Ablieferung des Verbrechers bescheinigte. Diese ge¬
fälschte Urkunde schickte er nach der Heimkunft, die am 1. October erfolgte, nach
Kaisheim. Dort dachte zunächst niemand daran, das Document genauer zu prüfen,
man war froh, deu Uebelthäter für ein verhältnißmäßig billiges Geld los ge¬
worden zu sein. Das Schicksal jedoch hatte beschlossen, daß der Betrug nicht
unentdeckt bleiben sollte.

Zur Bewahrung des Geheimnisses war es schon unvortheilhaft, daß die
beiden Soldaten sich im Unfrieden von einander trennten. Der Musketier ver¬
langte bei der Rückkunft das versprochene Douceur, Beruauer verweigerte das¬
selbe, weil Loders Schlafsucht das ganze Unglück verschuldet habe, und zudem
von jenen von Kaisheim empfangenen 100 Gulden schon längst nichts mehr
übrig sei. Dagegen behauptete der andere, und nicht ganz mit Unrecht, was
den Schaden verursacht, sei vielmehr der Geiz und die Habsucht des Unter¬
offiziers, der, um zu sparen, alle durch forcierte Märsche zu sehr ermüdet habe.
So schieden sie in Zank und Streit.

Dem Musketier, der sich um das erwartete Douceur verkürzt sah, kamen
bald die Freunde des entflohenen Missethäters wieder in den Sinn, und er be¬
schloß, sich einmal umzusehen, ob bei diesen etwas zu verdienen sei. Zu diesem
löblichen Zwecke nahm er, unter dem Vorwande, eine Wallfahrt nach dem zwischen
Augsburg und Wertingen gelegenen, damals berühmten Wallfahrtsorte Biberbach
begehen zu wollen, einen Urlaub und begab sich gleich am 2. October, am
Tage nach der Rückkehr aus Welschland, nicht nach Biberbach, sondern in die
nicht weit davon entfernten Dörfer Altenmünster und Eppisburg, wo wohl¬
habende Freunde und Verwandte des entronnenen Bösewichts lebten. Er er¬
zählte denselben, daß hauptsächlich auf sein Veranstalter ihr Freund und Ver¬
wandter Gelegenheit gefunden habe zu entwischen, und verlangte für diese gute


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/63>, abgerufen am 28.12.2024.